
Sperger: Streichquartette op. 1 - Kammerakademie Potsdam
Große (unbekannte) Streichquartette
Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Mitglieder der Kammerakademie Potsdam entdecken grandiose Kammermusik von Johannes Matthias Sperger.
Eine wunderbare Kooperation entsteht, wenn sich Musikwissenschaftler und Musiker zusammentun und mit Herzblut an der Vermittlung bisher unbekannter, aber qualitativ wertvoller Werke arbeiten. Entsprechend verhält es sich mit der vorliegenden Aufnahme der ersten drei Streichquartette op. 1 des zwar bedeutenden Kontrabassisten, aber leider weniger prominenten niederösterreichischen Komponisten Johannes Matthias Sperger (1750–1812). Spergers Nachlass liegt glücklicherweise nahezu vollständig in der Landesbibliothek Mecklenburg-Vorpommern vor. Von diesem Nachlass sowie dem Sperger-Biographen Klaus Trumpf ging letztlich die Initiative aus, die Streichquartette an Mitglieder der Kammerakademie Potsdam heranzutragen, die sich glücklicherweise darauf eingelassen haben, Spergers Opus 1 einzuspielen. Herausgekommen ist dabei ein großer Wurf!
Was zeichnet Spergers Quartettstil aus? Es scheint einige Besonderheiten zu geben, die die Werke satztechnisch miteinander verbinden: Zum einen fällt auf, dass Sperger alle vier Instrumente wirklich gleichberechtigt behandelt, indem er etwa die Viola und das Cello mit überaus virtuosen Partien betraut und damit höchst originell individualisiert. In diesem Punkt besteht beispielsweise ein Unterschied zu Haydn, der die 1. Violine bisweilen dominant als führendes Instrument herausstellt. Die Aufwertung respektive Gleichberechtigung der vier Instrumente mag ihren Grund in Spergers Kompetenzen haben, konzertante Werke auch für Werke wie die Viola oder – wofür er besonders bekannt war – für den Kontrabass zu schreiben. Nicht zuletzt die dreimalige Wiederholung einzelner Passagen, die interpretatorisch nicht Gefahr laufen dürfen, langweilig zu klingen und daher eine Herausforderung an die Musiker stellen, bildet eine Eigenart Spergers.
Grandiose Qualität
Für die beteiligten Musiker der Kammerakademie Potsdam, für die das CD-Projekt offenbar eine Herzensangelegenheit war, bilden eigentlich kein festes Quartett, sondern eher eine Art Festivalensemble, weshalb die grandiose Qualität ihrer Darbietungen keine Selbstverständlichkeit ist. Es tut Spergers Kammermusik ungemein gut, dass das Quartett auf historischen Instrumenten spielt, entsteht durch die leichteren Bögen doch eine viel genauere bzw. filigranere Zeichnung der Stimmverläufe. Die Interpretationen sind (wie angedeutet) außerordentlich gelungen. Sie halten für den Hörer u. a. wundervolle Individualisierungen etwa in Form frei erfundener Kadenzen bereit – interpretatorische Freiräume, die von den Musikern grandios, weil stilistisch sicher, ausgelotet werden. Auch die gelegentlichen Bezüge Spergers zur türkischen Janitscharen-Musik, verleihen den Stücken großartige Kolorite und bereichern das an sich schon weite Portfolio an abgerufenen Stimmungen und Stilen. Wie überzeugend das Potsdamer Quartett die bisweilen überaus ambitionierten Formverläufe Spergers zu gestalten versteht, veranschaulicht beispielhaft der suchende Beginn im Kopfsatz des dritten Quartetts. Hier spielt Sperger mit den Erwartungen des Hörers, wann und unter welchen Umständen ein Thema bzw. Satz überhaupt beginnen kann.
Was bisweilen etwas übertrieben anmutet (z. B. im Booklet und in Interviews), ist der Versuch der Musiker, die Quartette Sperger im differenziellen Vergleich mit den Gattungsbeiträgen Mozarts und Haydns aufzuwerten. Das muss gar nicht sein, denn Spergers kompositorische Qualitäten sprechen wahrlich für sich. Hiervon kann sich der Hörer mittels einer in jeder Hinsicht geglückten Einspielung nun selbst ein Bild machen.
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Sperger: Streichquartette op. 1: Kammerakademie Potsdam |
|||
Label: Anzahl Medien: |
cpo 1 |
Medium:
EAN: |
CD
761203547029 |
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Sperger, Johann Matthias |
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cpo Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
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