
Mit einem Augenzwinkern - Humoristische Arrangements aus Klassik, Pop, Jazz und "Leichter Muse"
Orpheus in der Unterhose
Label/Verlag: Stieglitz
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Starrheit, Konservativismus, ausgetretene Pfade, Gewöhnliches – zumindest im Bereich der Kunst meist negativ belegte Begriffe. Sicher kennt jeder nostalgische Gefühle gegenüber alten Werken. Aber das sind Juwelen der Vergangenheit. Denkanstösse. Frische, Frechheit, Mut zu neuen Wegen – das ist es, was wir uns von der Kunst der Gegenwart erhoffen. Zwar macht sich jeder Neuerer auch Feinde. Doch das sind schließlich bloß die in letzter Zeit so gescholtenen ‘Besitzstandswahrer’, die ihre goldenen Kälber zu verteidigen suchen. Die Zukunft gehört den Rebellischen. Oder?
Auf ihrer inzwischen fünften CD ‘Mit einem Augenzwinkern’ bieten die ‘Pifferari di Santo Spirito’ nach eigenen Angaben humoristische Arrangements aus Klassik, Pop, Jazz und ‘leichter Muse’ dar. Die ‘Pifferari di Santo Spirito’, also die Pfeiffer von Heiliggeist, sind Peter Schumann, ehemaliger Kantor der Heiliggeist-Kirche Heidelberg (daher der Name der Gruppe), das Oboisten-Ehepaar Margaret und Matthias Friederich, sowie seit neuestem deren zwölfjähriger Sohn David am Schlagwerk. Wie auch schon auf früheren Veröffentlichungen, die ‘Pifferari Safari’ oder ‘Orpheus in der Unterhose’ heißen, spielt der Familienbetrieb bekannte Melodien in eigenen Arrangements bei denen die vier Musiker unaufhörlich zwischen zahlreichen Blas-, Schlag- und Tasteninstrumenten, darunter Krummhörner, Heckelphon und Autohupe, wechseln.
Wenn die Pifferari auf diese Weise Johann Strauß’ Fledermauswalzer, Ravels Bolero aber auch Pop-Klassiker wie ‘Sugar Sugar’ und ‘We are the Champions’ zum Besten geben und den Gefangenenchor aus Verdis Oper ‘Nabucco’ mit der Melodie von ‘So ein Tag so wunderschön wie heute’ kombinieren, dann verspricht das etwas Neues, Freches und Provokantes.
Andererseits stellt sich die Frage, ob jeder Weg, der neu ist, schon allein deswegen ein guter Weg ist. Zumal in der sogenannten klassischen Musik. ‘Klassisch’ steht unter anderem für ‘altbewährt’, ‘ausgewogen’, ‘vollendet’ und ‘zeitlos’. Sicher ist das mit der Zeitlosigkeit so eine Sache, aber wenn frischer Wind in der klassischen Musik wehte, dann ging dieser schon immer von Menschen aus, die alle alten Fertigkeiten und Künste beherrschten und erweiterten, anstatt sie einfach über den Haufen zu werfen. Und das gilt insbesondere auch für die humoristischen Bewegungen. Jean Paul (1763-1825), der romantische Schriftsteller, der in seiner ‘Vorschule der Ästhetik’ eine Theorie des Humors entwarf und damit den Humor der Neuzeit prägte, trennt den ‘gemeinen Spaßmacher’ scharf vom Humoristen. Der Humorist greife ‘keine einzelne Narrheit heraus’. Sondern er ‘erniedrigt das Grosse’ um ihm das ‘erhöhte Kleine an die Seite zu setzen’. Ein solcher Humor stellt zwei Bedingungen: Erstens muss der humoristische Poet bzw. Interpret kein oberflächliches sondern im Gegenteil ein besonders tiefgehendes Verständnis der Materie besitzen. Zweitens muss dieses auch deutlich vermittelt werden, dass heißt der Leser bzw. Hörer muss ‘einige Liebe, wenigstens keinen Hass gegen das schreibende Ich mitbringen und dessen Scheinen nicht zum Sein machen’. Humor ist nur möglich, wenn der Humorist auch als ernster Künstler respektiert wird und ihm tiefere Einsichten zugetraut werden.
Ohne über eventuelle Konzert-Qualitäten der Pifferandi urteilen zu können - die Aufnahmen des Ensembles erfüllen keine der beiden Bedingungen. Zwar sind die Pifferari allesamt ausgebildete Musiker und auch der junge David Friederich spielt besonders am Xylophon technisch versiert, aber tiefgehende Offenbarungen bieten ihre Interpretationen nicht. Die Virtuosität der ‘fliegenden Wechsel’ zwischen den Instrumenten (übrigens nicht wie behauptet eine Erfindung der Pifferari) lässt sich auf einer CD-Aufnahme einfach nicht gut nachvollziehen und an instrumentaler Akrobatik hat man schon weit Packenderes gehört. Zudem ist die viel zu trocken abgemischte Aufnahme vor allem des Schlagzeuges störend. Dem geübten Klassik-Hörer entsteht nicht der Eindruck, den Pifferandi seien humoristische Einsichten zuzutrauen. Die graphische Gestaltung der CD tun ihr Übriges. Die Arrangements sind teilweise sogar sehr flach (besonders klischeehaft: der ‘Olé’-Ruf beim tangoesken Walzer) und erinnern stark an die zahlreichen geschmacklosen ‘Classic meets Pop’ Versuche mit denen Plattenfirmen gerne den edlen Ruf des Klassischen für den Pop-Markt verwenden.
