
Werke von Dutilleux und Dusapin - Vicor Julien-Laferriere, Orchestre Nationale de France, David Robertson
Zwischen Autonomie und Programmatik
Label/Verlag: Alpha Classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Vicor Julien-Laferrière und das Orchestre Nationale de France unter David Robertson beglücken mit Cellokonzerten von Henri Dutilleux und Pascal Dusapin.
2022 erschien die vorliegende Aufnahme beim Label Alpha mit Cellokonzerten von Henri Dutilleux und seinem Landsmann Pascal Dusapin. Vorweg sei gesagt, dass der junge Cellist Vicor Julien-Laferrière im Verbund mit dem Orchestre Nationale de France unter David Robertson eine großartige Leistung präsentiert, die in jeder Hinsicht zu empfehlen ist.
Die Auswahl der Konzerte ist überaus gelungen, denn die Komponisten Dutilleux und Dusapin weisen doch einige stilistische Schnittmengen auf, deren Vergleich durchaus lohnt. Beide stehen bei allem Avantgardismus fest in der französischen Musiktradition und haben vornehmlich Debussy zum Vorbild. Dies dokumentiert sich nicht nur in der klangfarblichen Virtuosität, mit der Dutilleux und Dusapin das Orchester zu behandeln wissen, sondern auch in der engen Orientierung ihrer Werke an programmatischen Gehalten.
Das inzwischen selbst zu einem modernen Klassiker zählende Cellokonzert „Tout un monde lointain“ Dutilleux’ wurde von Baudelaires „Blumen des Bösen“ inspiriert. Die musikalische Umsetzung entrückt den Hörer in faszinierende Klangwelten, die hinsichtlich ihrer kompositionstechnischen Umsetzung hochkomplex sind.
Zum Inhalt des Konzerts „Outscape“ von Dusapin bemerkt sein Interpret Julien-Laferrière, es sei der Versuch einer musikalischen Selbstfindung, die das Cello in immer wieder neuen Annäherungen und Emanzipationen vom Orchester unternimmt – also eine Art konzertante Identitätsfindung. Und so nimmt es kaum Wunder, dass Julien-Laferrière, der sich laut eigener Aussage sehr mit der Programmatik von „Outscape“ in Bezug auf seine eigene künstlerische Arbeit identifiziert, auf den Aufnahmen durchweg überzeugt und sich als kongenialer Interpret beweist. Spieltechnische Grenzen kennt der Cellist offenbar keine, und auch sein inhaltlich-emotionales Einfühlungsvermögen fasziniert nicht nur bei Dusapin, sondern auch bei dem nicht weniger herausfordernden Cellokonzert von Dutilleux.
Viel Erfahrung
Das Orchestre Nationale de France und der Dirigent David Robertsons begleiten dabei nicht bloß, sondern weisen sich als überaus kompetente Dialogpartner aus. Man merkt nach nur wenigen Takten, dass Robertson viel Erfahrung im Umgang mit modernem bis zeitgenössischem Repertoire aufweist, was sich auch in der imposanten Liste an Werken dokumentiert, die der Dirigent bisher zur Uraufführung gebracht hat.
Ohne an dieser Stelle einen falschen Wertungsvergleich abgeben zu wollen, doch scheint das Konzert von Dutilleux insgesamt inhalts- und facettenreicher zu sein, was man auch aus der Einspielung heraushört – ohne dabei, wie gesagt, das Werk Dusapins in irgendeiner Weise qualitativ schmälern zu wollen. Es ist bekannt – und der direkte Vergleich der beiden Oeuvres veranschaulicht dies –, dass sich Dutilleux mit dem Komponieren neuer Werke viel Zeit gelassen hat. Entsprechend quantitativ überschaubar war Dutilleux’ Output, da sein persönlicher Anspruch an die konzeptionelle wie gehaltliche Qualität überaus hoch war. Dieser ästhetische wie handwerkliche Selbstanspruch wird fraglos auch auf Dusapin zutreffen, doch ist sein Schaffen ungleich größer (annähernd 10 Opern, 5 Streichquartette, mehrere Klavierwerke etc.). Man glaubt, den besonders intensiven Interpretationseinsatz von Julien-Laferrière gerade im Cellokonzert Dutilleux’ wahrzunehmen.
Am Ende bleibt der Gesamteindruck einer rundum geglückten Aufnahme, die einmal mehr beweist, dass es nur zu empfehlen ist, wenn sich ausgewiesene Experten moderner Musik zusammentun, um besondere Ergebnisse wie diese zu kreieren. Die CD sei angesichts solcher Qualitäten unbedingt anempfohlen. Die Aufnahme weckt weiterführendes Interesse für die beiden Komponisten speziell und das Komponieren französischer Zeitgenossen allgemein – was will man mehr?!
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Werke von Dutilleux und Dusapin: Vicor Julien-Laferriere, Orchestre Nationale de France, David Robertson |
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Label: Anzahl Medien: |
Alpha Classics 1 |
Medium:
EAN: |
CD
3760014198861 |
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Dusapin, Pascal |
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Alpha Classics "Haute-Couture-Label", "Orchidee im Brachland der Klassikbranche" oder schlicht "Wunder", das sind die Titel mit denen das französische Label ALPHA von der Fachpresse hierzulande bedacht wird. In der Tat ist die Erfolgsgeschichte des Labels ein kleines Wunder. Honoriert wurde hiermit die Pionierlust und Entdeckerfreude des Gründers Jean-Paul Combet und die außerordentliche Qualität seiner Künstler und Ensembles (z.B. Vincent Dumestre, Marco Beasley, Christina Pluhar u.v.a.), aber auch die auffallend schöne, geschmackvolle Präsentation der Serie "ut pictura musica" mit ihren inzwischen mehr als 200 Titeln. Das schwarze Front-Layout und die Grundierung mit venezianischem Papier im Innern sind mittlerweile genauso zum Markenzeichen geworden wie die ausgesprochen stimmungsvollen Fotografien der Aufnahmesitzungen durch den Fotografen Robin Davies. Das Programm umfasst die Zeitspanne von der mittelalterlichen Notre Dame-Schule bis hin zur klassischen Moderne, doch ist nach wie vor ein deutlicher Schwerpunkt auf Alte Musik zu erkennen. Innerhalb des Labels möchte die zweite, auch "Weiße Reihe" genannte, Serie "Les Chants de la terre" die ältesten Quellen musikalischen Ausdrucks erkunden. Mit Virtuosität und Spielfreude widmet man sich hier dem Beziehungsfeld von schriftlich überlieferten und mündlich weitergegebenen Musiktraditionen, um alte Melodien zu neuem Leben zu erwecken. Trotz akribischer musikwissenschaftlicher Recherche geht es hier nicht um eindimensionale, akademisch trockene Werktreue, sondern um lebendigen Umgang mit altem Material. Mehr Info... |
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"Man muss das Ziel kennen, bevor man zur ersten Probe erscheint."
Der Pianist und Organist Aurel Davidiuk im Gespräch mit klassik.com.
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