
Eybler, Joseph - Die vier letzten Dinge
Ästhetisch erlebter Schrecken
Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Hermann Max unterstreicht mit seiner Interpretation die dramatischen Effekte, lässt aber auch den lyrischen Momenten Raum.
Eyblers Oratorium ‘Die vier letzten Dinge’ wurde von der Nachwelt wenig gewürdigt: Eduard Hanslick wertete das Oratorium ab und auch Arnold Schering zeigte sich in seiner vielgelesenen ‘Geschichte des Oratoriums’ wenig begeistert. Immerhin meinte er im Jahr 1911, dass die Musik ‘nicht durchweg so schlecht’ sei, wie es Hanslicks Urteil vermuten lasse. Dennoch ist auch Scherings Position klar: Um Haydn zu schlagen, ‘dazu reichten Eibler’s Fähigkeiten nicht aus.’ Die Zeitgenossen des 1810 uraufgeführten Oratoriums urteilten freilich anders. Joseph Eybler war ein hochangesehener und äußerst erfolgreicher Komponist, der keine Vergleiche zu scheuen brauchte. Johann Georg Albrechtsberger, einer der Lehrer Eyblers, meinte, ‘dass er nach Mozart in der Musik jetzt das größte Genie sei, welches Wien besitze’. Und sein Oratorium ‘Die vier letzten Dinge’ wurden in der Presse sogar als ‘bleibendes Muster für den unverfälschten religiösen Styl gelobt’.
Erhabener Gestus
Das umstrittene Werk hat nun Hermann Max mit der Rheinischen Kantorei und dem Orchester ‘Das Kleine Konzert’ eingespielt. Von einem ‘kleinen Konzert’ kann dabei eigentlich nicht die Rede sein: Eybler fordert für sein Oratorium ein großes Orchester, besetzt mit Streichern, Flöten, Oboen, Klarinetten, zwei Fagotten und einem Kontrafagott, das im Bläsersatz der ‘Hymne’ im dritten Teil des Oratorium besonders gut zur Geltung kommt. Verstärkt wird das Instrumentarium durch Hörner, Posaunen, Trompeten und den Pauken – wie es das Sujet und der erhabene Stil nahe legen.
Die Nähe zu Joseph Haydn und seinen beiden Oratorien ist mit Händen zu greifen – und zu hören. Eybler war ja nicht nur ein Schüler von Haydn, sondern er stellte sich ganz bewusst in dessen 1798 begründete deutschsprachige Oratorientradition. Mehr noch: Eyblers ‘Vier letzte Dinge’ bilden musikalisch und inhaltlich das Gegenstück zu Haydns ‘Schöpfung’. Der Wiener Hofkapellmeister hat mit seinem Oratorium von den letzten Dingen eine Trilogie vollendet, die von Haydn mit seinen beiden Werken begonnen hatte. Entstanden ist das Werk als Auftragskomposition für Kaiser Franz I. Theologisch atmet es den Geist der Aufklärung und betont die Tugend und die Pflicht der Menschen (Arie: ‘O wohl dem Frommen’): Glückswürdigkeit und Glückseligkeit sollten sich entsprechen. Ästhetisch – weniger kompositorisch – ist das Werk allerdings nicht ganz unproblematisch: Der breit ausgeführte Schrecken, die gleichsam naturalistischen Schilderungen des Weltuntergangs ermüden genauso wie die langen Jubelchöre am Ende. Effektvoll schreibt Eybler zwar immer, aber der Theaterdonner trifft den Zuhörer mehr ästhetisch als existentiell. Das gilt wohl nicht nur für moderne Hörer. Vermutlich löste schon Anfang des 19. Jahrhunderts die Schilderung des Gericht kaum noch Grausen aus, sondern vielmehr Bewunderung angesichts der gewaltigen Komposition.
Schreckliches zur Unterhaltung Hermann Max unterstreicht mit seiner Interpretation die dramatischen Effekte, lässt aber auch den lyrischen Momenten Raum. Vielleicht sind diese Nummern sogar die besten, etwa das Duett ‘O Vater, Quell der Güte’ oder das Terzett ‘Jehova, sieh in deiner Milde’. Hier erhalten auch die drei Solisten Elisabeth Scholl (Sopran), Markus Schäfer (Tenor) und Peter Kooj (Bass) Gelegenheit, stimmliche Variabilität zu beweisen: Bei diesen Sätzen ist kein dramatischer Gestus gefragt, sondern ein zurückgenommen-lyrischer. Unterstützt wird die Interpretation durch Chor und Orchester, die beide zu begeistern vermögen. Die Qualität der Interpretation hilft über manche konzeptionelle Schwächen hinweg, etwa auch über die Handlungsarmut und den etwas flachen Dualismus zwischen Schrecken und Jubel. So kann folgendes Gesamturteil gewagt werden: ‘Die vier letzten Dinge’ von Eybler sind zwar alles andere als glaubwürdig und existentiell ergreifend, aber sie setzen ihr Sujet packend und unterhaltend um. Im Sinne aufgeklärter Religiosität, die den Menschen zum Besseren erziehen wollte, ist das wenig, im Sinne der klassischen Musiktradition viel.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Eybler, Joseph: Die vier letzten Dinge |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
cpo 2 21.02.2005 |
Medium:
EAN: |
CD
0761203702428 |
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Eybler, Joseph |
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cpo Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
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