Es soll hier nicht der Eindruck entstehen, das Volksmusik und populäre Verwendungen klassischer Melodien etwas schlechtes sein. Nur haben sie meist nichts mit Humor zu tun. Die Ankündigung ‘humoristischer Arrangements’ ist, so scheint mir, nur ein marketingtaugliches Image, das sich dem Hörer der Aufnahme nicht erschließt. Es wäre wohl treffender gewesen, die ‘leichte Muse’ auf der Rückseite der CD nicht in Anführungsstriche zu setzen. Und ein bisschen Witz steht ja der Unterhaltungsmusik nicht schlecht. Letztlich ist das Programm der ‘Pifferandi di Santo Spirito’ also gar nichts Neues, sondern nur eine Kombination von klassischer Musikausbildung und leichter Unterhaltungsmusik, wie es sie oft gibt. Diese ist aber weder frech, noch humoristisch. Dadurch, dass die Pifferandi sich anscheinend humoristisch verstehen werden sie für den Kuriositätensammler dann doch wieder auf satirisch unfreiwillige Weise komisch.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Mit einem Augenzwinkern: Humoristische Arrangements aus Klassik, Pop, Jazz und "Leichter Muse" |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: Spielzeit: Aufnahmejahr: |
Stieglitz 1 29.09.2004 57:00 2004 |
Medium:
EAN: BestellNr.: |
CD
4002716200046 PK 20004 |
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Beethoven, Ludwig van |
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"Im Jahre 2004, nach 7 Jahren endlich gibt es diese neue Pifferari-CD, bereits die fünfte, auf der insbesondere Drumset und Xylophon zur Geltung kommen. Die hier eingespielten Spezial-Arrangements von Matthias Friederich zeigen einmal mehr, dass es für die Pifferari keine starren Grenzen zwischen sogenannter U- und E-Musik gibt. Das Programm geht querbeet durch verschiedene Stilrichtungen bzw. Epochen, und was die historischen Instrumente betrifft, so sind diese in den Händen der Pifferari Lichtjahre entfernt von eingefleischtem Purismus. Das musikalische Kaleidoskop auf dieser CD spricht für sich: gleich das erste Stück ist eine Liebeserklärung an alle lateinamerikanischen Musikfreunde: alle Walzer werden Sambas! Bei der „Nabucco-Ouvertüre“ entpuppt sich das Gefangenenchor-Thema zu „So ein Tag, so wunderschön wie heute“ und später dann zur „Internationale“, um nur zwei Beispiele zu nennen. Das ohnehin schon reichhaltige Instrumentarium hat sich seit der letzten CD nochmals vergrößert: so gehören neben den Schlaginstrumenten auch Ukulele, Heckelphon (Bass-Oboe) und eine sogenannte „Zugvogelflöte“ („Eunuchenposaune“!) zum festen Bestand. In bezug auf die Anordnung der Stücke ist das Programm einer Schallplatte bzw. einem Live-Konzert nachempfunden. Es ist symmetrisch aufgebaut und besteht aus zwei Teilen, die jeweils mit einer Ouvertüre beginnen. Wenn Sie ihr Publikum erfrischen und musikalisch auf hohem Niveau erheitern möchten, so laden Sie doch die Pifferari zu sich ein! Dieses ungewöhnliche Kammerensemble hat sich dem Humor verschrieben und verbindet in seinen Programmen - ein Repertoire von Barock bis Blues mit - intelligenter, witziger Moderation, - einer rasanten bis zur Artistik reichenden Darstellung - und der originellsten Besetzung, die es je gab. Die Musiker gestalten jede Aufführung zu einem Feuerwerk der Originalität, und dies immer in regem Gespräch mit dem Publikum und auf höchstem künstlerischen Niveau. Das Ensemble arbeitet seit 1980 zusammen. Wo es seither erscheint, erntet es Beifallsstürme bei Publikum und Presse. "Musik soll Spaß machen", sagen die vier "Pfeifer von Heiliggeist", und beweisen mit ihren Konzerten, dass dies möglich ist. Als Pifferari haben die Oboisten Margaret Friederich und Matthias Friederich, zusammen mit KMD Peter Schumann einen völlig neuen Kammerkonzerttypus entwickelt. Durch ihr umfangreiches Repertoire, ihr außergewöhnliches Instrumentarium und durch die einmalige Art ihres Vortrags (heitere Musik mit witzigem Kommentar) weichen ihre Darbietungen von der üblichen Konzertpraxis ab. Immer wieder ist das Publikum fasziniert von der blitzschnellen Aufeinanderfolge verschiedener Instrumente während ein und desselben Stückes, dem sogenannten fliegenden Wechsel, durch den die Darbietung eine artistische Dimension erhält. Die Pifferari konzertierten bereits in vier Metropolen: Berlin, Paris, Washington und Tokio. Seit 2000 ist David Friederich (Schlagzeug) viertes Mitglied des Ensembles. " |
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Stieglitz Das Label wurde 1989 in Berlin gegründet.
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