
Palestrina, G.P.da: - Missa Papae Marcelli/Motetten für Christi Himmelfahrt
Die Rettung der Kirchenmusik
Label/Verlag: Christophorus
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Die Geschichte ist absolut nicht verbrieft und kann getrost ins Reich der Mythen verschoben werden. Trotzdem sei sie an dieser Stelle kurz erzählt, denn schließlich ist es auch heute noch spannend, wie Giovanni Pierluigi da Palestrina zum Retter der Kirchenmusik wurde. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts herum kümmerte sich das Konzil von Trient um die inhaltliche Erneuerung der katholischen Kirche. In diesem Zusammenhang wollte man die mehrstimmige Figuralmusik gänzlich aus dem Gottesdienst verbannen und fortan nur noch den gregorianischen Choral gelten lassen. Daraufhin soll der Mailänder Bischof Carlo Borromeo eben jenen Giovanni Pierluigi da Palestrina beauftragt haben, eine Messe zu schreiben, die allen Forderungen des Konzils gerecht wurde. Die dabei entstandene ‚Missa Papae Marcelli’ soll in ihrer Vollkommenheit die Kardinäle so beeindruckt haben, dass diese beschlossen, auch weiterhin Chormusik solcher Art zu billigen und zu fördern. So hatte Palestrina die Kirchenmusik gerettet und war fortan der Inbegriff des reinen und vollkommenen Stils.
Heute, gut 540 Jahre später, bringt das ensemble officium unter der Leitung von Wilfried Rombach die Missa Papae Marcelli mit Werken zusammen, denen die Texte zum Fest Christi Himmelfahrt zu Grunde liegen. Was dabei ungewohnt ist und neugierig macht, ist die veränderte Transposition der Stücke. Aufgrund genauer Quellenstudien und Beschäftigungen mit den Originaltexten ist es heute gesichert, dass die Messe für den Vortrag um eine Quart nach unten transponiert werden muss. Die Folge ist ein völlig neues und vor allem viel fülligeres Klangbild.
Und so klingt diese Aufnahme auch vor allem in den mittleren Lagen sehr reich und voll. Dazu kommt noch, dass beim ensemble officium nur die Sopranstimmen mit Frauen besetzt sind und die Alt-Lage von Männerstimmen gesungen wird. Der gesamte Chorklang wird dadurch sehr weich und verfügt an keiner Stelle über zu schneidende oder durchdringende Präsenzen, was der historisch orientierten Interpretation des Ensembles nur zuträglich ist.
Die Werke, die für die vorliegende CD zusammengestellt wurden, zeichnen sich allesamt durch ihre vorzügliche Klangreinheit und Klarheit aus. Wunderschön werden die einzelnen Stimmen nebeneinander geführt, zusammengebracht und entwickeln sich von schlichter Einstimmigkeit zu vielstimmigen Klangstrukturen. Das abschließende Agnus Die steht dabei exemplarisch für Palestrinas Tonkunst und Stimmfertigkeiten. Von der großartigen Textverständlichkeit, die gemeinhin an dieser Messe gelobt wird, ist leider an vielen Stellen dieser Aufnahme nicht mehr viel zu hören. Oft ist nur noch ein großer Vokalteppich zu vernehmen, aus dem die ‚s’- und ‚sch’-Laute schon beinahe störend hervorstechen. Das hat allerdings weniger mit der Leistung des ensemble officium zu tun, sondern liegt für meine Begriffe viel mehr an der Aufnahmetechnik, die den Chor einfach mit zuviel Hall bedacht hat. Der Raumklang der Ev. Kirche Peter und Paul Mössingen ist in der Einspielung etwas zu präsent, weniger wäre hier mehr gewesen. So braucht man doch des Öfteren den Text im Booklet, um der Messe folgen zu können. Klangschön ist die Aufnahme dennoch und nicht zu knapp. So kann vor allem der ganz und gar homogene Chorklang überzeugen genauso wie die gleichmäßige Linienführung. Und hinter dem Hall kann man ein vortrefflich agierendes Ensemble hören, dass mit vollem Klang und wunderschöner Geschlossenheit brilliert.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Palestrina, G.P.da: : Missa Papae Marcelli/Motetten für Christi Himmelfahrt |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: Spielzeit: Aufnahmejahr: |
Christophorus 1 01.05.2005 64:55 2004 |
Medium:
EAN: BestellNr.: |
CD
4010072772756 CHR 77275 |
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Palestrina, Giovanni Perluigi |
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"Die Frage der „Schlüsselung“ ist ein grundsätzliches Problem zur Interpretation von Musik der Renaissance: Sind die in den alten Notenschlüsseln notierten Stimmlagen wörtlich zu nehmen oder darf/muss man extreme Lagen transponieren. Was zunächst als rein musiktheoretisches Problem erscheint, hat ohrenscheinliche Auswirkungen: Die Einspielung der Missa Papae Marcelli des ensemble officium unter Wilfried Rombach erscheint in völlig neuem Gewand, denn die bisher in extremen Lagen geführte Sopranstimme klingt durch die Transponierung um eine Quart nach unten nun völlig gelöst und die ganze Messe „atmet in entspannten Bögen“. Ergänzt wird das Programm durch großbesetzte Motetten zu fünf bis zwölf Stimmen für das Fest Christi Himmelfahrt, ein Rahmenprogramm, das allein schon den Kauf dieser CD lohnt!" |
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Christophorus Christophorus ist das älteste deutsche Plattenlabel mit dem Schwerpunkt "Geistliche Musik". Es wurde 1935 gegründet, um religiöse Inhalte mittels Schallplatten und Bücher auch während des Nazi-Regimes zu verbreiten. Heute - mehr als 75 Jahre später - stehen spirituelle Themen weiterhin im Mittelpunkt des Labels, mit besonderem Interesse für unbekannte Werke und historische Interpretation. Gregorianische Gesänge, geistliche Vokalmusik, Musik der christlichen Kirchen und die Gesänge aus Taizé sind im Katalog ebenso vertreten wie Musik des Mittelalters und der Renaissance. Mit diesem Repertoire gilt Christophorus heute als eines der wichtigsten unabhängigen Labels auf dem internationalen Klassikmarkt. Mehr Info... |
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