
Ye, Xiaogang - the last paradise - winter - pipa concerto - horizon symphony no. 2
Klingender west-östlicher Divan
Label/Verlag: WERGO
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Während China sich als künftige Wirtschaftsmacht allmählich zu positionieren beginnt, lässt sich das künstlerische Potential, welches das Land der Mitte in sich birgt, momentan höchstens erahnen. So haben es bisher nur einige wenige Komponisten zeitgenössischer chinesischer Musik geschafft, eine gewisse Aufmerksamkeit im internationalen Musik-Betrieb zu erregen. Der prominenteste unter ihnen ist zur Zeit sicherlich Tan Dun, dessen Werk von namhaften Künstlern wie dem Kronos Quartet oder Star-Cellist Yo-Yo Ma aufgeführt werden.
Ein weiterer wichtiger Wegbereiter und Förderer zeitgenössischer Musik aus China ist neben Tan Dun der Komponist Xiaogang Ye.
1955 in Peking geboren, hegt Xiaogang Ye bereits in jungen Jahren den Wunsch Pianist zu werden. Seine künstlerischen Ambitionen werden jedoch zunächst aufgrund der in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in China einsetzenden landesweiten Kulturrevolution ein jähes Ende bereitet. Er wird zum Arbeitsdienst abgestellt.
Erst Ende der 70er Jahre erhält er wieder Gelegenheit, sich intensiv dem Musik-Studium zu widmen. So studiert er von 1978 bis 1983 Komposition am Zentralen Konservatorium für Musik in Peking. Besonders die Russische Sinfonik, die klassisch-romantische Musik Europas aber auch die traditionelle Musik seines eigenen Landes stehen dabei im Mittelpunkt, was entscheidenden Einfluss auf das persönliche Werk haben wird. Ein Stipendium ermöglicht es ihm 1987 für einige Jahre in die USA zu gehen. Seitdem ist Xiaogang Ye zu einem ständigen Pendler zwischen Ost und West geworden.
Der Zustand des Pendelns zwischen den Kulturen veranschaulicht dabei zugleich die künstlerische Arbeitsweise des Komponisten.
‚The Last Paradise’ (Wergo) bietet eine reizvolle Einführung in das kompositorische Schaffen Xiaogang Yes, zumal alle hier vertretenen Kompositionen als
Ersteinspielungen vorliegen.
Ungemein elegant versteht es der Komponist, westliche und östliche Musiksprache zusammenzuführen. So vermag man bei den beiden Kompositionen ‚The Last Paradise’ (op.24, 1993) für Violine und Orchester und ‚Winter’(op.28, 1988) für Orchester überhaupt keine offensichtlichen Bezüge zur chinesischen Musik wahrzunehmen.
Vielmehr steht gerade das Violin-Konzert deutlich in der europäischen Kompositions-Tradition. Die programmatische Titulierung findet sich dabei ebenfalls im musikalischen Ausdruck wieder. Forsch-energisch macht sich hier die Violine des Solisten Wei Lu auf die musikalische Reise zum ‚Letzten Paradies’, wobei sich immer wieder ein mächtiger Orchester-Apparat in den Weg stellt. Auch im Orchesterstück ‚Winter’ wird das allmähliche Herannahen der vierten Jahreszeit musikalisch erfahrbar gemacht. Vage zitierte Musikstrukturen werden immer kompakter und beginnen den Raum auszufüllen.
Mit dem ‚Pipa Concerto’ (op.31, 2001), einer Auftragsarbeit für den Saarländischen Rundfunk, setzt der Komponist deutlichere ‚chinesische’ Akzente.
Dennoch hat er es in dem dreiteiligen Werk für die traditionelle chinesische Laute Pipa nicht darauf abgesehen, im Arrangement die verschiedenen Musik-Kulturen gegeneinander auszuspielen. Vielmehr kommt es zu einem aufmerksamen Zusammenspiel der Pipa-Virtuosin Man Wu und dem Orchester, wo der eine den musikalischen Impuls des anderen aufnimmt und mit den eigenen Möglichkeiten weiterträgt.
Die CD schließt mit Xiaogang Yes zweiten Sinfonie ‚Horizon’(op. 20, 1984/85), einem nur einen Satz umfassenden großangelegten apokalyptischen Abgesang fernöstlicher Vorstellung für Sopran, Bariton und Orchester.
Ein ‚antiphonaler Dialog zwischen Sopran und Bariton’, vorgetragen in chinesischer Sprache, dient den Solisten Yanyan Wang und Song-Hu Liu dabei als formale Grundlage. Zudem wird die inhaltlichen Dramatik des Textes durch die Erweiterung der üblichen sinfonischen Orchesterstärke um eine zusätzliche Hörner- als auch Perkussions-Sektion weiter verstärkt.
Sicherlich ist Xiaogang Yes Musik mit gewissen Zugangsbeschränkungen behaftet. Was dennoch einnimmt, ist neben den solistischen Leistungen die beeindruckende Arbeit des Rundfunk-Sinfonieorchesters Saarbrücken unter Leitung von Yi Zhang und Günther Herbig. Deutlich hörbar ist die Spielfreude und die Bereitschaft, sich mit den Kompositionen auseinander zusetzen, was auch beim Zuhörer ankommt. Abgerundet durch eine sehr gute Aufnahmequalität und ein informationsreiches Beiheft zum Werk des Komponisten ist diese CD als Einstieg in die zeitgenössische Musik Chinas zu empfehlen.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Ye, Xiaogang: the last paradise - winter - pipa concerto - horizon symphony no. 2 |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
WERGO 1 01.06.2004 |
Medium:
EAN: |
CD
4010228664621 |
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Ye, Xiaogang |
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