
Van der Pals: Streichquartette Vol. 1 - Van der Pals Quartet
Familienbande
Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Leopold van der Pals' Musik ist allemal eine Auseinandersetzung wert.
Ab dem ersten Takt ist man gebannt von der Musik. Ein Streichquartett, das mit einem lang gehaltenen Solotriller eröffnet – das hört man selten, und die Musik entwickelt sich nicht minder vielversprechend. Leopold van der Pals wurde 1884 in Sankt Petersburg geboren, absolvierte sein erstes Musikstudium bei seinem Großvater am dortigen Konservatorium, wechselte dann nach kurzem Aufenthalt in Lausanne nach Berlin, wo er sein Studium bei Reinhold Glière abschloss. 1915 kehrte er in die Schweiz zurück, wo 1916-17 sein erstes Streichquartett op. 33 entstand. Schon in diesem Werk zeigt er sich dem spätromantischen Stil mancher Zeitgenossen entwachsen, nähert sich dem Expressionismus, ohne die Tonalität über Bord zu werfen.
Auch von der Formgestaltung brechen die hier vorgestellten Streichquartette Nr. 1, 2 op. 66 (1925) und 79 „Metamorphosen“ (1929, binnen vier Tagen komponiert, ohne störende Satzbinnenschlüsse quasi durchkomponiert und in seiner Konzentration und musikalischen Verdichtung unprätentiös und beeindruckend zugleich) nicht mit der Tradition, sondern führen diese fort. Diese Art zu komponieren können wir bei nicht-atonalen Komponisten bis mindestens in die 1960er-Jahre, gelegentlich bis heute hören. Bei van der Pals bleibt die musikalische Erfindungskraft ungebrochen, die Freude an Dissonanzen und ihrer Auflösung, an weiten Bögen und der Arbeit mit thematischem und motivischem Material jederzeit ungebrochen. Bedenkt man, dass diese Werke entstanden, während er stetig seine schwer kranke Frau Marussja unterstützen musste und mit ihr von Sanatorium zu Sanatorium reiste und bis zu Marussjas Tod 1934 an 80 verschiedenen Orten lebte, ist van der Pals‘ konzentrierte Arbeit vielleicht umso verständlicher. Auch wenn er in Kontakt zu vielen auch heute noch bekannten Musikern seiner Zeit stand, seinen eigenen Ton, teilweise hörbar bedingt durch seine russische Herkunft, teilweise bedingt durch seine kosmopolitische Lebensweise, teilweise durch seine vielen Aufenthalte in der Schweiz, hören wir durchgehend durch, selbst wenn er im dritten Quartett unterschiedliche Aspekte zu Worte kommen lässt.
Ergänzt werden die drei substanziellen Werke durch ein kurzes 1948 entstandenes In Memoriam‘ op. 176, das anlässlich des Todes der engen Freundin Marie Steiner-von Sievers (der Witwe Rudolf Steiners) entstand. Für van der Pals war 1948 „eins der chaotischsten Jahre der Weltgeschichte“, und so findet sich in dieser Miniatur weit mehr als die Trauer um einen nahestehenden Menschen, sondern auch der resignierte Rückblick auf ein anstrengendes Jahr. Van der Pals starb erst 1966 und war bis zum Ende als Komponist aktiv, auch wenn er die avantgardistischen Trends nicht aufgriff.
Das Van der Pals Quartett gründete sich in Schweden (der Cellist ist Tobias van der Pals, ein Großneffe Leopold van der Pals‘), und die enge auch emotionale Verbundenheit zur Musik ist jederzeit zu spüren. Wir haben hier die glückliche Verbindung von musikalischer Professionalität und persönlichem Engagement, die zu empathischen, musikalisch dichten Ergebnissen führt. Vielleicht hätte noch mehr Emotionalität der Musik gut getan, aber auch durch das Understatement im Großen überzeugt die Darbietung voll und ganz.
Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!
Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel
Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.
Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
![]() Cover vergrößern |
Van der Pals: Streichquartette Vol. 1: Van der Pals Quartet |
|||
Label: Anzahl Medien: |
cpo 1 |
Medium:
EAN: |
CD
761203528226 |
![]() Cover vergössern |
Pals, van der, Leopold |
![]() Cover vergössern |
cpo Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
Mehr Info... |
![]() Cover vergössern |
Jetzt kaufen bei... |
Weitere Besprechungen zum Label/Verlag cpo:
-
Inspirierender Choral: Ein programmatisch interessanter, dazu interpretatorisch rundum gelungener Blick auf eine Spezialität geistlichen Repertoires um 1700. Christoph Hesse und L’arpa festante agieren erfrischend, qualitätvoll und kurzweilig. Weiter...
(Dr. Matthias Lange, )
-
Blutarm: Ein großes Bühnenwerk Carl Heinrich Grauns leider nur in 'musikalischer Gesamteinspielung'. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Schwedische Wunderlampe: Kurt Atterbergs Oper 'Aladin' verzaubert im spätromantischen Stil. Weiter...
(Karin Coper, )
Weitere CD-Besprechungen von Dr. Jürgen Schaarwächter:
-
Mit unterschiedlichem Anspruch: Es gibt immer noch britische Klavierkonzerte zu entdecken. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Wenig wirklich Neues: Spannende Begegnung mit Anton Weberns Schubert-Lied-Instrumentationen. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Trocken: Von einer Neueinspielung der Klaviermusik Edward MacDowells hätte man sich mehr erhofft. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
Weitere Kritiken interessanter Labels:
-
Auf der Suche: Auch wenn seinem Liedgesang noch ein paar Schliffe gut anstünden, so ist dieser 'Schwanengesang' doch ein wohltuend schnörkelloses und ehrliches Album eines Künstlers, der mit Neugier und Mut auf der Suche ist. Weiter...
(Benjamin Künzel, )
-
Inspirierender Choral: Ein programmatisch interessanter, dazu interpretatorisch rundum gelungener Blick auf eine Spezialität geistlichen Repertoires um 1700. Christoph Hesse und L’arpa festante agieren erfrischend, qualitätvoll und kurzweilig. Weiter...
(Dr. Matthias Lange, )
-
Wenig wirklich Neues: Spannende Begegnung mit Anton Weberns Schubert-Lied-Instrumentationen. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
Portrait

"Auf der Klarinette den Sänger spielen, das ist einfach cool!"
Der Klarinettist Nicolai Pfeffer im Gespräch mit klassik.com.
Sponsored Links
- Opernreisen und Musikreisen bei klassikreisen.de
- Konzertpublikum
- Musikunterricht
- klassik.com Radio
- Urlaub im Schwarzwald
- Neue Musikzeitung
- StageKit - Websites für Musiker, Veranstalter und Konzertagenturen
Hinweis:
Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers,
nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Die Bewertung der klassik.com-Autoren:
Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich