
Works for Oboe and Flute - Bellini - Molique - Moscheles - Rietz - Vivaldi
Besser spät als nie
Label/Verlag: Pentatone Classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Alte Quadrophonieaufnahme (1975) mit dem Oboisten Heinz Holliger neu herausgebracht - in 4.0-Qualität auf SACD. Passable, wenn auch nicht perfekte Übertragung.
In der Reihe ‚Remastered Quadro Recordings’ (kurz RQR) des Labels PentaTone erscheinen auf Super-Audio-CD zahlreiche Aufnahmen, die seinerzeit – im vorliegenden Fall Mitte der 1970er Jahre – in einem frühen Raumklangverfahren, der Quadrophonie, aufgenommen wurden. Das System war damals, wo es an geeigneten Abspielsystemen in der Bevölkerung mangelte, jedoch zum Scheitern verurteilt. Zum Glück wurden die alten Bänder verwahrt, so dass heute, wo mit Home-Cinema-Systemen und der hybriden SACD, die auch für den normalen Stereo-Hörer abspielbar ist, das nötige Instrumentarium endlich gegeben ist, den alten Aufnahmen eine zweite Chance gewährt werden kann. So wundert es dann auch nicht, dass man im Booklet mehr über die Aufnahmetechnik und die vorliegende Rekonstruktion erfährt als über Komponisten, Werke und Interpreten.
Oboenkonzerte
1975 hat der Ausnahme-Oboist Heinz Holliger verschiedene unbekannte Oboenkonzerte von Komponisten verschiedener Epochen eingespielt; begleitet wurde er im Falle zweier Vivaldi-Konzerte (op. 7 Nr. 1 RV 465 und 7 RV 464, beide in B-Dur) von I Musici, ansonsten vom Frankfurter Radio-Sinfonie-Orchester unter der Leitung von Eliahu Inbal. Die Konzerte sind im Einzelnen das kurze Concerto Es-Dur des italienischen Opernkomponisten Vincenzo Bellini, das hochvirtuose Concertino g-Moll von Bernard Molique sowie das Konzertstück f-Moll op. 33 von Julius Rietz. An zentraler Stelle steht jedoch die Concertante F-Dur für Flöte, Oboe und Orchester von Ignaz Moscheles, die einmal mehr beweist, dass dieser Komponist völlig zu Unrecht als oberflächlicher Tastenvirtuose abgestempelt wird. Das Stück, bei dem Holliger von Aurèle Nicolet unterstützt wird, lässt etwa das nachfolgende Konzertstück Rietz’ geradezu blass erscheinen. Faktisch handelt es sich übrigens um eine Oboenplatte – der Titel ‚Werke für Oboe und Flöte’ sowie die gleichrangige Nennung des Flötisten könnten den Käufer in die Irre führen.
Engagierte Interpretation
Die Interpretationen sind auch heute, nach etwas mehr als 30 Jahren, noch akzeptabel; insbesondere was die brillante Leistung der Solisten angeht, gibt es wirklich nichts zu mäkeln. Dass die Aufnahmen nicht mehr ganz taufrisch sind, hört man insbesondere am Orchesterklang, der zwar das große Engagement und die grenzenlose Spielfreude der Musiker nach wie vor transportiert, dabei aber eine gewisse Breite und Sättigung aufweist, die dem heutigen Schlankheitsideal zuwiderläuft. In technischer Sicht steht jedoch alles zum Besten, und der forsche Zugriff Inbals lässt so manches vergessen, so dass man sich nach wie vor problemlos in die Aufnahme einhören kann; die beschriebene Abweichung im Klangideal ist dann ja auch in erster Linie Geschmacksfrage und keineswegs sakrosankt. Der Eindruck der Breite wird dabei durch den Kirchenraum nicht unwesentlich verstärkt; das Klangbild ist zwar erstaunlich rein, dafür aber auch naturgemäß recht weiträumig und verhallt. Bei den ohnehin schlanker besetzten I Musici kommt das Problem, da hier nicht in einer Kirche musiziert wurde, nicht zum Tragen.
Technische Umsetzung
Die Umsetzung der Bänder in quadrophoner Technik scheint nicht unproblematisch zu sein. Man hat sich bei PentaTone dazu entschlossen, den im originalen Quadrophonie-Verfahren nicht berücksichtigten Center-Lautsprecher genauso wenig anzusteuern wie den Subwoofer – das Resultat ist demnach ein 4.0-Surround. So weit ist das absolut vernünftig. Bei den mit dem Frankfurter Radio-Orchester aufgenommenen Konzerten fällt aber auf, dass die hinteren Lautsprecher vergleichsweise viel abstrahlen – deutlich mehr etwa als bei handelsüblichen SACDs. Das führt dazu, dass ein plastischer Klangeindruck nur bei guter und sorgfältiger Positionierung von Lautsprechern und Hörer eintritt, ansonsten kann es leicht geschehen, dass man den Solisten von mehreren Seiten hört, was nicht im Sinne des Erfinders ist. Zudem fällt auf, dass die raumklangliche Position Holligers ab und an etwas schwankt, was einen kuriosen Effekt hat. Die Vivaldi-Aufnahmen scheinen in Balance und Umsetzung doch besser geraten zu sein. Hört man lediglich Stereo, fällt – auch wieder bei den Frankfurter Konzerten – die leichte Tendenz der Solisten auf, im Orchesterklang unterzugehen, wobei das nicht durchgehend zu beobachten ist und den Flötisten Aurèle Nicolet eher weniger betrifft. Allerdings wird man diese Platte wohl eher kaufen, wenn man sich für Quadrophonie und deren verspätete technische Umsetzung interessiert, wenngleich Werke wie Moscheles’ Concertante völlig unabhängig davon nach wie vor eine Entdeckung wert sind.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Works for Oboe and Flute: Bellini - Molique - Moscheles - Rietz - Vivaldi |
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Label: Anzahl Medien: |
Pentatone Classics 1 |
Medium:
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SACD
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Bellini, Vincenzo |
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