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Dienstag, 5. Dezember 2023

Britten, Benjamin - Owen Wingrave

Flimmerkasten-Arie


Label/Verlag: Monarda Music
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Am Ende der wilden 60er - während der studentenbewegten Zeiten, die Europa veränderten, arbeitete Benjamin Britten an einer ungewöhnlichen Oper. ‘Owen Wingrave’ ein Stück, das auf eine gruselige Gespenstergeschichte des 19. Jahrhunderts zurückgreift, sollte als TV-Oper konzipiert im Fernsehen seine Uraufführung erleben. Zwar wurde Owen kurze Zeit später in einer Bühnenfassung aufgeführt und Britten betrachtete beide Versionen als absolut gleichwertig, Anlage und Wirkung des Stoffs sind jedoch hauptsächlich auf das Medium Fernsehen ausgerichtet. Nicht zuletzt deswegen war die Entscheidung der BBC nach über 30 Jahren eine Neufassung für das Fernsehen aufzunehmen, fast schon überfällig, wird diese Oper doch viel zu selten aufgeführt, was angesichts des derzeitigen Fernsehprogramms, nicht weiter wundert, für das Theater aber bedauerlich ist

Kriegsdienstverweigerer

Die Oper Owen Wingrave beleuchtet die existenzielle Krise eines jungen Pazifisten, der in Konflikt mit seiner traditionell dem Kriegshandwerk verpflichtete Familie gerät. Auch wenn seine Liebe zum Frieden viel mehr Einsatz und Mut fordert, als die kritiklose Teilnahme an endlosen Kriegen, versteht seine Familie Owen erst nach dessen tragischem Tod. Vor allem dem ausgesprochen gut disponierten Gerald Finley als Owen Wingrave ist es zu verdanken, dass die komplizierte Partitur Brittens, mit ihrer kammermusikalischen Anlage und den vielschichtigen Bezügen zu zeitgenössischer Musik und Zwölftontechnik tragen kann. Aber auch die anderen Sänger und Kent Naganos kühles und zurückhaltendes Dirigieren unterstützen vor allem die appellativ-inhaltliche Wirkung der Oper.

Brückenschlag zum Außenseiter

Die Regisseurin Margaret Williams ist ein wahrer Glücksgriff für das Projekt gewesen. Ihre kreative Umsetzung ist subtil, zurückhaltend und poetisch. Dabei bemüht sie sich um eine detaillierte Schilderung von Stimmungen und bedient sich diskreter Hinweise auf der einen, eindrücklicher Bilder auf der anderen Seite. Auch die Tatsache, dass sie die Handlung aus dem 19. Jahrhundert in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg verpflanzt hat, ist ein geschickter Zug, schlägt dies doch eine tragfähige Brücke zu den autobiographischen Aspekten, die Britten in dieser Oper verarbeitet hat. Als homosexueller Mann, aber auch in seiner entschiedenen Haltung als Pazifist, musste sich Britten bis ins hohe Alter hinein Repression und Ablehnung, über lange Zeiträume auch offenen Gefahren stellen. Brittens Leben selbst war dabei eher ein Zeichen der Versöhnung. Man denke nur daran, dass er sein War Requiem bewusst mit einer russischen Sopranistin, dem Briten Peter Pears und dem deutschen Bariton Dietrich Fischer-Dieskau uraufführen wollte. Das scheiterte keineswegs an den Bedenken der Briten, sondern am sowjetischen Kulturministerium.

Romanze

Umso erfreulicher, dass Arthaus für seine DVD-Fassung den exzellenten Dokumentarfilm ‘Benjamin Britten -The Hidden Heart’ an die Seite der Opernverfilmung gestellt hat. Was im Menü der DVD bescheiden als ‘Extra’ daherkommt, ist ein fast einstündiger, ausgesprochen sensibler Film über eine große Liebesgeschichte, die Beziehung zwischen Benjamin Britten und seinem langjährigen Lebensgefährten, dem Tenor Peter Pears. Die Dokumentation von Teresa Griffith steht Williams‘ Opernverfilmung bezüglich seiner Poesie und der künstlerischen Durchführung in nichts nach. Für ihr kollageartiges Tryptichon, das mit den Schwerpunkten ‘Peter Grimes’, ‘War Requiem’ und ‘Death in Venice’ einen fundierten Überblick über das Schaffen Brittens erarbeitet, hat Griffiths eine Vielzahl an Originalmaterial zusammengetragen, das vor allem Fans von Peter Pears in Entzücken versetzen wird. Aussagekräftige Neuaufnahmen und Interviews mit Weggefährten Brittens und Pears‘ ergänzen das Material hervorragend und stellen sinnvolle Beziehungen zwischen der Figur Owen Wingraves und Britten her.

