
Vaughan Williams, Ralph - The Film Music
Für Kenner
Label/Verlag: Chandos
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Stets zu alt für den Kriegsdienst. Für Ralph Vaughan Williams ein Umstand der Unzufriedenheit. Schon 1914 wäre er mit 42 Jahren eigentlich schon jenseits der Einzugsgrenze gewesen, trat aber dennoch der Armee bei und diente als Sanitäter. Eine solche unmittelbar aktive Rolle konnte Vaughan Williams zu Beginn des zweiten Weltkriegs natürlich nicht mehr spielen. Seinen Unmut darüber äußerte er 1940 dem musikalischen Leiter der staatlichen Filmabteilungen Muir Mathieson. Der war gerade mit der Arbeit am Film ‚49th Parallel’ beschäftigt, dem einzigen größeren Spielfilmprojekt des Informationsministeriums, und bat den Komponisten, die Filmmusik für dieses Projekt zu schreiben. Als ‚Prelude to 49th Parallel’ ist die Titelmusik dieses Films im Konzertsaal, zumindest wieder einmal nur im angelsächsischen Raum, heimisch geworden. In der zweiten Folge mit Aufnahmen von Filmmusiken Ralph Vaughan Williams’ legt Rumon Gamba mit dem BBC Philharmonic nun eine 38-minütige Suite zum Film vor, zusammen mit weiteren Weltersteinspielungen.
Sechs Deutsche in Kanada
Was bleibt, ist die Musik von Ralph Vaughan Williams, dem sich hier die Gelegenheit bot, kräftig in der Zitaten-Kiste zu kramen. Das Auftauchen des deutschen U-Boots begleitet eine grotesk verzerrte Variante des Luther-Chorals ‚Ein feste Burg ist unser Gott’, der kanadische Trapper wird mit dem Liedlein ‚Alouette’ portraitiert und in der Siedlung der Hutter-Gemeinde erklingt eine Version des Weihnachtsliedes ‚Lasst uns das Kindlein wiegen. Das alles ist in bester Vaughan Williams-Manier in Partitur gebracht, ebenso wie die heute seltsam anmutenden Vorstellungen des Komponisten von Indianermusik. Die klingt so, als wäre Vaughan Williams bei einer seiner zahlreichen Volkslied-Sammel-Aktionen der Hausfrauenlaienspielgruppe Middle-Essex begegnet, die die Schlacht am Little Bighorn nachspielen. Bemerkenswerter ist vielmehr, dass Motive der Filmmusik zu ‚49th Parallel’ später Verwendung in den Konzertwerken des Komponisten fanden – ein Phänomen, das auch bei anderen Filmmusiken von Ralph Vaughan Williams zu beobachten ist und das teilweise sehr wesentlich die Gestaltung der sechsten und vor allem siebten Symphonie beeinflusst hat.
Stephen Hogger hat aus der Partitur eine 38-minütige Suite zusammengestellt. Wieder einmal bekommt der Hörer keine Kompletteinspielung einer Filmmusik von Vaughan Williams vorgelegt. Schon die Musik zum Film ‚Scott of the Antarctic’, die Rumon Gamba für die erste Folge der Filmmusikreihe des Komponisten einspielte, war lediglich eine Suite. In einem Nachwort im Booklet erläutert Hogger, dass die Zusammenstellung einer solchen Suite nur eine Kompromisslösung zwischen historischer Treue und der Ausgewogenheit einer Schallplattenaufnahme sein kann. Mit ‚49th Parallel’ ist ihm dies jedoch gut gelungen, ohne auf die Chronologie des Filmablaufs zu verzichten. Rumon Gamba nimmt sich der Musik einmal mehr kongenial an. Mit großer Detailtreue und versiertem Gespür für die Binnendramatik der Musik führt er das BBC Philharmonic durch die Partitur. Somit schürt er das Bewusstsein des Hörers für Vaughan Williams’ Ringen um die adäquate Umsetzung musikdramatischer Progression, die er nie auf der Opernbühne, dafür aber umso mehr in seinem symphonischen Werk – und dazu kann man getrost auch die Filmmusiken zählen – erreichte. Gleichwohl dürfte das präzise, glatt und poliert intonierende BBC Philharmonic durchaus mehr die Tiefe der musikalischen Substanz begreifen und umsetzen.
Nummernrevue
Trübe kleine Insel?
Comic-Heft
Die Klanqualität ist erneut sauber produziert, ein wenig zu hallend vielleicht und in der Wiedergabe wenig individuell bezüglich des Orchesterklangs. Mehr Transparenz tut Not.
Trotz aller Mängel: eine editorisch und historisch wichtige Veröffentlichung, wenn auch hauptsächlich für den Kenner.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Vaughan Williams, Ralph: The Film Music |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Chandos 1 13.09.2004 |
Medium:
EAN: |
CD
0095115124420 |
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Vaughan Williams, Ralph |
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Chandos Chandos Records was founded in 1979 by Brian Couzens and quickly established itself as one of the world's leading classical labels. Prior to forming the label, Brian Couzens, along with his son Ralph, worked for 8 years running a mobile recording unit recording for major labels (including RCA, Polydor, CFP, etc.) with many of the world's leading artists.
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