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Dienstag, 5. Dezember 2023

Weinberg: String Quartets 4 & 16 - Arcadia Quartet

Grandiose Fortführung


Label/Verlag: Chandos
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Das Arcadia Quartett begeistert mit einer neuen Aufnahme von Streichquartetten Mieczysław Weinbergs.

Der ungemein produktive polnische Komponist Mieczysław Weinberg (1919–1996) hat neben zahlreichen Bühnenwerken, Filmmusiken, Konzerten, Liedern und Klavierstücken nicht weniger als 22 Symphonien und 17 Streichquartette vorgelegt. In diesen Gattungsbereichen war Weinberg somit quantitativ schöpferischer als sein prominenterer Kollege Schostakowitsch, mit dem ihn zeitlebens eine enge künstlerische Freundschaft verband. 2023 hat das Label Chandos das dritte Volume einer Gesamtaufnahme der Streichquartette mit dem rumänischen Arcadia Quartett vorgelegt. Auf der CD sind die Quartette Nr. 4 (1945) und 16 (1981) enthalten.

Die Werkauswahl zeugt – wie schon in den vorherigen Volumes – von einer durchdachten Zusammenstellung, werden damit doch zwei unterschiedliche Schaffensphasen des Komponisten miteinander kontrastiert und zugleich in Beziehung zueinander gesetzt. Das Label und Quartett haben gut daran getan, keine chronologische Einspielung der Quartette vorzulegen, was im Kontext einer Gesamtherausgabe ja noch erfolgen kann. Denn die große Vielfältigkeit und Wandelbarkeit der kompositorischen Stilistik Weinbergs kommt durch die Gegenüberstellung von Werken aus verschiedenen Kompositionsphasen wesentlich besser heraus – so auch in der vorliegenden Einspielung. Weinbergs kompositorischer Stil zeichnet sich insgesamt durch eine ungeheure Mannigfaltigkeit aus, die im Vergleich etwa zu den Instrumentalwerken Schostakowitschs, mit dem er häufig verglichen wird, weniger Gewicht auf motorische Elemente legen, dafür aber mehr melodische Couleur widerspiegeln. Sind die frühen Streichquartette klangsprachlich noch recht modern angelegt, so tendieren die Werke nach 1950 deutlich zur tonalen Orientierung und formalen Gattungstradition. Die späten Quartette enthalten häufig bekenntnishaft-introvertierte Qualitäten, die auch programmatische Inhalte aufweisen können. Freilich ist das alles recht grob gezeichnet und wird der Wirklichkeit des Quartettreichtums von Weinberg kaum gerecht, doch spiegeln diese Tendenzen gewisse Linien der Entwicklung wider, auf deren Herausstellung es dem Arcadia Quartett offenbar ankam.

Reifephase

Das 4. Quartett von 1945 entstand unmittelbar nach Weinbergs Übersiedlung nach Russland, die aufgrund der Kriegswirrnisse notwendig wurde. Vermutlich wusste der Komponist zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass seine Mutter und Schwester von den Nazis umgebracht worden waren. Das Werk zeugt von einer ersten umfänglicheren Reifephase Weinbergs, die u. a. an einer insgesamt einheitlicheren Vermittlung von disparaten Motiv- und Themensubstanzen zu erkennen ist. Die zyklische Dramaturgie der Sätze, die der viersätzigen Tradition verpflichtet ist, trägt diskursive Züge, die durchaus biographische Rückschlüsse auf ein dahinterliegendes Programm anlässlich des Kriegsendes erlaubt (vgl. „Largo marciale“, 3. Satz).

Mag dies letztlich Spekulation sein, weist das etwa 35 Jahre später vollendete Quartett Nr. 16 eindeutig biographische Bezüge auf, da das Werk der verstorbenen Schwester gewidmet ist. Dadurch entsteht ein indirekter Zusammenhang mit dem 4. Quartett, der noch dadurch verstärkt wird, als das Werk eine Vielzahl von Rückgriffen auf jüdisch geprägte Volksmusik aufzuweisen scheint. Dadurch wird die fremdreflexive Dimension des Quartetts deutlich größer, was sich stilistisch in einer harmonisch wie rhythmisch zunehmend komplexeren Faktur niederschlägt.

Auf die großen Qualitäten des Arcadia Quartetts wurde bereits hingewiesen, deren interpretatorische Universalität eine kongeniale Vermittlung jener kompositorischen Vielfalt Weinbergs bietet. So entsteht eine wunderbare synergetische Beziehung zwischen dem Komponisten und den Interpreten, deren Erfahrung jedem Quartettliebhaber wärmstens empfohlen sei.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Weinberg: String Quartets 4 & 16: Arcadia Quartet

Label:
Anzahl Medien:
Chandos
1
Medium:
EAN:

CD
095115218020


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Weinberg, Mieczyslaw


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Chandos

Chandos Records was founded in 1979 by Brian Couzens and quickly established itself as one of the world's leading classical labels. Prior to forming the label, Brian Couzens, along with his son Ralph, worked for 8 years running a mobile recording unit recording for major labels (including RCA, Polydor, CFP, etc.) with many of the world's leading artists.
The company has championed rare and neglected repertoire, filling in many gaps in the record catalogues. Initially focussing on British composers (Alwyn, Bax, Bliss, Dyso, Moeran, Rubbra, Walton etc), it subsequently embraced a much wider field. Chandos' diverse catalogue contains over 2000 titles, from early music to contemporary, with composers from around the world. The company's aim is to present an exciting and varied selection of superbly recorded music to as many people as possible.
The following artists are strongly associated with, or exclusive to, the label: Richard Hickox, Matthias Bamert, I Fagiolini, Neeme Järvi, Louis Lortie, Jean-Efflam Bavouzet, Rumon Gamba, James Ehnes, Sir Charles Mackerras, David Parry, Valeri Polyansky, The Purcell Quartet, Gennady Rozhdestvensky, Howard Shelley, Simon Standage, Yan Pascal Tortelier, Vernon Handley, the BBC Philharmonic, BBC National Orchestra of Wales, the City of London Sinfonia and Collegium Muscium 90.
Chandos is universally acclaimed for the excellence of its sound quality and has always been at the forefront of technical innovation. In 1978, Chandos was one of the first to record in 16bit/44.1kHz PCM digital, as well as being one of the first to edit a digital recording completely in the digital domain (Holst: the Planet ? SNO/Gibson). In 1983, Chandos was one of the first to produce and release Compact Discs into the marketplace ? a revolution in the recorded music industry.
Today, Chandos has kept up with technology by recording mostly in 24bit/96kHz PCM but now also in DSD for producing ?surround sound? SACDs. Chandos releases at least five new recordings a month, together with imaginative re-issues of back-catlogue material.
The company has received countless awards, including several Gramophone Awards, notably the 2001 ?Record of the Year? for Richard Hickox?s recording of the original version of Vaughan Williams? A London Symphony; ?Best Choral Recording of 2003? for its recording of an undiscovered mass by Hummel and the ?Best Orchestral Recording? of 2004 for its set of Bax Symphonies. Other highlights include the American Grammy for Britten?s opera Peter Grimes, and most recently (2008), two further Grammy Awards, one for Hansel and Gretel and the other for Grechaninov?s Passion Week. Jean-Efflam Bavouzet?s debut on Chandos was also awarded Record of the Year by Monde de la Musique this year.
Chandos remains an independent, family run company which produces and markets its recordings from its office in Colchester, England, and is distributed worldwide.


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