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Montag, 2. Oktober 2023

Furrer, Beat - Drei Klavierstücke

Der absolute Geist quietscht nicht


Label/Verlag: Kairos
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Einzig das ältere, tonale und sehr poetische Stück ,Voicelessness - The snow has no voice’ ist wirklich gelungen

In den vorliegend von Nicolas Hodges eingespielten Stücken experimentiert Beat Furrer mit Obertönen und Resonanzen. Hierzu regt er Saiten stumm gedrückter Tasten mit normal erzeugten Tönen an. Oder er dämpft nachklingende Akkorde zeitlich versetzt. Diese Klänge sind wesentlich filigraner als Sofortklänge und stellen, wie auch die Flageoletts von Saiteninstrumenten, kaum erfüllbare Ansprüche an die Tontechnik. Unmittelbar auf Forte-Anschläge folgendes pianissimo ist bereits dynamisch ein kaum zu lösender Widerspruch. Eine Aufnahme, der es gelänge, die vielschichtigen Klänge wirklichkeitsgetreu wiederzugeben, wäre ein Meilenstein der Klangtechnik. Um es vorwegzunehmen, auch die vorliegende Aufnahme ist kein Meilenstein. Zu dem hat der Klangtechniker statt eines klaren, brillanten Klanges, der solchen Anforderungen angemessener wäre, einen etwas dumpfen, unräumlichen Klang gewählt. Das hat den Vorteil, dass man einen eventuell quietschenden Klavierhocker nicht hört, aber eben auch nicht die feinen Nachklänge.

Besser ein Aufsatz?

Die Konzentration auf Nachklänge ist auch auf Seiten des Komponisten nicht hundertprozentig überzeugend. Eine Nachklangharmonie kann noch so raffiniert ausgearbeitet sein – sie steht im Schatten der Sofortklänge. Wenig überzeugend ist auch Furrers Konzeption der ,Drei Klavierstücke’ und von ,Phasma’. Phase bezeichnet sowohl den Schwingungszustand einer Welle an einer bestimmten Stelle und zu einem bestimmten Zeitpunkt (womit der Begriff auf die Resonanzen verweist) als auch den Abschnitt einer zeitlichen Ablaufs. Hört man erst ,Phasma’, dann die ,Drei Klavierstücke’ denkt man eher an ein einziges Klavierstück. In der Großform bestehen die Werke aus der Aneinanderreihung von Abschnitten, wobei jeder Abschnitt auf einer Grundidee basiert. Besser noch, auf einer Klangtheorie, und Furrer testet die möglichen Varianten durch. Ein Zitat von Furrer: ,etüdenartige Kompositionen, die jeweils einem anderen Klangphänomen auf der Spur sind’. Hier stellt sich tatsächlich die Frage, welche Berechtigung solche Stücke in einem Konzertsaal geschweige denn auf einer CD haben. Vielleicht hätte Furrer besser einen Aufsatz geschrieben? Hier bekommt Hegel recht: die sinnliche Kunst ist nichts gegen den absoluten Geist.

Ein Lichtblick

Einzig das ältere, tonale und sehr poetische Stück ,Voicelessness – The snow has no voice’ ist wirklich gelungen, auch wenn man zunächst nicht glauben will, dass es von Furrer ist. Tatsächlich ist es eine Reminiszenz an Debussys ,Des pas sur la neige’. Hier arbeitet Furrer mit der auch an Morton Feldman gemahnenden Technik der kleinen Veränderung eines sich wiederholendes Abschnitts. Zumindest 1986 war Furrer noch kein Anhänger von Hegel – die Kunst ist gerettet.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:




Patrick Beck Kritik von Patrick Beck,


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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Furrer, Beat: Drei Klavierstücke

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
Kairos
1
24.08.2005
Medium:
EAN:

CD
9120010281013


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Furrer, Beat


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Interpret(en):Hodges, Nicolas


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