Einer der zentralen Sätze in der Dokumentation von Teresa Griffiths stammt aus der Feder Pears, in dem er sich als das Instrument der Musik seines Lebensgefährten bezeichnet und ihm für seine Liebe dankt. Die Beziehung der beiden hat bis zum Tod Brittens über 30 Jahre allen Schwierigkeiten standgehalten. Zusammen mit dem Friedensaufruf in Owen Wingrave und War Requiem, der Reflektion des Außenseitertums im Werk Brittens und der Musik, enthält diese DVD so etwas wie ein Vermächtnis. Die Fülle an Botschaften, die der scheue Komponisten für unsere Zeit bereithält, und heute offenbar mehr denn je gebraucht werden, lässt sich auf wenige Schlagworte zusammenfassen: Liebe, Frieden, Toleranz und die Kunst als Weg, diese wahr werden zu lassen.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:
Features:







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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Britten, Benjamin: Owen Wingrave

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
Spielzeit:
Monarda Music
1
24.11.2003
150:00
Medium:
EAN:
BestellNr.:

DVD
4006680103723
100 372


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Britten, Benjamin


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Dirigent(en):Nagano, Kent
Orchester/Ensemble:Deutsches Symphonie-Orchester Berlin


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Monarda Music

Arthaus Musik wurde im März 2000 in München gegründet und hat seit 2007 seinen Firmensitz in Halle (Saale), der Geburtsstadt Georg Friedrich Händels.

Das Pionierlabel für Klassik auf DVD veröffentlicht nunmehr seit 13 Jahren hochkarätige Aufzeichnungen von Opern, Balletten, klassischen Konzerten, Jazz, Theaterinszenierungen sowie ausgesuchte Dokumentationen über Musik und Kunst. Mit bis zu 150 Veröffentlichungen pro Jahr sind bisher über 1000 Titel auf DVD und Blu-ray erschienen. Damit bietet Arthaus Musik den weltweit umfangreichsten Katalog von audiovisuellen Musik- und Kunstproduktionen und ist seit Gründung des Labels international führender Anbieter in diesem Segment des Home Entertainment Marktes.

In vielen referenzgültigen Aufzeichnungen sind die größten Künstler unserer Zeit wie auch aus vergangenen Tagen zu hören und zu sehen. Unter den Veröffentlichungen finden sich Aufnahmen mit Plácido Domingo, Cecilia Bartoli, Luciano Pavarotti, Maria Callas, Jonas Kaufmann, Elīna Garanča; mit Dirigenten wie Carlos Kleiber, Claudio Abbado, Nikolaus Harnoncourt, Lorin Maazel, Pierre Boulez, Zubin Mehta; aus Opernhäusern wie der Mailänder Scala, der Wiener Staatsoper, dem Royal Opera House Covent Garden, der Opéra National de Paris , der Staatsoper Unter den Linden, der Deutschen Oper Berlin und dem Opernhaus Zürich.

Zahlreiche Veröffentlichungen des Labels wurden mit internationalen Preisen ausgezeichnet, darunter der Oscar-prämierte Animationsfilm ?Peter & der Wolf? von Suzie Templeton, die aufwändig produzierte ?Walter-Felsenstein-Edition? und die von Sasha Waltz choreographierte Oper ?Dido und Aeneas?, die beide den Preis der deutschen Schallplattenkritik erhielten. Mit dem Midem Classical Award wurden u. a. die Dokumentationen ?Herbert von Karajan ? Maestro for the Screen? von Georg Wübbolt und ?Celibidache ? You don?t do anything, you let it evolve? von Jan Schmidt-Garre ausgezeichnet. Die Dokumentation ?Carlos Kleiber ? Traces to nowhere? von Eric Schulz erhielt den ECHO Klassik 2011.

Mit der Tochterfirma Monarda Arts besitzt Arthaus Musik eine ca. 900 Produktionen umfassende Rechtebibliothek zur DVD-, TV- und Onlineauswertung. Seit 2007 entwickelt das Unternehmen kontinuierlich die Sparte Eigenproduktion mit der Aufzeichnung von Opern, Konzerten, Balletten und der Produktion von Kunst- und Musikdokumentationen weiter.

Arthaus Musik DVDs und Blu-ray Discs werden über ein leistungsfähiges Vertriebsnetz, u.a. in Kooperation mit Naxos Global Distribution in ca. 70 Ländern der Welt aktiv vertrieben. Darüber hinaus veröffentlicht und vertreibt Arthaus Musik die 3sat-DVD-Edition und betreut für den Buchhandel u.a. die Buch- und DVD-Edition über Pina Bausch von L’Arche Editeur, Preisträger des Prix de l’Académie de Berlin 2010.


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