
Isaac, Heinrich - MISSA PASCHALIS
Lebendige Auferstehungsfeier
Label/Verlag: Christophorus
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Nicht nur Johannes Ockeghem hat eine in Töne gesetzte Würdigung seitens eines Schülers, in seinem Falle Josquin Desprez, erfahren, auch der große Heinrich Isaac wurde durch Zeilen seines Schülers Ludwig Senfl in dessen musikalischer Autobiographie ‚Lust hab ich ghabt zuer Musica’ unsterblich: ‚Wie er mit seinem Namen gnannt,/das tue ich nachher melden schon./Er ist in aller Welt bekannt./Lieblich an Kunst, fröhlich im Ton/sein Melodei/was gestellt gar frei./Dorab man sich verwundern tät./Es war guet Ding,/zue singen ring,/kunstlich darzue die Gnad’ es hätt. Isaac, das was der Name sein./Halt’ wohl, es wird’ vergessen nit, wie er sein Kompositz so fein/und klar hat gesetzt, darzue auch mit/Mensur geziert./Dardurch probiert,/noch heutigs Tags sein Lob und Kunst/verhanden ist./Herr Jesus Christ,/teil’ ihm dört mit göttlicher Gunst!’
Selten wohl gehen Wertschätzung und deren Begründung so einträchtig nebeneinander her, wie in diesem Lied. Und das nicht ohne Grund: Heinrich Isaac war in seiner Zeit eine vielseitige Musikerpersönlichkeit, weitgereist und in Florenz bei den Medici gleichermaßen tätig wie später als Hofkomponist Kaiser Maximilans I, aber auch gerngesehener Gast bei Kurfürst Friedrich dem Weisen, dem Landesherrn von Martin Luther. Das Repertoire der Hofkapelle des sächsischen Kurfürsten ist in den so genannten ‚Jenaer Chorbüchern’ zusammengetragen, die Kompositionen von Josquin Desprez, Pierre de la Rue und eben auch Heinrich Isaac enthalten, unter anderem, im Chorbuch 36, auch die sechsstimmige ‚Missa paschalis’. Diese Messe hat das in Tübingen beheimatete ‚Ensemble Officium’ unter der Leitung von Wilfried Rombach zusammen mit den die Ostermessfeier ergänzenden Propriumsteilen, die dem ‚Choralis Constantinus’ entnommen sind, eingesungen und damit eine Referenzaufnahme vorgelegt.
Vertraute Materie
Es ist dies nicht die einzige Aufnahme des ‚Ensemble Officium’ mit Musik vom Beginn bis zum Ende des 16. Jahrhunderts. Schon mit den Einspielungen von Chorwerken von Palestrina, Senfl und Passionsmusik von Bernard Ycart, Isaac und Desprez hat das Ensemble sich ein bestens vertrautes Repertoire erarbeitet. Bisheriger Höhepunkt ist nun diese Aufnahme mit Isaacs ‚Missa paschalis’ und den ergänzenden Propriumsteilen aus dem ‚Choralis Constantinus’. Dieses monumentale Werk, das das komplett vertonte Proprium, also sämtliche an alle Sonn- und Festtagen wechselnden Texte der Messe (im Gegensatz zu den festgelegten Messteilen des Ordinariums), beinhalten sollte, begann Isaac als Auftragskomposition während des Reichstags 1507/08 in Konstanz. Diese Lebensaufgabe konnte Isaac jedoch nicht mehr selbst vollenden und so war es an seinem Schüler Ludwig Senfl, das Riesenwerk abzuschließen. Im Druck erschien das Werk als ‚Choralis Constantinus’ erst 1550 und 1555 bei Hieronymus Formschneider in Nürnberg, Jahre nach dem Tod Isaacs und Senfls.
Das ‚Ensemble Officium’ ist kein Massenchor, sondern ein stimmlich hervorragend geschultes Kammerensemble in ausgezeichneter Homogenität und frappierend einheitlicher Vokalführung und Timbrierung. Die mit festlichem Gestus dargebotene Musik bleibt stets im Fluss, es gibt keine Spannungsabfälle, dies alles bei bestechend genauer Artikulation und Textverständlichkeit. Die flexible Tongebung und Tonentwicklung wird durch Wilfried Rombachs Dirigat, das die Entwicklung musikalisch schlüssiger Phrasen ebenso unterstützt wie die Disposition der Cantus firmus-tragenden Stimme, gefördert. Die saubere Intonation ist auch den Propriumsteilen zueigen. Organisch fügen sich die Propriumsteile in dieses von überragender Einheitlichkeit geprägte Gesamtkonzept ein.
Der Raumklang ist klar und transparent im Ton. Die Stimmen sind in ausgewogener Tiefenstaffelung aufgenommen und auch dynamisch bestens ausbalanciert.
Wilfried Rombachs Booklet-Text gibt einen sehr guten Einblick in die aufgenommenen Werke und wenn dann noch Mathias Grünewalds ‚Auferstehung’ vom Isenheimer Altar die Vorderseite des Booklets ziert, sind der österlichen Freude keinen Grenzen gesetzt.
Das ‚Ensemble Officium’ beweist hier einmal mehr, dass lebendig gestaltete Renaissancemusik auch in unserer Zeit noch erstaunlich stringente Aussagekraft besitzen kann.
Wahrhaft eine Referenzaufnahme.
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Isaac, Heinrich: MISSA PASCHALIS |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: Spielzeit: Aufnahmejahr: |
Christophorus 1 01.03.2004 71:06 2003 |
Medium:
EAN: BestellNr.: |
CD
4010072772671 CHR 77267 |
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Isaac, Heinrich |
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"Klangsinnliche Osterfeier Heinrich Isaacs prächtige sechsstimmige „Missa paschalis“ (Messe zur Osterzeit) steht im Zentrum der neuen CD des ensemble officium. Sie ist ein Paradestück vokaler Klangentfaltung und zeigt die hohe Kunst polyphoner Stimmverflechtung eines der bedeutendsten Tonsetzers der Renaissance. Kombiniert wird diese Messe mit dem Proprium (das sind die Gesänge für den speziellen Festtag) für den Ostersonntag. Auch diese Stücke stammen vom gleichen Komponisten, denn Isaac hat in einer riesigen Sammlung sämtliche Messgesänge zu allen Sonn- und Feiertagen im gesamten Kirchenjahr mehrstimmig vertont – ein Werk, das in Umfang und Bedeutung nur noch mit Bachs Kantatenwerk verglichen werden kann. Der Auftrag zu dieser gewaltigen Aufgabe stammte vom Konstanzer Domkapitel und danach ist sie auch benannt: „Choralis Constantinus“ Die Kompositionen aus dem Choralis Constantinus werden – wohl wegen ihrer großen Komplexität und Kunstfertigkeit – heute kaum noch aufgeführt, und es ist ein besonderes Verdienst des ensemble officium, mit dem Proprium zum Ostersonntag wieder Teile dieses Werkes als Ersteinspielung vorzulegen. Anspieltip: „Sanctus“, Track 9" |
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