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Freitag, 2. Juni 2023

Knüpfer, Sebastian - Thomaskantor - Geistliche Konzerte

Nicht nur Vorvorvorgänger


Label/Verlag: Christophorus
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Von Sebastian Knüpfer (1633-1676) gab es bisher nicht viel zu hören. Immerhin ist in den letzten Jahren aus dem Vorgänger von Johann Sebastian Bach im Amt des Leipziger Thomaskantors ein leibhaftiger Komponist geworden. Den Einspielungen seiner Musik durch den Cantus Cölln unter Konrad Junghänel und des Kings Consorts unter Robert King danken wir diese Entwicklung. Dass es sich lohnte und noch immer lohnt sich für Sebastian Knüpfer zu interessieren, das beweisen Arno Paduch und das Johann Rosenmüller Ensemble jetzt beim Label Christophorus mit acht, teilweise erstmals aufgenommen Geistlichen Konzerten. Knüpfer war Vorvorvorgänger Bachs in Leipzig und zwischen 1657 und 1676 ein viel gelobter, weit bekannter und hoch geachteter Komponist. Profunde Kenntnis der alten wie neuen protestantischen Kirchenmusik hatte er sich unter anderem in den neun Jahren am Gymnasium poeticum in Regensburg, einer der Thomasschule nicht unähnlichen Einrichtung, erworben. Sein Stil offenbart aber sogar Einflüsse der katholischen Giovanni und Andrea Gabrieli aus Venedig. Diese werden vor allem in den prunkvollen, durch Zinken, Posaunen und Dulzian bereicherten Ecksätzen offensichtlich. Das Geistliche Konzert mit seinem Wechsel von solistischen, ariosen Passagen auf Generalsbassbasis, Ensemblesätzen und auffallender musikalischer Rhetorik war schon mit Schütz, der noch bei Andrea Gabrieli studiert hatte, aus Italien in deutsche Lande gekommen.

Im Geiste von Heinrich Schütz

Arno Paduchs Aufnahme arbeitet die Nähe Knüpfers zu Schütz deutlicher heraus als alle bisherigen Interpreten. Anders als das Kings Consort setzt das Rosenmüller Ensemble weniger auf einen monumentalen Gabrielistil, sondern versucht vielmehr, die Musik deutlich als Konsequenz der Worte und ihres Sinns zu interpretieren. Dadurch entsteht ähnlich wie in den Werken von Heinrich Schütz eine größere Vielfalt der musikalischen Charaktere, welche für mehr Abwechslung sorgt und Knüpfer weniger archaisch klingen lässt. Plötzlich wirkt seine Musik sogar gegenüber derjenigen seiner Nachfolger im Amt, Johann Schelle und Johann Kuhnau, nicht mehr so altertümlich.
Das Rosenmüller Ensemble vereint schlanke, natürliche, gut verständliche und unterscheidbare Stimmen. Da verbietet es sich, die Instrumentalgruppe allzu prunkvoll auftrumpfen zu lassen. Entsprechend halten sich Bläser und Streicher zurück, gestalten eine auch in den ausladend komponierten Sätzen schlichte, atmende Musik. Ein hervorragendes Beispiel für diese Art zu Musizieren ist das Konzert ,Nun dancket alle Gott’. Die Soli mit Streicherbegleitung und die Tutti mit Blechbläsern wirken nicht blockhaft nebeneinander gestellt, sondern organisch in ihrer Abfolge. Dabei verlieren die Tuttiabschnitte noch nicht einmal etwas von der federnden Drahtigkeit der Soli. Auch im eröffnenden dicht komponierten Konzert ,Was mein Gott will’ bleibt das Stimmgeflecht für das Ohr entwirrbar. Darin unterscheidet sich diese Interpretation angenehm von derjenigen des Kings Consorts.

Kleine Intonationsschwächen

Ein kleiner Schwachpunkt der Aufnahme ist die Intonation. Das ,De profundis clamavi’ (Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu Dir) nimmt eine der ansonsten mit wunderbar edler Stimme singenden Sopranistinnen bisweilen etwas zu wörtlich. Auch in einem anderen lateinischen Konzert ,Ecce quam bonum’ kriselt es ein klein wenig. An der Tontechnik kann es nicht gelegen haben. Die gibt sich bemüht, einen leicht hallenden Kirchenraum abzubilden und keinen der sieben Sänger des Johann Rosenmüller Ensembles zu exponieren. Dies gelingt ebenso gut, wie ein Klang, der sich ehrlich als der eines kleinen Ensembles zu erkennen gibt. Da werden keine Chöre vorgetäuscht, wo keine sind.
Die CD ist eine schöne Sache. Sie öffnet ein Fenster zu einer noch immer sträflich vernachlässigten Musikergeneration. Für die Genialität seines dritten Nachfolgers kann man Sebastian Knüpfer und seine Musik doch nun auch wahrlich nicht in Schuldhaft nehmen.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Knüpfer, Sebastian: Thomaskantor - Geistliche Konzerte

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
Aufnahmejahr:
Christophorus
1
01.04.2005
2004
Medium:
EAN:
BestellNr.:

CD
4010072772763
CHR77276


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Knüpfer, Sebastian


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Dirigent(en):Paduch, Arno


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Christophorus

Christophorus ist das älteste deutsche Plattenlabel mit dem Schwerpunkt "Geistliche Musik". Es wurde 1935 gegründet, um religiöse Inhalte mittels Schallplatten und Bücher auch während des Nazi-Regimes zu verbreiten. Heute - mehr als 75 Jahre später - stehen spirituelle Themen weiterhin im Mittelpunkt des Labels, mit besonderem Interesse für unbekannte Werke und historische Interpretation. Gregorianische Gesänge, geistliche Vokalmusik, Musik der christlichen Kirchen und die Gesänge aus Taizé sind im Katalog ebenso vertreten wie Musik des Mittelalters und der Renaissance. Mit diesem Repertoire gilt Christophorus heute als eines der wichtigsten unabhängigen Labels auf dem internationalen Klassikmarkt.


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