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Sonntag, 4. Juni 2023

Brahms, Johannes - Variations for Orchestra

Querbeet neu verpackt


Label/Verlag: Profil - Edition Günter Hänssler
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Mit Hilfe moderner Technik läßt sich manch ein antikes Kleinod retten und für unsere HiFi-verwöhnten Ohren tauglich machen.

Mozart und Brahms dürften sich zu genüge in den meisten Regalen von Freunden klassischer Musik befinden, und auch Wolf-Ferrari gehört nicht zu den ganz unbekannten. Es lohnt sich aber dennoch, das große Angebot von Einspielungen bestimmter Werke zu durchforsten, um dabei auf manches Kleinod zu treffen. Vor allem ältere Aufnahmen von großen Solisten und Dirigenten sind sehr gefragt. Einer dieser Dirigenten ist Ferdinand Leitner (1912-1996).

Wahrscheinlich ist Leitners Name nicht der erste, der einem zu den großen Dirigenten des 20. Jahrhunderts einfällt. Das hat aber mehr mit seiner Bescheidenheit als mit seinem Talent und seiner Fähigkeit als Dirigent zu tun. Seine Ausbildung absolvierte er zunächst bei J. Prüwer und Fr. Schreker, er arbeitete an einigen der großen Häuser in Deutschland (Berlin, München und Stuttgart) und gab Gastspiele auf der ganzen Welt. Zu seinen großen Aufführungen gehört der vollständige Ring-Zyklus Wagners sowie eine Einspielung aller Bruckner-Sinfonien und er unterstützte vor allem die zeitgenössische Musik, was die Vielzahl seiner Ur- und Erstaufführungen belegt

Variierte Variationen

Mit einem Variationensatz in der Nach-Beethoven-Zeit ein Dirigentenportrait zu eröffnen ist vielleicht nicht typisch – man erwartet eher etwas pompöses – aber es ist sinnvoll. Brahms arbeitete über ein Thema, über das Haydn bereits Variationen schrieb, so daß der spätere Komponist neue Möglichkeiten des Variierens ausloten mußte. Daraus folgte die Notwendigkeit für Orchester und Dirigent, neue Maßstäbe zu setzen. Die einzelnen Variationen sind manchmal so frei, daß der Hörer die Verwandtschaft zum eigentlichen Thema nur noch ahnt. Die Herausforderung besteht für die Musiker darin, die große Bandbreite musikalischer Charakter herauszustellen. Brahms verteilt die einzelnen musikalischen Aufgaben auf unterschiedlich Instrumentengruppen, welche vom Württembergischen Staatsorchesters Stuttgart unter Leitner hervorgehoben werden. Auf diese Weise erreicht er eine Beleuchtung einzelnen Facetten des musikalischen Materials. Vor allem mit einem solchen Variationensatz zeigt sich, wie nuanciert ein Dirigent die Feinheiten der Komposition herausarbeiten kann.

88 Tasten für A-Dur

Die Pianistin Monique Haas gehörte zu den Pianistinnen, die sich vor allem um Interpretationen zeitgenössischer Musik verdient machte. Allerdings gehörte das klassischer Repertoire ebenso zu ihrem Gebiet, wie sie auf dieser Aufnahme eindrucksvoll zeigt. Leitner fällt dabei die Rolle des Vermittlers zwischen Pianistin und Orchester zu. Trotz der älteren Aufnahme (1952) wird ein relativ ausgeglichenes Verhältnis zwischen Solo und Tutti erreicht. Lediglich die höheren Lagen haben eine leichte Tendenz zum Klirren. Im zweiten Satz hört man zuweilen das Pedal, was daran liegen kann, daß das Mikrophon auf dem selben Boden stand wie der Flügel. Sobald das Orchester einsetzt, verschwinden diese Baßgeräusche aber wieder. Trotz dieser technischen Defizite ist es eine Freude, Haas’ einfühlsamen Spiel zu folgen. In den Solopassagen bietet das Piano seine eigene Welt lyrischer Bögen, die sich von denen des Orchesters nur sanft aber deutlich absetzen. Gegen Ende verschmelzen Solo und Tutti zu einem Ganzen, indem sich durch zurückhaltende Klanggestaltung beide aneinander schmiegen. Das folgende Allegro Assai bildet einen rechten Gegenpol, der wohl lebhaft wirkt, ohne dabei gehetzt zu sein. Vielmehr wirken die virtuosen Passagen meisterhaft, da trotz der Geschwindigkeit kein Ton verloren geht. Auf jeden Fall gehört diese Interpretationen zu den beachtenswerten des 20. Jahrhunderts.

