> > > Bruckner, Anton: Symphony No.7 in E major
Sonntag, 4. Juni 2023

Bruckner, Anton - Symphony No.7 in E major

Mit roten Ohren


Label/Verlag: Profil - Edition Günter Hänssler
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Das Foto ist hinreichend bekannt: Adolf Hitler in seiner schmucken Operettenuniform steht andächtig vor der Büste Anton Bruckners, die mit den Insignien des Dritten Reiches verunstaltet ist. Wie heißt es so schön, ‚Seine Feinde kann man sich aussuchen – seine Bewunderer nicht!’ Hitler liebte Anton Bruckner und überhäufte den Wehrlosen posthum mit Ehren. Dabei ist es eine berechtigte Frage, was Hitler wohl an Bruckner geschätzt haben mag. Denn entgegen anderslautender Einschätzungen hatte Hitler keinen Geschmack. Darüber darf man sich bei all der Staatskunst, die er produzieren ließ, einig sein.
Auch musikalisch bewegte Hitler sich am liebsten in seichtem Gewässer. Dazu bildete seine Wagnermanie zwar einen starken Kontrast, ein Gegenbeweis ist sie deshalb noch lange nicht. Hitler war vor allem von Wagners Pathos begeistert. Der germanische Kitsch, mit dem er den Bayreuther Meister überhäufte, zeigt überdeutlich, dass Hitler Wagner gründlich missverstand. Es ist kein unbegründeter Verdacht, dass Hitler Bruckner nur schätze, weil er ihm bombastisch nach Wagner klang. Genaues weiß man nicht. Und genauso wenig weiß man, wie der zutiefst antichristliche Hitler über die tiefe Verwurzelung der Musik Bruckners in der katholischen Glaubenswelt hinwegsehen konnte, die ihm doch als ‚verjudete’ Religion galt. Aber auch mit Wagners Staatspessimismus und den anarchistischen Ansätzen seiner Gedankenwelt hatte Hitler ja wenig Probleme, ganz im Gegensatz zu seinen Parteifreunden, die da weniger großzügig waren. Wie dem auch sei, als die Nachricht von Hitlers Tod im von den Nazis gequälten und den alliierten Bomben verwüsteten Deutschland über den Äther hallte, wurde sie mit dem Adagio aus Bruckners siebter Sinfonie dramatisch unterlegt. Es war das letzte mal, dass Hitler die Musik Bruckners vereinnahmte. Dann war endlich Ruhe.

Kunstwunder

In allen Gewaltherrschaften wird Kunst missbraucht. Und in allen Gewaltherrschaften geschieht auch das, was wie ein Wunder unerklärlich bleibt: Selbst unter schlimmster Tyrannei und inmitten der lähmendsten Diktatur des Geschmacks ereignet sich große Kunst. Ob in Berlin, Moskau oder Peking, Kunst fand und findet das kleinste Schlupfloch und geht ihren Weg, und sei er noch so steinig.
Wie ein Beweis für die Richtigkeit des eben Gesagten steht die Aufnahme, die Carl Schuricht 1938 im reichshauptstädtischen Berlin mit den Berliner Philharmonikern aufnahm und nun bei 'Profil - Edition Günther Hänssler' auf CD erscheint. Schuricht ist in dieser Aufnahme meilenweit entfernt von den germanischen Nebeln der Reichskanzlei und der hohlen Staatskunst der Aufmarschplätze und Ehrenfeiern. Das Gegenteil ist der Fall. Schuricht, dessen höchstes Anliegen die Werktreue war, operiert völlig unbeeindruckt von Hitlers Kunstkosmos getreu seiner Maxime: ‚Einer Sache dienen, ist besser als sich ihrer zu bedienen’.

Klingendes Gegenmodell

Bruckners Riesenpartitur klingt nicht nur wegen des Alters der Aufnahme hell und lichtdurchflutet. Die Bezüge zu Beethoven und der Musik vor Wagner werden deutlich. Die Kontraste der Musik werden nicht gemildert, das Blockhafte bleibt stehen, wird aber auch nicht über-monumentalisiert. Mit roten Ohren nimmt er die hitzigen Klippen des Allegro Moderato hastig und accellerando. Das Adagio ist eine innerliche, jugendlich leichtherzige Meditation, keine Gefühlsduselei. Das Finale schließlich erzählt auf grandiose Weise vom Gottvertrauen und der schlichten Genialität Bruckners und ist, wenn man nur genau hinhört, ein klingendes Gegenmodell zur Kunstdoktrin des kreischenden Diktators mit dem Chaplin-Bärtchen. Angesichts des großartigen künstlerischen Werts dieser Aufnahme ist es eigentlich ein Rätsel, dass Schuricht erst 1944 das Reich verlassen musste und in die Schweiz emigrierte. Aber wir sagte es ja bereits: Von Kunst haben die Nazis nichts verstanden.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Bruckner, Anton: Symphony No.7 in E major

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
Spielzeit:
Aufnahmejahr:
Profil - Edition Günter Hänssler
1
01.01.2005
64:45
1938
Medium:
EAN:
BestellNr.:

CD
881488406122
PH04061


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Bruckner, Anton
 - Symphony Nr. 7 -


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Dirigent(en):Schuricht, Carl
Orchester/Ensemble:Berliner Philharmoniker


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"Historische Einspielung in herausragend restaurierter Qualität von Bruckner-Interpret Carl Schuricht mit dem Berliner Philharmonischen Orchester aus dem Jahre 1938"


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Profil - Edition Günter Hänssler

Profil - The fine art of classical music
EDITION GÜNTER HÄNSSLER - EIN LABEL MIT "PROFIL"
Bei der Gründung seiner "EDITION GÜNTER HÄNSSLER" und dem neuen Label "PROFIL" betrat Produzent Günter Hänssler, der ehemalige Chef des erfolgreichen Labels Hänssler Classics, mit einer ganz klaren Philosophie und Zielsetzung den Klassik-Markt:
"Nur ein Label mit einem klaren PROFIL, mit einem eindeutigen Wiedererkennungseffekt hat heute noch eine Chance auf dem heiß umkämpften CD-Markt - um die Liebhaber klassischer Musik heute mit einem Produkt zu überzeugen braucht man Originalität, Innovation und optimierte Vertriebswege."
Der Name PROFIL ist Programm. Günter Hänssler denkt in Serien. Nur groß angelegte Projekte haben heute noch eine Chance, sich nachhaltig auf dem Markt wiederzufinden. So entstanden international hoch gepriesene und mehrfach mit internationalen Preisen ausgezeichnete Editionen wie die EDITION STAATSKAPELLE DRESDEN oder die GÜNTER WAND EDITION.
Die Repertoire-Politik ist charakteristisch. Eine Auswahl erster internationaler Künstler finden sich im Programm von PROFIL ebenso wieder wie erfolgreiche Newcomer der Klassikszene, darunter das mehrfach preisgekrönte Klenke-Quartett, das in der Interpretation von Kammermusik in den letzten Jahren neue Maßstäbe setzen konnte.
Ergänzt wird das Repertoire durch ausgewählte, digital aufwendig restaurierte historische Aufnahmen, Interpretationen von legendärem Ruf in neuer, bisher nicht gekannter digitaler Klangqualität. Auf diese Weise schlägt PROFIL die Brücke von der Vergangenheit in die Gegenwart und versteht sich so auch als Bewahrer musikalischer Traditionen.
PROFIL: Ein Programm - eine Verpflichtung aus Tradition!


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