
Bach, Wilhelm Friedrich Ernst - Cantatas & Sinfonias
Ein fehlendes Mosaiksteinchen wird eingefügt
Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Eine hervorragende Ensembleleistung.
B-A-C-H. Bach. Den kennt jeder. Wenigstens Toccata und Fuge f-moll. Oder auch Bach/Gounods Ave Maria. Halt, sagt der Kenner. Bach, das ist nicht nur Johann Sebastian, sondern da sind ja noch die Bachs der jüngeren Generation. Dabei denkt er dann an die Bach Söhne: Carl Philipp Emanuel und Johann Christian Bach, die Meister des empfindsamen Stils.
Johann Sebastian Bachs eigene Brüder, wie Johann Jakob Bach oder gar seine Enkel sind wahrscheinlich die allerletzte Wahl bei Assoziationen zum Namen Bach.
Eine Aufnahme mit Werken des Enkels Wilhelm Friedrich Ernst Bach, die jüngst bei CPO erschienen ist, stellt darum einerseits eine echte Rarität dar. Andererseits zeigt sie, dass dieser letzte männliche Nachkomme Johann Sebastians nicht zu unrecht in unserem unmittelbaren Bild der Epoche zwischen 1756 und 1827 fehlt.
1759 in Bückeburg geboren und 86-jährig in Berlin verstorben hat er natürlich einen schweren Stand gegen die großen Namen der Wiener Klassik. Nur wenige seiner Kompositionen erschienen im Druck, obwohl er für seine Zeitgenossen kein Unbekannter war: Ab 1789 Kapellmeister der Königin Friederike von Preussen und später Cembalist und Musiklehrer bei Königin Luise, fehlte es ihm gewiss nicht an Gelegenheit zur Veröffentlichung seiner Werke.
Mit Ausnahme einer Trauerkantate auf den Tod Friederichs des Großen sind auf der vorliegenden Aufnahme alle bekannten Werke für Chor und Orchester gesammelt. Da Das kleine Konzert unter Hermann Max außerdem noch seine beiden Sinfonien in C-Dur und G-Dur für diese Produktion eingespielt hat, stellt die CD beinahe so etwas wie eine Gesamtaufnahme seiner heute bekannten Werke für größere Besetzungen dar. In einer ähnlichen Besetzung liegt auf dem Markt derzeit nur das hier ebenfalls eingespielte Vater unser vor, dass schon vor einiger Zeit bei Hännssler mit Helmut Rilling und dem Bach Collegium Stuttgart aufgenommen wurde.
Will man unter Repertoirewert also partout verstehen, dass ein bisher fehlendes Mosaiksteinchen in das große Gesamtbild aller verfügbaren Aufnahmen eingefügt werden kann, kann diese Aufnahme nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Ansonsten bietet die Musik keine Überraschungen, sie erreicht nicht die Originalität der zu Recht berühmteren Onkel und Mentoren Johann Christian und Carl Philipp Emanuel Bach. Und auch wenn der Name Bach nicht zum Vergleichen herausfordern würde, kommt man um ständige akustische Deja Vu’s nicht umhin. Allzu floskelhaft reiht sich Periode an Periode, Effekt an Effekt. Was Mozart oder Haydn auch heute noch so frisch scheinen lässt, dazu fehlte Wilhelm Friedrich Ernst die kompositorische Klasse. Er spielt nicht geschickt mit den Konventionen, sondern bewegt sich tüchtig in Ihnen, ohne aber je subversiv zu sein. Schon beim ersten Hören erlebt man keine Überraschungen mehr.
Dass man sich dennoch nicht langweilt, sondern sich die ganze gute Stunde angenehm unterhalten fühlt, muss wohl an den ausführenden Musikern liegen. In den schnellen Sätzen musizieren die Künstler um Hermann Max geradezu ausgelassen. Eine hervorragende Ensembleleistung, in die sich auch das solide singende Solistenensemble gut einfügt.
Schade nur, dass sich die vom WDR im Rahmen einer Koproduktion gestellten Tonmeister nicht für eine weniger fehlerhafte Aufnahme eingesetzt haben. Oder fehlte die Zeit für sorgfältige Schnitte? Ein Ärgernis sind beispielsweise die falschen Töne der Oboe im Allegro der C-Dur Sinfonie. Auch an anderer Stelle fallen trotz schöner Musizierkultur Kleinigkeiten unangenehm auf. Ein verpatzter Violinenlauf hier, unsaubere Hörner da. Im eigenen Recherchesystem des WDR trägt die Aufnahme daher den Warnhinweis auf die Oboepatzer und leichtere Probleme an anderen Stellen. Wer über diese Mängel hinwegsehen kann, den erwartet neben dem lebendig agierenden Orchester eine tadellose Leistung der Rheinischen Kantorei, die sich an keiner Stelle Blößen gibt, ganz gleich ob man die auch in der Höhe geschmeidigen Sopranstimmen oder die brillanten, aber nicht zu scharfen Tenöre genauer in Ohrenschein nimmt. Dieser kleine exklusive Chor gilt zu Recht neben Peter Neumanns Kölner Kammerchor zur allerersten Adresse der Chöre im Rheinland.
Ebenfalls auf der Habenseite dieser CD steht das Booklet, in dem Ulrich Leisinger mit einem hervorragend recherchierten Text glänzt. Statt sich ausschließlich aus den einschlägigen Artikeln im New Grove und der MGG zu bedienen, hat er sich offensichtlich sehr genau mit den einzelnen Werken beschäftigt und stellt nun die wesentlichen Punkte seiner Analyse leicht verständlich vor.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Bach, Wilhelm Friedrich Ernst: Cantatas & Sinfonias |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: Spielzeit: Aufnahmejahr: Veröffentlichung: |
cpo 1 20.09.2000 64:56 1998 2000 |
Medium:
EAN: BestellNr.: |
CD
0761203967223 999 672-2 |
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Bach, Wilhelm Friedrich Ernst |
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cpo Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
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