Zwischen den Akten

Um die Bandbreite des Portraits zu erweitern, eignet sich nach einem Orchesterstück und einem Konzert ein Ausschnitt aus einer Oper. Ermanno Wolf-Ferrari schrieb für seine erfolgreiche Oper ‘I giojelli della Madonna’ (Der Schmuck der Madonna) Zwischenaktmusiken, mit denen er von ersten in den zweiten, und vom zweiten in den dritten Akt überleitete. Aus dieser Oper, 1911 in Berlin uraufgeführt, wurde vor allem das zweite Intermezzo weltberühmt. Das leicht beschwingte, nur drei Minuten andauernde Stück ist eine Wiederholung des Ständchens der Opernfigur Rafaele. Ganz gegensätzlich ist das etwas längere erste Intermezzo, mit getragenen lyrischen Linien. Die Anfangsmelodie in den hohen Streichern erreicht seinen für veristische Opern typischen sehnsüchtigen Gestus durch das gezielte Ansteuern dynamischer Höhepunkte, die im Folgenden wieder abgefedert werden. Der Mittelteil, der mehr einer Überleitung gleicht, steht stark in der Tradition italienischer Klangmalerei.

Aufnahme

Mit Hilfe moderner Technik läßt sich manch ein antikes Kleinod retten und für unsere HiFi-verwöhnten Ohren tauglich machen. Allerdings sind auch den ausgefeiltesten Techniken Grenzen gesetzt. So lassen sich weder die Mittenlastigkeit noch das Wummern in den tiefen Tonlagen ganz beseitigen. Bei lauten Passagen in der hohen Lage tritt zuweilen ein leichtes Klirren auf, die volleren Akkorde klingen damit leicht verzerrt. Macht man den Tontechnikern der 40er Jahre aber diese Zugeständnisse, hat man insgesamt eine Aufnahme mit einer recht ausgewogenen Verteilung. Besonders das Klavierkonzert profitiert von der einfachen Aufnahmequalität, da eine geringere Anzahl von Mikrophonen automatisch zu einer ausgewogenen Aussteuerung zwischen Solo und Orchester kommt. Und letzten Endes erwartet niemand ein synthetisch rein aufgenommenes Werk, sondern freut sich vielleicht sogar insgeheim etwas über den nostalgisch wirkenden Klang. Auf Schellack jedenfalls wäre diese Aufnahme ganz große Klasse.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:




Thomas  Richter Kritik von Thomas Richter,


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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Brahms, Johannes: Variations for Orchestra

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
Spielzeit:
Profil - Edition Günter Hänssler
1
01.03.2005
51:45
Medium:
EAN:
BestellNr.:

CD
881488406320
PH04063


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Brahms, Johannes
 - Variationen für Orchester -
Mozart, Wolfgang Amadeus
 - Konzert für Klavier und Orchester KV 488 -
Wolf-Ferrari, Ermanno
 - Der Schmuck der Madonna -


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Dirigent(en):Leitner, Ferdinand
Orchester/Ensemble:Berliner Philharmoniker
Interpret(en):Haas, Monique


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"Eine weitere CD zur Ferdinand Leitner Edition bei PROFIL mit der unvergessenen Solistin am Klavier Monique Haas. "


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Profil - Edition Günter Hänssler

Profil - The fine art of classical music
EDITION GÜNTER HÄNSSLER - EIN LABEL MIT "PROFIL"
Bei der Gründung seiner "EDITION GÜNTER HÄNSSLER" und dem neuen Label "PROFIL" betrat Produzent Günter Hänssler, der ehemalige Chef des erfolgreichen Labels Hänssler Classics, mit einer ganz klaren Philosophie und Zielsetzung den Klassik-Markt:
"Nur ein Label mit einem klaren PROFIL, mit einem eindeutigen Wiedererkennungseffekt hat heute noch eine Chance auf dem heiß umkämpften CD-Markt - um die Liebhaber klassischer Musik heute mit einem Produkt zu überzeugen braucht man Originalität, Innovation und optimierte Vertriebswege."
Der Name PROFIL ist Programm. Günter Hänssler denkt in Serien. Nur groß angelegte Projekte haben heute noch eine Chance, sich nachhaltig auf dem Markt wiederzufinden. So entstanden international hoch gepriesene und mehrfach mit internationalen Preisen ausgezeichnete Editionen wie die EDITION STAATSKAPELLE DRESDEN oder die GÜNTER WAND EDITION.
Die Repertoire-Politik ist charakteristisch. Eine Auswahl erster internationaler Künstler finden sich im Programm von PROFIL ebenso wieder wie erfolgreiche Newcomer der Klassikszene, darunter das mehrfach preisgekrönte Klenke-Quartett, das in der Interpretation von Kammermusik in den letzten Jahren neue Maßstäbe setzen konnte.
Ergänzt wird das Repertoire durch ausgewählte, digital aufwendig restaurierte historische Aufnahmen, Interpretationen von legendärem Ruf in neuer, bisher nicht gekannter digitaler Klangqualität. Auf diese Weise schlägt PROFIL die Brücke von der Vergangenheit in die Gegenwart und versteht sich so auch als Bewahrer musikalischer Traditionen.
PROFIL: Ein Programm - eine Verpflichtung aus Tradition!


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