> > > Wetz, Richard: Violin Concerto
Montag, 4. Dezember 2023

Wetz, Richard - Violin Concerto

Wallin und Wetz


Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Nach den drei Symphonien legt cpo nun eine Aufnahme des Violinkonzertes von Richard Wetz (1875 – 1935) vor. Damit wird unbestritten eine Lücke im Katalog geschlossen, denn das 1933 uraufgeführte Konzert war zuvor nicht auf Tonträger erhältlich. Bleibt die Frage, ob sich die Wiederentdeckung gelohnt hat – oder das Werk zu Recht vernachlässigt wurde. Die äußeren Voraussetzungen dieser Einspielung sind jedenfalls exzellent: Mit Ulf Wallin nimmt sich ein Spezialist für Wiederentdeckungen des Konzertes an, der Schwede hat u.a. (ebenfalls bei cpo) Ernst von Dohnanyis 1. Violinkonzert aus einem jahrzehntelangen Dornröschen-schlaf erweckt. Begleitet wird Wallin von der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz unter Werner Andreas Albert. Weil das halbstündige Violinkonzert noch reichlich Platz auf der CD läßt, gesellen sich zwei weitere Werke aus Wetz´ Feder hinzu: Die 1904 komponierte ´Traumsommernacht´ op. 14 für Frauenchor und Orchester und ´Hyperion´ op. 32 (1912) nach Hölderlin für Bariton, gemischten Chor und Orchester. In diesen beiden Werken singt der Kammerchor der Musikhochschule Augsburg, der Solist im `Hyperion´ ist Markus Köhler.

Das Violinkonzert hat nicht die üblichen drei, sondern vier Sätze, die deutschsprachige Vortragsbezeichnungen tragen und ohne Unterbrechungen ineinander übergehen. Angesichts der im Hintergrund wirksamen Bauweise einer Symphonie mit einem langsamen Satz an zweiter Stelle und einem sich anschließenden Scherzo ist man versucht, von einem symphonischen Konzert zu sprechen. In der Tat hat das Orchester in allen vier Sätzen erheblichen Anteil am Gesamtgeschehen, ist letztlich aber doch ´nur´ Begleiter des Solisten. Im ´etwas gehalten´ zu spielenden Kopfsatz überzeugt Wallin von Anfang an mit sehr sauberer Artikulation und einem singenden Ton, der dieser hörbar von Liszt und Bruckner beeinflußten Musik bestens steht. Reichlich düster und pessimistisch klingt dieser erste Satz, eine Stimmung, die auch im zweiten Abschnitt (´Ruhig und ausdrucksvoll´) kaum Aufhellungen erfährt. Wenig überraschend steht das Werk denn auch in h-moll. Was das Orchester angeht, kann sich Wallin wohl keine besseren Begleiter als Albert und die Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz wünschen.

Ob der dritte Satz ein Scherzo ist oder nur eine Art Intermezzo zum Finale, ist schwer zu entscheiden. In jedem Fall geht es hier deutlich rasanter zu, Wallin kann zeigen, über welche technischen Mittel er verfügt. Erneut gewährt Albert dem Orchester breiten Spielraum, ohne die Dominanz des Solisten anzutasten. Im Finale, dem längsten Satz des Werkes, scheint sich Wetz am deutlichsten an Bruckner angelehnt zu haben; breite orchestrale Bögen wechseln sich mit Kantilenen der Geige ab, eine triumphale Coda fehlt nicht. Wallin und Albert erweisen sich als eingespielte musikalische Partner, die diesem ohne Zweifel hörenswerten Violinkonzert zu längst fälligen Wiederbelebung verhelfen. Ob das Werk aber jemals im Konzertsaal auftaucht, darf bezweifelt werden: Die Möglichkeiten virtuosen Glanzes für den Solisten sind – trotz der hohen Schwierigkeit – vergleichsweise gering. Möglicherweise hält sich deshalb so mancher Geiger von diesem Konzert fern.

Die `Traumsommernacht´ ist ein kurzes, aber anspruchsvolles Chorwerk, das deutlich epigonaler als das Violinkonzert klingt. Angesichts der vorbildlichen Interpretation durch den Chor der Augsburger Musikhochschule ist die Komposition aber dennoch ein Gewinn; das Textverständnis ist hervorragend und auch die Balance zwischen Chor und Orchester stimmt. Mit ´Hyperion´ erklingt danach ein auf den ersten Blick wie eine Solokantate erscheinendes Werk, das aber mit einer Kantate im Sinne des 18. Jahrhunderts nicht viel zu tun hat. Nach einem langen Part des Solisten, den Markus Köhler mit baritonaler Wärme erfüllt, singen Chor und Solist gemeinsam. Die Klangbalance ist hier nicht optimal, der Chor wirkt etwas zugedeckt. Da der Markt aber nicht gerade mit Konkurrenzeinspielungen überflutet wird, darf man dennoch beruhigt zugreifen – obwohl das Hauptwerk der CD natürlich das Violinkonzert ist. Doch ´Hyperion´ ist ein aufwühlendes, im besten Sinne romantisches Werk, das dem Konzert fast den Rang ablaufen kann.

Wie schon in seinen Einspielungen der 2. und 3. Symphonie erweist sich Albert als idealer Wetz-Dirigent, der den Komponisten nicht als bloßen Bruckner-Nachfolger verkauft. Beim Violinkonzert ist diese Gefahr ohnehin gering – Bruckner schrieb bekanntlich keines. Jeder Geiger, der hier mit Wallin konkurrieren will, muß sich warm anziehen.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:






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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Wetz, Richard: Violin Concerto

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
cpo
1
20.10.2004
Medium:
EAN:

CD
0761203993321


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Wetz, Richard


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Dirigent(en):Albert, Werner Andreas
Orchester/Ensemble:Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz
Interpret(en):Wallin, Ulf
Köhler, Markus


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cpo

Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
Besonders stolz macht uns dabei, daß cpo - 1986 gegründet - in Rekordzeit in die Spitze vorgestoßen ist. Das Geheimnis dieses Erfolges ist einfach erklärt, wenn auch schwierig umzusetzen: cpo sucht niemals den Kampf mit den Branchenriesen, sondern füllt mit Geschick die Nischen, die von den Großen nicht besetzt werden, weil sie dort keine Geschäfte wittern. Und aus mancher Nische wurde nach einhelliger Ansicht der Fachwelt mittlerweile ein wahres Schmuckkästchen.
Am Anfang einer Repertoire-Entscheidung steht bei uns noch ganz altmodisch das Partituren-lesen, denn nicht alles, was noch unentdeckt ist, muß auch auf die Silberscheibe gebannt werden. Andererseits gibt es - von der Renaissance bis zur Moderne - noch sehr viele wahre musikalische Schätze zu heben, die oft näher liegen, als man meint. Unsere großen Werk-Editionen von Pfitzner, Korngold, Hindemith oder Pettersson sind nicht umsonst gerühmt worden. In diesem Sinne werden wir fortfahren.
Letztendlich ist unser künstlerisches Credo ganz einfach: Wir machen die CDs, die wir schon immer selbst haben wollten. Seien Sie herzlich zu dieser abenteuerlichen Entdeckungsfahrt eingeladen!


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