
Smetana, Bedrich - My Country
Schmissig und erdig
Label/Verlag: Supraphon
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Dies ist eine Aufnahme, die in die oberste Kategorie der Vaterland-Einspielungen einzureihen ist.
Sir Charles Mackerras ist einer der großen alten - aber doch irgendwie nie alt gewordenen - Dirigenten unseres Jahrhunderts. Wer die erst vor wenigen Monaten erschienene Aufnahme seiner Entführung aus dem Serail gehört hat, in der er das Scottish Chamber Orchestra mit ungeheurem Feuer und vitaler Spritzigkeit leitet, der mag verwundert gewesen sein, über so viel Energie und revolutionären Geist. Ähnlich wie sein Kollege Richard Bonynge empfängt Mackerras eine Art Altersgenialität - ohne ihm seine bisherigen Leistungen schmälern zu wollen. Aber: Junge Dirigenten, die in den Schallarchiven der Tonstudios, Rundfunksender und Plattenfirmen schnüffeln könnten bis Ihnen die Nase und vor allem Ohren qualmen, dirigieren zuweilen mit einer gelassenen Gleichgültigkeit und Langeweile, die einem einen Schauder versetzt. Mackerras hingegen ist sich nicht zu schade, erneut auf ausgetretenen Pfaden zu wandeln und diese auch gleich mit neuem, temperamentvollen Geist zu beschreiten.
Wie viele Einspielungen von Smetanas Vaterland mag es geben? Da mir gerade kein Bielefelder-Katalog zur Hand ist, erlaube ich mir einfach die pauschale Antwort: Mehr als man braucht! Mackerras' Einspielung dieses so populären Zyklus mit der Tschechischen Philharmonie ist indes ein Lichtblick; ein Zeichen, dass es immer wieder Musiker geben kann, die selbst solche Schmachtfetzen neu beleben können. Natürlich wird auch nach wie vor Vaclav Neumanns Einspielung mit der Tschechischen Philharmonie vom 5. November 1982 (DENON) - dem Gedenkkonzert an die Uraufführung des Zyklus' hundert Jahre zuvor - als Referenz gelten. Aber Mackerras macht Neumann ordentlich Konkurrenz.
Selten hört man die gebrochenen Dreiklänge der Trompeten in der Waldjagd so deutlich, die Bauernhochzeit so schmissig und erdig. Die leichten Verzögerungen in diesem burlesken Abschnitt, die die Wucht und den Drive dieser Musik erst durchschimmern lassen, sind hier überaus feinfühlig und abgestimmt interpretiert.
Nun ist die Tschechische Philharmonie nicht unbedingt für ein besonders exaktes Spiel berühmt. Vielmehr sind es der Klang und natürlich die Prädestination für Smetana, Janacek und Dvorak. Auch hier! Aber unter Mackerras spielen die Prager mit Noblesse, mit Akkuratesse. Das typisch östliche Vibrato des Blechs erscheint in dieser Aufnahme nicht ordinär (wie etwa zu Beginn der Eugen Onegin-Polonaise mit den Leningrader Philharmonikern unter Termikanov), sondern stimmig; gerade in Vysherad. Da schafft es dieses Trompeten-Vibrato, eine unglaubliche Spannung und Atmosphäre zu erzeugen; tschechisches Kolorit im Ton. Aber zurück zur Moldau: Das monumentale Vysherad-Thema im Finale ist für jeden Dirigenten schwierig umzusetzen. Dem Blech ist nicht die Melodie zugedacht, sondern nur Themenfetzen. Mal verstärken die Hörnern das Thema, während die Trompeten Signalmotive einwerfen. Mal haben die Trompeten die Anfangstöne des Themas, gleiten aber schnell wieder in Nebensächlichkeiten ab. Bei so vielen Dirigenten klingt das entweder sehr brüchig oder einfach nur lasch. Mackerras schafft hier genau die richtige Balance, um einen vollen Klang zu erreichen.
In Böhmens Hain und Flur sind es hingegen die Streicher, die einnehmen: Flirrend - gerade zu Beginn der fugierten Passagen; und dann: die Hörner. Da klingt Seele mit.
Genug der Schwärmerei! Dies ist eine Aufnahme, die in die oberste Kategorie der Vaterland-Einspielungen einzureihen ist. Nicht zuletzt auch dank der ganz hervorragenden Aufnahmequalität.
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Smetana, Bedrich: My Country |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: Spielzeit: Aufnahmejahr: Veröffentlichung: |
Supraphon 1 27.10.2000 76:14 1999 2000 |
Medium:
EAN: BestellNr.: |
CD
0099925346522 SU 3465-2 031 |
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Smetana, Bedrich |
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Supraphon Supraphon Music ist das bedeutendste tschechische Musiklabel und besitzt bereits eine lange Geschichte. Der Name "Supraphon" (der ursprünglich ein elektrisches Grammophon bezeichnete, das zu seiner Zeit als Wunderwerk der Technik galt) wurde erstmals 1932 als Warenzeichen registriert. In den Nachkriegsjahren erschien bei diesem Label ein Großteil der für den Export bestimmten Aufnahmen, und Supraphon machte sich in den dreißiger und vierziger Jahren besonders um die Verbreitung von Schallplatten mit tschechischer klassischer Musik verdient. Die künstlerische Leitung des Labels baute allmählich einen umfangreichen Titelkatalog auf, der das Werk von BedYich Smetana, Antonín Dvorák und Leos Janácek in breiter Dimension erfasst, aber auch andere große Meister der tschechischen und der internationalen Musikszene nicht vernachlässigt. An der Entstehung dieses bemerkenswerten Katalogs, auf den Supraphon heute stolz zurückblickt, waren bedeutende in- und ausländische Solisten, Kammermusikensembles, Orchester und Dirigenten beteiligt. Mehr Info... |
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