
More Bach: Symphonies & Brandenburg Concertos - Elbipolis Barockorchester Hamburg, Jürgen Groß
Familienbild
Label/Verlag: Challenge Classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Die Platte des Elbipolis Barockorchesters Hamburg bringt zeitlich und ästhetisch verschiedene Teile der Bach-Familie im 18. Jahrhundert in Austausch - weniger systematisch, eher in Gestalt eines Schlaglichts.
Aus dem reichen Fundus der über Generationen und Zweige reich diversifizierten Komponistenfamilie Bach ein gehaltvolles Programm zu destillieren ist reizvoll und nie mit der Herausforderung verbunden, nur ja genug relevantes Material finden zu können. Eher sind Auswahlentscheidungen schwierig, was womit in klingende Korrespondenz zu setzen ist. Johann Sebastian Bach mindestens in seinen instrumentalen Werkern mit vergleichbaren Arbeiten seiner Söhne in Beziehung treten zu lassen ist dabei eine eher naheliegende Idee.
Jürgen Groß und das Elbipolis Barockorchester Hamburg haben sich jetzt auf ihrer bei Challenge Classics erschienenen neuen Platte neben dem Vater für den ältesten Sohn Wilhelm Friedemann und den heute wohl berühmtesten, Carl Philipp Emanuel entschieden.
Der eröffnet den Reigen mit seiner mindestens bekannt, vielleicht sogar berühmt zu nennenden Sinfonie in C-Dur Wq. 182/3, die hohe Anforderungen an virtuos geschlossene Streicherregister stellt, Satzcharaktere auf entschlossene Weise ausformt, das eigenwillig-erratisch organisierte musikalische Material in den Ecksätzen zu höchster Intensität auflädt, ja anspannt, kontrastierend dazu im ruhevollen Adagio aber Seelenweite durchmisst.
Vater Bach ist mit zweien der Brandenburgischen Konzerte vertreten: Die Nummer drei in G-Dur BWV 1048 in konzertanter Streichersinfonik, wenn man den Faden des Beginns fortspinnen möchte, den Gegensatz von Soli und Tutti kunstvoll ineinander verwebend, dabei die personalstilistisch unverkennbare Orchestervirtuosität entfaltend. In der Nummer fünf in D-Dur BWV 1050 dominiert dann das variantenreiche Spiel der Soli – Violine, Traversflöte und Cembalo, im Mittelsatz auf die reine Triokonstellation reduziert, während das Schluss-Allegro wieder die solistische mit der Ensemblewelt in Einklang bringt.
Wilhelm Friedemanns Sinfonie in F-Dur Fk 67 ist nach älterem Vorbild viersätzig mit schnell-langsam-schnell-langsam; dabei ist das beschließende Menuett mehr als ein bloßer Appendix oder harmloser Kehraus. Insgesamt ist des ältesten Bach-Sohns Tonsprache der seines jüngeren Bruders durchaus nah: abgerissene, jähe Gesten sind prägend, oft scharfkantig gezeichnete Entwicklungen auf engstem Raum, in gekonnt spannungsreicher Harmonik – der Beiname der Sinfonie ist mit „Dissonant“ sicher nicht falsch gewählt. Auch beim älteren Bruder charakteristisch: Seelenvolle Linearität im langsamen Satz.
Feines Ensemble
Das 1999 gegründete Elbipolis Barockorchester Hamburg ist zunächst ein feines, konzentriert sich gebendes Streicherensemble, mit großem technischem Vermögen. Das Ensemble entfaltet ein perfekt kontrolliertes Volumen, in schlanken, nobel gerundeten Registern, die einen prallen, oft elastisch federnden Klangkern aufweisen. Im abschließenden Allegro von BWV 1050 fügen die Register sich nahtlos in die von den Soli gesetzte Ästhetik ein und setzen sie fort.
Jürgen Groß auf der Violine, Regina Gleim auf der Traversflöte und Olga Chumikova auf dem Cembalo erweisen sich als technisch unangefochtene Größen mit gerundetem Ton, oft in eloquentem Wechselspiel. Groß formuliert dazu die beiden vermittelnden Adagio-Takte in BWV 1048 behutsam und mit Geschmack aus, darin vermutlich der ursprünglichen Intention Bachs folgend.
Die Tempi sind entschieden gewählt, setzen die Sätze mit sicherem Gespür für Sog und Spannung zueinander in Beziehung. Überwiegend garantiert die Streicherbesetzung eine mild gestufte dynamische Szenerie, lässt bei den Söhnen aber auch die notwendig aufzubietenden schroffen Gesten hören. Artikuliert wird natürlich zunächst kleinteilig, doch findet diese Sphäre aus der Motorik der älteren Ästhetik verlässlich auch zum größeren Bogen – idealtypisch im Adagio des jüngeren Bach-Sohns. Die Intonation ist stabil und frei, punktet besonders mit der spezifischen Sonorität eines – überwiegend – reinen Streicherklangs. Technisch zeigt sich die Aufnahme gesammelt und gut organisiert, ist von schöner Struktur und elegant in der Gesamtwirkung.
Die Platte bringt zeitlich und ästhetisch verschiedene Teile der Bach-Familie im 18. Jahrhundert in Austausch. Vielleicht hätte eine weitere Sohnes-Stimme gutgetan – aus London, aus Bückeburg? Platz wäre auf der mit etwas mehr als fünfzig Minuten Spielzeit nicht gerade randvollen CD noch gewesen. Doch auch so ergibt sich ein schönes Familienbild, weniger mit systematischen Qualitäten punktend, eher in Gestalt eines Schlaglichts.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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More Bach: Symphonies & Brandenburg Concertos: Elbipolis Barockorchester Hamburg, Jürgen Groß |
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Label: Anzahl Medien: Spielzeit: |
Challenge Classics 1 54:23 |
Medium:
EAN: BestellNr.: Booklet |
CD
608917296020 CC 72960 |
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Bach, Carl Philipp Emanuel |
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"- Sieben Jahre sind vergangen, seit die dritte und letzte Aufnahme des Elbipolis Barockorchesters bei Challenge Classics erschienen ist. - Das neue Album ist der Familie Bach gewidmet - Neben zwei Brandenburgischen Konzerten und dem Ersten Violinkonzert von Johann Sebastian finden wir zwei Sinfonien seiner begabtesten Söhne: Wilhelm Friedmann und Carl Philipp Emanuel - Frische des Ansatzes, glitzernder Klang, das Fehlen von Angeberei, der geniale Respekt vor der Partitur." |
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