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Donnerstag, 30. November 2023

Günter Wand Edition - Messiaen - Webern - Fortner

Schnörkellos – sinnlich durchdacht


Label/Verlag: Profil - Edition Günter Hänssler
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Denkt man an die großen Dirigenten des letzten Jahrhunderts zurück, so fallen einem wahrscheinlich zuerst medienwirksame Pultstars ein wie Toscanini, Furtwängler, Karajan, Solti und einigen weiteren mehr. Erst nach und nach kommen wir auf die nicht minder begabten, doch im allgemeinen Bewusstsein ungleich weniger präsenten Orchesterleiter wie Walter, Mengelberg, Celibidache, Barbirolli, Klemperer – und eben Günter Wand. Viel Rummel entstand um ihn nicht in breiter Ebene, sondern auf eher lokaler, wie einige deutsche Erstaufführungen von zeitgenössischen Stücken in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg zeigen; doch war Auslöser dieser Tumulte weniger der Dirigent als vielmehr die ‘unerhört’ klingende Musik eines Messiaen, Webern, Fortner oder Strawinsky. Günter Wand machte es sich zur Aufgabe, dem Konzertpublikum (von Abonnementskonzerten!) diese modernen Werke vorzustellen und für diese zu begeistern – so wie er selbst diese Stücke mit Begeisterung und eisernem Willen mit den Musikern einstudierte.

Lohnenswerte Erstveröffentlichungen

Die hier nun vorliegende zweite Folge aus der Günter Wand-Edition, erschienen bei der Edition Günter Hänssler, macht erstmals Tondokumente dieses Dirigenten zugänglich, die Jahrzehnte lang in den Archiven der deutschen Rundfunkanstalten verstaubten. Dabei gibt es hier doch Einiges zu entdecken, denn fast alle dieser hier aufgenommenen Werke liegen in keiner anderen Einspielung Wands vor. Wer also damals – d.h. in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg – nicht die Gelegenheit oder Möglichkeit hatte (etwa weil man vielleicht noch nicht geboren war), Konzerte des Wuppertaler Kapellmeisters zu hören, bekommt nun die Chance, sich einen Eindruck von der ungeheueren Leidenschaft dieses Dirigenten für zeitgenössische Musik zu verschaffen. Denn Wand hat nicht nur Beethoven, Schubert und Bruckner dirigiert, wie das CD-Aufnahmen oder Konzerte aus seinen letzten Lebensjahren vielleicht suggerieren.
Auf dieser CD sind nun Werke von Olivier Messiaen, Anton Webern und Wolfgang Fortner enthalten. Wand beschränkte sich zeit seines Lebens auf ein überschaubares Repertoire, so dass sich die Anzahl der dirigierten Werke von Webern beispielsweise auf drei beschränkt. Diese studierte der Dirigent so oft und gründlich, dass sich seine Interpretationen als Prototypen für eine gelungene Synthese von Emotion und Ratio, von Leidenschaft und Lektüre darstellen.

Schnörkellose, differenzierte Interpretation

Auch wenn 1966 das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks mit der spröden Musiksprache und der überaus verzwickten Rhythmik Weberns scheinbar noch nicht so ‘warm’ war, schafft es Günter Wand doch, in den ‘Sechs Stücke für Orchester’ op. 6 sowohl Strukturen erkennbar werden zu lassen, wie auch – und vor allem – eine höchste Differenzierung der Klanggestaltung und –farben zu erreichen. Die dynamischen Abstufungen werden hier vorbildlich realisiert. Allerdings geht manches durch eine stellenweise nicht gerade optimale Klangtechnik verloren, hier wurde augenscheinlich mit möglichst wenig Mikrophonen gearbeitet. Selten hörte man die eigentümliche Mischung des Schlagwerks im vierten dieser Stücke so eindringlich und schillernd wie hier; auch die Schlusssteigerung erfüllt Wand mit höchster Spannung, das Symphonieorchester des BR folgt ihm hier bis aufs Letzte. Dennoch versteht es Günter Wand, neben der leidenschaftlichen, energiegeladenen Interpretation, den Notentext genau zu beachten und umzusetzen, die komplexen Strukturen und aphoristischen, durchorganisierten Werke Weberns transparent und verständlich werden zu lassen.
So auch in den ‘Fünf Stücken für Orchester’ op. 10, die mit einer Spieldauer von etwas mehr als vier Minuten Ausdruck höchster Konzentration des musikalischen Materials sind. Diese Aufnahme entstand während der MUSICA VIVA-Konzerte in München im Jahr 1968 und hier erhält der Hörer ein direkteres Klangbild, das die Farben der Instrumentalkombinationen hervorragend zur Geltung bringt. An Klarheit und schillernden Klangschattierungen kann diese Interpretation Wands Aufnahme mit dem Symphonieorchester des NDR, weit überflügeln. Und auch Weberns ‘Erste Kantate’ op. 29 überzeugt in der Deutung Wands; die Partie des Solo-Soprans übernahm hier seine zweite Ehefrau Anita Westhoff. Auch der Chor des Bayerischen Rundfunks scheint hier sehr gut disponiert, denn diese Kantate stellt immense Anforderungen nicht nur an das Orchester, sondern vor allem an die Träger des Vokalparts.

Spirituelle Versunkenheit

Messiaens ‘Trios petites liturgies de la Présence Divine’ für Klavier, Ondes Martenot, Chor und Orchester scheint hier wie aus einer anderen Welt herüberzuwehen. Fein ziseliert der bis zu achtzehnstimmige Frauenchor, zugleich weich und irisierend das Orchester. Günter Wand hat hier die Musiker wohl von der tiefen Verankerung dieser Musik in spirituellen Vorstellungen nicht nur überzeugen können, sondern auch diese animieren können, ihre Vorstellungswelt in die musikalische Interpretation mit einfließen lassen zu können.
Diese Kompilation von bisher (auf CD) unveröffentlichten Konzerten Günter Wands gibt einen lebhaften Eindruck von der energiegeladenen Leidenschaftlichkeit der Deutungen Wands und dessen intellektueller Durchdringung der Partituren. Auch wenn in klanglicher Hinsicht zum Teil kleine Abstriche zu machen sind, so ist Produktion nicht nur für enzyklopädische Sammler und Wand-Fans reizvoll, sondern für jeden, der sich für die Pflege zeitgenössischer Musik in Deutschland interessiert, eine lohnenswerte Anschaffung.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Günter Wand Edition: Messiaen - Webern - Fortner

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
Spielzeit:
Profil - Edition Günter Hänssler
1
15.11.2004
69:16
Medium:
EAN:
BestellNr.:

CD
881488405729
PH04057


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Fortner, Wolfgang
 - Aulodie für Oboe und Orchester -
Messiaen, Olivier
 - Trois Petites liturgies de la Présence Devine -
Webern, Anton von
 - Six Pieces for Orchestra, Five Pieces for Orchestra -


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Dirigent(en):Wand, Günter
Orchester/Ensemble:Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks


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"Noch veröffentlichte Aufnahmen aus den Rundfunkarchiven mit Günter Wand - diese Edition startet mit Mozarts Haffner-Serenade, D-Dur, KV 250/248b (PH04053) und einer atemberaubenden Einspielung zeitgenössischer Werke von Messiaen, Webern und Fortner (PH04057); Günter Wand leitet das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Stets hat Wand mindestens fünf Proben von den Orchestermanagern gefordert - nicht immer hat sich dieser beseelte Meister der Präzision und immer auf den „großen Bogen“ blickende Künstler dabei beliebt gemacht, jedoch sind perfekte Aufnahmen das glückliche Resultat. Im Augenblick wird diese Edition mit einem Umfang von ca. 15 CDs angelegt, jedoch behält sich PROFIL vor, die Grenze nach oben offen zu halten. "


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Profil - Edition Günter Hänssler

Profil - The fine art of classical music
EDITION GÜNTER HÄNSSLER - EIN LABEL MIT "PROFIL"
Bei der Gründung seiner "EDITION GÜNTER HÄNSSLER" und dem neuen Label "PROFIL" betrat Produzent Günter Hänssler, der ehemalige Chef des erfolgreichen Labels Hänssler Classics, mit einer ganz klaren Philosophie und Zielsetzung den Klassik-Markt:
"Nur ein Label mit einem klaren PROFIL, mit einem eindeutigen Wiedererkennungseffekt hat heute noch eine Chance auf dem heiß umkämpften CD-Markt - um die Liebhaber klassischer Musik heute mit einem Produkt zu überzeugen braucht man Originalität, Innovation und optimierte Vertriebswege."
Der Name PROFIL ist Programm. Günter Hänssler denkt in Serien. Nur groß angelegte Projekte haben heute noch eine Chance, sich nachhaltig auf dem Markt wiederzufinden. So entstanden international hoch gepriesene und mehrfach mit internationalen Preisen ausgezeichnete Editionen wie die EDITION STAATSKAPELLE DRESDEN oder die GÜNTER WAND EDITION.
Die Repertoire-Politik ist charakteristisch. Eine Auswahl erster internationaler Künstler finden sich im Programm von PROFIL ebenso wieder wie erfolgreiche Newcomer der Klassikszene, darunter das mehrfach preisgekrönte Klenke-Quartett, das in der Interpretation von Kammermusik in den letzten Jahren neue Maßstäbe setzen konnte.
Ergänzt wird das Repertoire durch ausgewählte, digital aufwendig restaurierte historische Aufnahmen, Interpretationen von legendärem Ruf in neuer, bisher nicht gekannter digitaler Klangqualität. Auf diese Weise schlägt PROFIL die Brücke von der Vergangenheit in die Gegenwart und versteht sich so auch als Bewahrer musikalischer Traditionen.
PROFIL: Ein Programm - eine Verpflichtung aus Tradition!


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