
Frauenkirche Dresden - Orgelmusik von Bach und Duruflé
Der Klang der Frauenkirche
Label/Verlag: Carus
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Diese schöne Aufnahme dürfte manchen, der sie als Dresden-Besucher und damit als Souvenir ersteht, nachhaltig auf Orgelmusik aufmerksam machen.
Zum Glück hat diese CD nicht lange auf sich warten lassen. Denn seit ihrer Einweihung am 30. Oktober 2005 ist das Interesse an der rekonstruierten Dresdner Frauenkirche von George Bähr ungebrochen. Endlos die Schlangen, die sich täglich um Einlass ins theatralische Innere bemühen und endlos auch die Menschenmenge, die an Konzerten und Gottesdiensten teilnehmen möchte. Samuel Kummer, der Organist der Frauenkirche, kann sich glücklich schätzen, an einem Ort wirken zu dürfen, der so weit ausstrahlt. Denn damit strahlt auch seine Musik aus und bürdet dem gebürtigen Stuttgarter gleichzeitig eine hohe Verantwortung auf. Die erste CD, die den Klang der neuen Orgel von Daniel Kern aus Straßburg in die Welt trägt, überrascht durch eine überzeugende Werkauswahl. Womit hätte man gerechnet? Touristen-Fastfood? Toccata und Fuge d-Moll? Fünfte Widor? Suite gothique oder Liszts B-A-C-H? Es hätte mich zumindest nicht überrascht, wenn diese Schlager der Orgelliteratur aufgetaucht wären. Vielleicht war man sich in Dresden und beim Label Carus aber bewusst, dass diese CD natürlich auch mit einem ungewöhnlichen Programm Käufer finden wird. So eröffnet Musik von Bach und doch nicht von Bach – eine Bearbeitung eines Konzertes von Antonio Vivaldi in d-Moll. Danach erst folgt ‘echter’ Bach mit dem kurzen Trio über ‘Herr Jesu Christ, dich zu uns wend’ BWV 655. Das klangliche Potential des Instruments und des Raumes, also ein veritabler Plenumklang brandet erstmal in der Pièce d’orgue BWV 572 auf.
Die Neue
Hauptattraktionen der SACD sind aber die Partita über ‘Sei gegrüßet, Jesu gütig’ BWV 768 und Maurice Duruflés Suite op. 5, die endlich rechtfertigt, warum man die neue Orgel nicht als einen Nachbau der Silbermann-Orgel ausgeführt hat. Der Streit um die beste Orgel währte lange und kostete die Verantwortlichen und viele Spender mehr Nerven als er letztlich wert war. Denn das Silbermann-Instrument war schon vor dem Krieg nur noch in Teilen vorhanden. Durch Umbauten vieler Generationen war es den jeweiligen Moden und Wünschen der Hörer angepasst worden. Aus dem Nichts einen Silbermann zu bauen, das wird jedem einleuchten, wäre ein ziemlich hoffnungsloses Unterfangen gewesen, da schon um die Authentizität einer zu 40% aus Altsteinen bestehenden Frauenkirche heftig gestritten wurde. So ergänzte Daniel Kern zur Basis der Silbermannschen Orgel französische Register, viele Zungen, eben den typischen Sound, den man von den Orgeln eines Aristide Cavaillé-Coll kennt. Das alles findet zu einem harmonischen Ganzen zusammen, das Samuel Kummer beeindruckend erklingen lässt. Die SACD schafft es überzeugend den Raum der Frauenkirche abzubilden. Eine klare, saubere und dennoch lang tönende, mitschwingende, hohe Raumwirkung wird selbst über die heimischen Boxen erlebbar.
Reichhaltige Möglichkeiten
Kummer registriert nie auf Effekt, die Wahl seiner Register passt sich der Musik an und will nicht nur Kräfte spielen lassen. Natürlich rauscht der Wind gewaltig durch Duruflés Toccata, erschlägt den Zuhörer aber nicht, die Struktur bleibt im Vordergrund, ebenso wie in der variantenreich präsentierten Partita. Hier achtet Kummer geradezu pedantisch auf die gute Wahrnehmung des Cantus firmus, also des eingangs allem als Thema zu Grunde gelegten Chorals ,Sei gegrüßet, Jesu gütig’. Gleichzeitig zeigt seine Interpretation welche reichhaltigen Möglichkeiten die neue Orgel im Bereich lautstärketechnisch zurückhaltender Registrierungen bietet. Irritierend ist für mich die Pedalregistrierung am Ende der Piéce d’orgue BWV 572 ausgefallen. Das schnarrende Fagottregister erfüllt weniger die Funktion eines Fundaments als eines vorlauten Klanges, der sich in den Mittelpunkt drängen will. Duruflé gestaltet Kummer schließlich als Krimi. Düster und fast Furcht erregend hebt das Prélude an, die vollkommen andere Klangwelt des Barock ist sofort vergessen.
Diese schöne Aufnahme dürfte manchen, der sie als Dresden-Besucher und damit als Souvenir ersteht, nachhaltig auf Orgelmusik aufmerksam machen. Damit haben Samuel Kummer und das Label Carus an einem herausragenden Ort und auf einem herausragenden Instrument einiges für die viel zu häufig geschmähte Kunst des Orgelspiels getan.
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Frauenkirche Dresden: Orgelmusik von Bach und Duruflé |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: Spielzeit: Aufnahmejahr: |
Carus 1 01.11.2005 67:05 2005 |
Medium:
EAN: BestellNr.: |
SACD
4009350831889 CAR83188 |
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Bach, Johann Sebastian |
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Carus Der Name Carus steht weltweit als ein Synonym für höchsten Anspruch und Qualität auf dem Gebiet geistlicher Chormusik. Dies betrifft nicht nur unsere zuverlässigen Noteneditionen vieler zu Unrecht in Vergessenheit geratener Werke. Es ist uns ein besonderes Anliegen, gerade diese Werke - oft als Weltersteinspielungen - auch in exemplarischen Interpretationen durch hochrangige Interpreten und Ensembles auf CD vorzulegen. Der weltweite Erfolg unseres Labels führte zur Erweiterung unseres Katalogs: Neben der Chormusik, die weiterhin den Schwerpunkt des Labels bildet, haben gerade in den letzten Jahren einige Aufnahmen barocker Instrumentalwerke internationale Beachtung gefunden. Unsere Zusammenarbeit mit erstklassigen Interpreten führte zu einer hohen Klangkultur, die mit der Verleihung vieler internationaler Preise honoriert wurde (Diapason d'Or, Preis der Deutschen Schallplattenkritik, Gramophone - Editor's choice). Mehr Info... |
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