
Erich Leinsdorf - In Rehearsal
‚...das ist so, die Natur die da herum...’
Label/Verlag: Monarda Music
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Zu Erich Leinsdorf kam ich durch Zufall. Als ich gerade unglücklich verliebt und mit dem Opernvirus infiziert, auf fieberhafter Suche nach einer idealen Turandot-Aufnahme war, führten mich meine musikalische Hausgöttin Renata Tebaldi und Inge Borkh, die ich von unglaublich aufregenden Strauss-Aufnahmen her kannte, zu der 1959er DECCA-Einspielung. Von Erich Leinsdorf, dem Dirigenten der Aufnahme, hatte ich bis dahin nichts gehört. Aber schon die ersten Töne, die zuhause vom CD-Spieler kamen, lenkten meine Aufmerksamkeit von Ezio Giordanos Mandarin auf die kühne Behandlung des Orchesters, die großartige Disposition de Chores hin. Der lyrische und zugleich trockene Orchesterklang mit messerscharf kalkulierten, bombastischen Effekten deckte die Sänger in keinem Moment zu und atmete ganz selbstverständlich und organisch. Ich ahnte bald, dass ich einen Ausnahmedirigenten vor mir hatte und erkannte auch schnell, während meine Sammlung seiner Platten wuchs, dass Leinsdorf auch vor allem im deutschen Repertoire eine Autorität war.
Große Karriere Der 1912 in Wien geborene Dirigent machte nicht in der Alten Welt Karriere. Früh genug, bevor die Nazis sein Leben in Gefahr hätten bringen können, verließ er Europa und wirkte von 1938-43 an der Metropolitan Opera in New York. An die Met zog es ihn im Laufe seines Lebens immer wieder. Leinsdorf, der mit Walter und Toscanini gewirkt hatte, leitete namhafte Orchester der USA wie das Boston Symphony Orchestra. Trotz dieses Werdegangs erreichte er jedoch nie die Popularität, die andere Dirigenten seiner Zeit hatten. Vielleicht können Filme, wie der von János Darvas ein Schritt dazu sein, dies im nachhinein zu ändern. 1984 begleitete Darvas den Dirigenten mit der Kamera bei Proben mit dem Sinfonieorchester des Südwestfunks Baden-Baden.
Dialog
Es ist der Dialog mit den Musikern, der das Besondere der Arbeit Leinsdorfs ausmacht. Leinsdorf ist nicht der Pantokrator mit dem Taktstock, dessen Wort Gesetz ist. Es ist eine wahre Freude dem höflichen Herrn zuzuhören, der mit Humor und tiefem Wissen sich und seine Musiker in die Tiefe einer Partitur führt.
Leinsdorf erklärt den Musikern, dass er die Konzertfassungen von Wagners Musik nicht schätze, weil sie unorganische Schlüsse von fremder Hand aufgezwungen bekommen haben. Da ist es nachvollziehbar, dass er seine eigene Fassung erstellt hat, in der er um Übergänge bemüht war: ‘da iss kein Wagnerfremder Ton dabei!’. Beim Karfreitagszauber unternimmt er einen Ausflug in die Flut der Schriften Wagners, um den Musikern klarzumachen, dass das richtige Tempo sich aus dem Melos eines Stückes ergeben muss. Aber Leinsdorf geht noch tiefer. Es ist ihm wichtig zu vermitteln, dass der Karfreitagszauber von der Dynamik einer entsündigten Natur gespeist wird, auch wenn seine Worte schon einmal unkonventionell scheinen: ‚...das ist so die Natur da herum’.
Praktische Details Leinsdorf ist jedoch weit davon entfernt nur Philosoph am Dirigentenpult zu sein. Ihm geht es um praktische Details und vor allem Genauigkeit. Eine Fermate hält er etwa 5/4 im Haupttempo, teilt er seinem Orchester mit. Und wem das nicht genau genug ist, dem fügt er noch hinzu, es solle eben ‚non schleppendo’ sein. Der Film von Darvas wäre nur Verheißung, wenn er den Zuschauer mit den Proben neugierig machen. Das tut er aber nicht. Nach den Probeaufnahmen hält die DVD in hervorragendem Klang Vorspiele und Verwandlungen aus dem Parsifal sowie ganze Schumann-Sinfonie Nr. 4 bereit. Eine wunderbare Gelegenheit, Leinsdorf besser kennenzulernen.
Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!
Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel
Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.
Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
![]() Cover vergrößern |
Erich Leinsdorf: In Rehearsal |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: Spielzeit: |
Monarda Music 1 29.03.2005 118:00 |
Medium:
EAN: BestellNr.: |
DVD
0807280115390 101 153 |
![]() Cover vergössern |
Schumann, Robert |
![]() Cover vergössern |
|
![]() Cover vergössern |
Monarda Music Arthaus Musik wurde im März 2000 in München gegründet und hat seit 2007 seinen Firmensitz in Halle (Saale), der Geburtsstadt Georg Friedrich Händels. Zahlreiche Veröffentlichungen des Labels wurden mit internationalen Preisen ausgezeichnet, darunter der Oscar-prämierte Animationsfilm ?Peter & der Wolf? von Suzie Templeton, die aufwändig produzierte ?Walter-Felsenstein-Edition? und die von Sasha Waltz choreographierte Oper ?Dido und Aeneas?, die beide den Preis der deutschen Schallplattenkritik erhielten. Mit dem Midem Classical Award wurden u. a. die Dokumentationen ?Herbert von Karajan ? Maestro for the Screen? von Georg Wübbolt und ?Celibidache ? You don?t do anything, you let it evolve? von Jan Schmidt-Garre ausgezeichnet. Die Dokumentation ?Carlos Kleiber ? Traces to nowhere? von Eric Schulz erhielt den ECHO Klassik 2011. Mit der Tochterfirma Monarda Arts besitzt Arthaus Musik eine ca. 900 Produktionen umfassende Rechtebibliothek zur DVD-, TV- und Onlineauswertung. Seit 2007 entwickelt das Unternehmen kontinuierlich die Sparte Eigenproduktion mit der Aufzeichnung von Opern, Konzerten, Balletten und der Produktion von Kunst- und Musikdokumentationen weiter. Arthaus Musik DVDs und Blu-ray Discs werden über ein leistungsfähiges Vertriebsnetz, u.a. in Kooperation mit Naxos Global Distribution in ca. 70 Ländern der Welt aktiv vertrieben. Darüber hinaus veröffentlicht und vertreibt Arthaus Musik die 3sat-DVD-Edition und betreut für den Buchhandel u.a. die Buch- und DVD-Edition über Pina Bausch von LArche Editeur, Preisträger des Prix de lAcadémie de Berlin 2010. Mehr Info... |
![]() Cover vergössern |
Jetzt kaufen bei...![]() |
Weitere Besprechungen zum Label/Verlag Monarda Music:
-
Gelungene Zeitreise: Das Teatro Regio Torino unternimmt eine Rekonstruktion der Uraufführung von Puccinis 'La Bohème'. Weiter...
(Oliver Bernhardt, )
-
Unentschiedenes Konzept: Richard Strauss' 'Capriccio' an der Dresdner Semperoper. Weiter...
(Oliver Bernhardt, )
-
Zerfahrener Aktionismus: Carlus Padrissas T.H.A.M.O.S.-Projekt in Salzburg Weiter...
(Oliver Bernhardt, )
Weitere CD-Besprechungen von Miquel Cabruja:
-
Erschütternde Rückblenden: Das Label Dux hat das Dokument der ersten russischen Bühnenproduktion von Mieczyslaw Weinbergs Oper 'Die Passagierin' veröffentlicht. Eine wichtige Ergänzung in der Diskografie des Meisterwerkes. Weiter...
(Miquel Cabruja, )
-
Verstörend schön: Das dänische Label OUR Recordings hat Axel Borup-Jørgensen eine Box gewidmet. Weiter...
(Miquel Cabruja, )
-
Muerte en Venecia: Willy Decker zeigte Brittens 'Death in Venice' 2014 im Teatro Real. Weiter...
(Miquel Cabruja, )
Weitere Kritiken interessanter Labels:
-
Wenig wirklich Neues: Spannende Begegnung mit Anton Weberns Schubert-Lied-Instrumentationen. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Russische Seele?: Elena Kuschnerova legt eine programmatisch fragwürdige, aber interpretatorisch überzeugende Aufnahme mit Klavierwerken von Alexander Lokshin und Sergej Prokofiev vor. Weiter...
(Dr. Kai Marius Schabram, )
-
Gediegen: Philippe Herreweghes gelegentliche Erkundungen im Reich der Bach-Kantate gefallen. Sie sind auf eine – im Sinne der Erkenntnisse historisch informierter Praxis – klassische Weise gediegen. Weiter...
(Dr. Matthias Lange, )
Portrait

"Man muss das Ziel kennen, bevor man zur ersten Probe erscheint."
Der Pianist und Organist Aurel Davidiuk im Gespräch mit klassik.com.
Sponsored Links
- klassik.com Radio
- Urlaub im Schwarzwald
- Neue Musikzeitung
- StageKit - Websites für Musiker, Veranstalter und Konzertagenturen
Hinweis:
Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers,
nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Die Bewertung der klassik.com-Autoren:
Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich