
Gustav Mahler: Sinfonie Nr. 7 e-moll - Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Bernard Haitink
Gedeckelte Emotionen
Label/Verlag: BR-Klassik
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Das BRSO und Bernard Haitink mit Mahlers Siebter.
Erst kürzlich hat das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks Mahlers „Siebte“ aufgeführt – zunächst „dahoam“ in der Isar-Philharmonie, die sich anschließende Tournee führte von dort über ein Gastspiel beim Leipziger Mahler-Festival via Prag bis nach Amsterdam. Am Pult stand dabei Daniel Harding, die Interpretation wurde durchweg begeistert aufgenommen. Aus dem Jahr 2011 stammt die vorliegende Aufnahme, entstanden ist sie als Live-Mitschnitt aus dem Münchner Gasteig unter Leitung von Bernard Haitink.
Aktueller Vergleich
Für den 2021 verstorbenen Grandseigneur spielte Mahler neben Bruckner eine zentrale Rolle in seinem symphonischen Repertoire. Auch den monumentalen Werken dieser beiden merkte man Haitinks – in vielerlei Hinsicht positive – generelle Neigung zur dirigentischen Bescheidenheit, zum Unprätentiösen an. Exaltierte, extra dick auftragende Ansätze waren seine Sache nicht. Nun gibt es aber auch etwas dazwischen, ein gesundes Maß an Pathos und dynamischen Exzessen ist Bruckner und Mahler unzweifelhaft zu eigen. Und in dieser Kategorie ist es Harding, der im direkten aktuellen Vergleich punktet. Sein geringfügig schnelles Tempo wirkt im Kopfsatz eine Spur zielstrebiger, seine dynamische Amplitude ist höher und evoziert die stärkeren Emotionen, wo sie bei Haitink mitunter gedeckelt wirken. Für den zweiten Satz benötigen beide etwa gleich lang, die Farbwechsel sind unter Harding intensiver. Der Beginn des „Scherzo“ ist bei ihm deutlich schärfer artikuliert, auch die tänzerische Komponente kommt frecher und pointierter daher, die insgesamt vitalere Haltung äußert sich wiederum im Tempo – Harding ist an die zwei Minuten schneller.
Nicht mit letzter Konsequenz
Einen lyrisch eindringlichen Zugang zum „Andante amoroso“ finden beide, im Schlusssatz setzt dann Harding wieder die zupackenderen Energien frei, Gefühlsausbrüche kommen hier ungefiltert an, Haitinks Deutung lässt die in letzter Konsequenz dramaturgische Dringlichkeit vermissen. Und dann gibt es da natürlich noch jemanden, den man im klangkörperspezifischen Vergleich nicht vergessen darf: Auch unter Mariss Jansons hat das BRSO diese Symphonie eingespielt – seine Auffassung liegt eher auf der Linie von Harding und schlägt in puncto Überzeugungskraft auch diejenige Haitinks. All das soll seine Leistung indessen nicht schmälern. Sein Ansatz ist schlicht ein anderer, seine vornehm-präzise, mitunter zurückhaltend wirkende Art weist durchaus Aspekte auf, die auch der groß besetzten symphonischen Architektur Bruckners und Mahlers zugutekommen, sein Gespür für klangliche Proportionen ist noch immer vielen Kollegen überlegen. Nicht selten liegt bei ihm in der Ruhe die sprichwörtliche Kraft. Das Booklet strahlt die Kompetenz aus, die man sich von einem Jörg Handstein-Vorwort erwartet.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Gustav Mahler: Sinfonie Nr. 7 e-moll: Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Bernard Haitink |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: Spielzeit: Aufnahmejahr: |
BR-Klassik 1 02.05.2023 081:54 2011 |
Medium:
EAN: BestellNr.: Booklet |
CD
4035719002096 900209 |
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Mahler, Gustav |
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"GUSTAV MAHLER: Symphonie Nr. 7 Den niederländischen Dirigenten Bernard Haitink und das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks verband eine langjährige und intensive künstlerische Zusammenarbeit, die sein Tod im Oktober 2021 abrupt beendete. Herausragende Live-Aufnahmen von Konzerten aus den vergangenen Jahren, die bislang noch nicht veröffentlicht wurden, legt BR-KLASSIK jetzt vor. Der vorliegende Mitschnitt von Mahlers siebter Symphonie dokumentiert Konzerte vom Februar 2011 aus der Münchner Philharmonie im Gasteig. Seit Haitink 1958 zum ersten Mal ein Münchner Abonnementskonzert leitete, stand er immer wieder am Pult des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks – im Herkulessaal der Residenz oder in der Philharmonie im Gasteig. Die kongeniale Zusammenarbeit währte mehr als sechs Jahrzehnte. Orchestermusiker und Sänger arbeiteten ebenso gerne mit ihm zusammen, wie die Tonmeister des BR. Als Interpret des symphonischen Repertoires vor allem der deutsch-österreichischen Spätromantik wurde Haitink weltweit hochgeschätzt. Auch die Symphonien Gustav Mahlers waren bei ihm stets in besten Händen. Bei ihm war die Durchhörbarkeit der Klangarchitektur einer musikalischen Komposition mit ihren vielschichtigen Verflechtungen oberstes Prinzip: äußerste klangliche Sensitivität gepaart mit einer deutlich strukturierten Notenauslegung. Eine gültige Einspielung von Mahlers siebter Symphonie stellt höchste Anforderungen an die Fähigkeiten des Dirigenten wie an die Virtuosität jedes einzelnen Orchestermusikers. Nur unter solchen Umständen kann aus den hochkomplexen Einzelstimmen ein großartiges Ganzes entstehen – ein Unterfangen, das immer wieder atemberaubende Wirkungen erzielt. Es bedarf dazu eines Dirigenten, der das Ensemble von Einzelmusikern mit Solistenniveau in einer übergreifenden musikalischen Konzeption vereinigt. Mit ihren beiden grotesken „Nachtmusiken“, ihren Naturklängen, den naiv-volkstümlichen Motiven und rauschhaften Orchestertutti ist die siebte Symphonie ganz typisch für Mahlers einzigartige Klangwelt. " |
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BR-Klassik BR-KLASSIK, das Label des Bayerischen Rundfunks (BR), veröffentlicht herausragende Live-Konzerte des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks (BRSO), des Chors des Bayerischen Rundfunks, des Münchner Rundfunkorchesters sowie der Konzertreihe musica viva. Dabei ist es ein wesentliches Ziel des Senders, über seine Radio- und TV-Programme hinaus auch digital sowie via CD und DVD allen Musikfreunden weltweit Zugang zu besonderen Aufnahmen zu bieten und auf diese Weise auch jenes Publikum zu erreichen, welches keine Möglichkeit hat, die Konzerte der internationalen Tourneen selbst vor Ort live zu erleben. Neben den jeweiligen Chefdirigenten wie beispielsweise Mariss Jansons oder Sir Simon Rattle finden sich großartige Künstlerpersönlichkeiten wie Daniel Barenboim, Herbert Blomstedt, Bernard Haitink und viele andere mehr. Die Reihe BR-KLASSIK WISSEN liefert unterhaltsame und kurzweilige Hörbiografien von Jörg Handstein mit vielen Hintergrundinformationen und Musikbeispielen auf jeweils 4 CDs, erzählt von Udo Wachtveitl sowie spannende Werkeinführungen in bedeutende Kompositionen der Musikgeschichte. Durch die Reihe BR-KLASSIK ARCHIVE werden historische Aufnahmen des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks wieder verfügbar. Beispielsweise die legendäre Aufführung des Verdi-Requiems unter der Leitung Ricardo Mutis mit Jessye Norman, Agnes Baltsa, José Carreras und Jewgenij Nesterenko und dem Chor des BR im Jahr 1981 oder etwa denkwürdige Konzertabende mit der Pianistin Martha Argerich: 1973 unter Leitung von Eugen Jochum mit Mozarts Klavierkonzert KV 456 sowie zehn Jahre später mit Beethovens Klavierkonzert Nr.1 unter Seiji Ozawa. Mittlerweile umfasst der gesamte Katalog über 200 Aufnahmen und hat bereits mehr als 50 renommierte und internationale Auszeichnungen erhalten, darunter den Preis der Deutschen Schallplattenkritik, den Diapason d’or, den BBC Music Magazine Award und den ICMA. BR-KLASSIK wird weltweit durch NAXOS vertrieben. Selbstverständlich gehören hierzu auch digitale Portale wie Spotify, Apple, amazon u.v.a.. Die Naxos Music Library präsentiert zudem für Universitäten und öffentliche Bibliotheken via Internet einen ständig wachsenden Katalog mit tausenden von Titeln weltweit führender Labels. Studenten, Lehrpersonal und andere Benutzer können sich jederzeit einloggen und in der Bibliothek, im Hörsaal, im Studentenwohnheim, im Büro oder zu Hause das komplette Repertoire abrufen - auch die Aufnahmen von BR-KLASSIK. Mehr Info... |
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