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Le Sacre du Printemps - A silent movie to the music of Igor Strawinsky

Erlösung durch Nackttanz

Label/Verlag: Monarda Music
Detailinformationen zum besprochenen Titel

Gott ist schwarz und eine Frau. Sie trägt lange Unterhosen und quietschgelbe Zehenlatschen. In Ihrer ziemlich verwahrlosten Küche backt Sie kleine Menschen aus Mousse au Chocolat und zaubert Wolkenkratzerstädte aus Puderzucker, in die Sie Ihre Geschöpfe hineinsetzt. So viel lernt man zumindest zu Beginn des Films ‚Le Sacre du Printemps’ von Oliver Hermann. Ein Stummfilm, so will es der Titel, der einen Bilderrausch auf die Ballettmusik des russischen Komponisten Strawinsky entwirft. Dessen Werke haben derzeit in der Filmwelt Hochkonjunktur, so scheint es. Aber nicht jeder Film ist so extravagant und gleichzeitig um Nähe zur Handlung bemüht wie Chaudets Opernverfilmung zu Strawinskys ‚Die Nachtigall‘ (siehe hierzu den veröffentlichten Artikel vom 03.05.05)

Reisen mit Gott

Urmenschliche Leidenschaften und Extreme sind es, die Oliver Hermann vor dem Zuschauer ausbreitet: Trauer, Gewalt, Macht und Sexualität. Die Bilder, die er dazu findet, sind provozierend gemeint. Den fernsehgewohnten Zuschauer hauen diese aber nicht vom Hocker. Drastischer Sex, Vergewaltigung und Brutalität sind dank unserer TV-Geräte ja permanente Gäste im heimischen Wohnzimmer, egal ob man das nun mag oder nicht.
Offenbar hat Gott, deren Gesicht man wie bei der Hausherrin in Tom & Jerry-Filmen nie sieht, Ihre Freude an diesem Experiment mit den menschlichen Abgründen, die Sie durch Ihr Fernrohr beobachtet. Dramaturgischer Kunstgriff des Films: Eine Sonnenfinsternis greift in das Schicksal dreier Menschen ein – Esther, die um ihren toten Mann trauert, die von ihrem Vater missbrauchte Lucia und der Psychiater Dr. Bardot, der vom Chaos um ihn herum angewidert ist. Das kosmische Ereignis verpflanzt diese drei auf eine tropische Insel, wo mexikanische Zwerge, afrikanische Albinos im Tutu und Vertreter aller Weltreligionen fröhliche Urstände feiern.

Fern von Strawinsky

Die göttliche Reise hat einen Sinn. Ein Santeria-Ritual zwischen Ayurveda-Behandlung und buddhistischem Chinarestaurant, Nonnenkloster und einem Haufen aufgemotzter Transvestiten, ein wenig Islam, eine Prise Kabbala und eine gehörigen Menge gerupfter Hühner, geopferter Tauben usw. soll den geplagten Drei Heilung bringen. Es ist wahrscheinlich der allgemeine Nackttanz à la Kommune zum Schluss, der die geplante Erlösung bringt. Eine Erlösung mit Kaufhausmentalität im Sinne von New Age und Sektierertum. Die missbrauchte Lucia verlässt die elterliche Wohnung – offenbar ohne ihren Vater anzuzeigen. Esther hat sich endlich von den schwarzen Trauerfetzen getrennt und sieht wieder flott aus. Selbst Dr. Bardot hat augenscheinlich weniger Probleme. Immerhin teilt er seine Designerwohnung nun mit streunenden Hunden und hackt sich ein Fenster in Wand.
Was dieser Film mit Strawinsky zu tun hat? Nichts! Aber dafür ist die Aufnahme der Musik durch die Berliner Philharmoniker unter Simon Rattle nicht nur pointiert und kraftvoll, sie ist auch noch technisch hervorragend realisiert. Sicherlich eine der besten Einspielungen nach derzeitigem technischen Standard.

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