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Montag, 2. Oktober 2023

Brahms, Johannes - Piano Quintet F minor - Handel Variations

Von allen Seiten


Label/Verlag: Tacet
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Nun hat das Auryn-Quartett beim Label Tacet fast das Dutzend voll (die vorliegende Einspielung ist als Vol. X bezeichnet) und scheint kein wenig verbraucht – im Gegenteil: Die Musiker zeigen, dass ihr Spaß an Kammermusik keinesfalls schwindet. Und das merkt man der Aufnahme von Brahms´ Klavierquintett f-Moll op. 34 auch an. Kürzlich hatte ich die Aufgabe, eine Aufnahme des Londoner Schubert Ensembles zu rezensieren. Auch da war dieses Klavierquintett ein Programmpunkt. Freilich fällt es schwer, beide Interpretationen zu vergleichen, allein dessenthalben, dass das Auryn-Quartett ein Aufnahmeverfahren im DVD-Audio-Format benutzt, wodurch die klangliche Realisierung in einer ungleich differenzierteren Weise vom Hörer aufgenommen werden kann. Doch lässt man dies beiseite, so zeigen sich starke Unterschiede der Interpretation. Und – um es vorwegzunehmen: Das Auryn-Quartett mit dem Pianisten Peter Orth überzeugt auf ganzer Linie, wohingegen das Schubert Ensemble einige Schwachstellen erkennen ließ.

Was mich bei einem Blick auf das CD-Cover erstaunte, war die vom Höreindruck weit abweichende Dauer des ersten Satzes. Denn bei vorliegender Aufnahme schafft es das Ensemble, trotz wesentlich kürzerer Dauer (als die Interpretation des Schubert Ensembles), d.h. schnelleren Tempi, die Musik ungleich gelassener und fließender klingen zu lassen. Hier muss nicht forciert werden, der Instrumentalklang kann sich frei entfalten, Melodiebögen werden klar und wie aus einem Guss ausgesungen.
An vorliegender Interpretation erstaunt vor allem die Transparenz, die jedoch nicht zu teuer, will heißen: auf Kosten der Klangfülle erkauft wird. Vielmehr wird die Opulenz des Ensembleklangs erst erzeugt durch eine differenzierte Balance der Einzelstimmen. Hier hört man endlich wie hingetupft wirkende Pizzicati im Cello, kurze Einwürfe der Bratsche, ergänzende Gegenstimmen in der Zweiten Violine und zart phrasierte Bögen in der Ersten Violine. Grundiert wird das Ganze von einem sehr feinfühlig agierenden Pianisten. Stellenweise kann es nur verblüffen, wie kultiviert Peter Orth das Klavier in den Satz einflicht. So werden jede Tempo – oder Spielanweisung klanglich fein schattiert umgesetzt. Mit dieser Deutung des Klavierquintetts bracht dieses Ensemble keinen Vergleich zu scheuen, denn besser kann man diese vielgestaltige, kontrastreiche Musik kaum spielen. Denn auch im dynamischen Bereich gehen die Musiker an Grenzen, ohne diese zu überschreiten. Immer bleibt, auch im dichtesten Gewimmel von gegenläufigen Rhythmen und Stimmen, ein satter Instrumentalklang erhalten, ohne kratzig oder rau zu werden. Auch das lichte, träumerische ‘Andante, un poco Adagio’, der zweite Satz des Klavierquintetts, überzeugt in seinen kantabel musizierten Linien. Man kann hier Phrasierungen genießen, die wunderbar organisch und unter den Musikern bis ins kleinste Detail abgestimmt sind. Den dritten Satz habe ich selten so energisch und spritzig gehört wie hier. Gekrönt wird dies von einem von Kontrasten geprägten Finale, bei dem selbst das ‘agitato’ vehement klingt; man merkt jedoch, dass hier niemand ‘mit dem Stück kämpft’ wie so manches andere Ensemble. Man hat eher den Eindruck, als wollen die Musiker jede Note, jedes Detail zum klingen bringen, den dichten Satz auskosten und in seiner Tiefe erforschen. Da kann man nur ein riesiges Lob aussprechen.

Gleiches gilt auch für das folgende Werk die ‘Variationen und Fuge über ein Thema von Händel’ op. 24 von Johannes Brahms. Brahms stieß zufällig auf dieses Thema, eine Aria der B-Dur-Suite der ‘Suites de pièces de clavecin’ von Georg Friedrich Händel. Und machte daraus eine Variationenfolge, die den stilistischen Bogen vom barocken Original mit Wechselfiguren, Trillern, etc. bis zu hochromantischen Kabinettsstücken pianistischer Kunst spannt. Dieser wird dann innerhalb von 32 Variationen und einer abschließenden, krönenden Fuge mit kontrastreichen Verarbeitungen der Aria durchmessen.
Der amerikanische Pianist Peter Orth kann hier einmal mehr ein Zeugnis seines tiefgründigen, technisch brillanten Spiels abgeben. Federnder, kultivierter Anschlag und eine schier grenzenlose Ausdruckspalette lassen diese Variationen zu einem besonderen interpretatorischen Leckerbissen werden.
Wie schon oben kurz erwähnt, ist diese Einspielung im Format einer DVD-Audio aufgenommen, was soviel heißt wie: am besten man besitzt eine Surround-Anlage (5.1-System), dann kann man aus jedem Lautsprecher ein Instrument hören. Vorne in der Mitte ist der Pianist postiert, links davon der Bratscher, rechts die zweite Violine, hinten links die erste Violine und zu guter Letzt hinten rechts das Cello. So ergibt sich ein Platz ‘mitten im Ensemble’, man hat den Eindruck, man gehöre zu den Musikern, was einen enorm gesteigerten Hörgenuss und auch eine andersartige, aktivere Erfahrung der Interpretation zur Folge hat. Der Hörer als Teil der Musiker, das ist echt toll.
Und wenn das dann noch in einem derart natürlichen, ausbalancierten Klang geboten wird, kippt die Kinnlade erst recht runter. Hier wirkt kein Instrument vernachlässigt, alles ergibt ein organisches, transparentes Gesamtbild. Und auch mit nur zwei Lautsprechern lässt sich ein hervorragend disponiertes Ensemble genießen, das auf ganzer Linie überzeugen kann.
Als letzter Pluspunkt sei noch das sehr gute Booklet erwähnt, das zum einen eine gute, informationsreiche Werkeinführung bietet und zum anderen den unerfahrenen Hörer mit den Möglichkeiten und Anforderungen einer DVD-Audio bekannt macht. Das sollte im Plattenschrank stehen!

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:






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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Brahms, Johannes: Piano Quintet F minor - Handel Variations

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
Spielzeit:
Aufnahmejahr:
Tacet
1
08.12.2003
65:27
2003
Medium:
EAN:
BestellNr.:

CD DVD
4009850012030
D 120


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Brahms, Johannes


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Tacet

Das Wort TACET kommt aus dem Lateinischen und bedeutet "er/sie/es schweigt". Es steht in den Noten, wenn ein Musiker für ein ganzes Stück nichts zu spielen hat. In einem solchen Fall steht in den Noten "TACET". Ein paradoxer Name für eine Plattenfirma?

Der Produzent des Labels, Andreas Spreer, liebt das Paradox. Im April 1989 gründete der Diplom-Tonmeister die Musikfirma TACET in Stuttgart/Germany. Seither produziert TACET Musik für höchste Ansprüche auf den verschiedensten Tonträgern (CD, LP, SACD, DVD-Audio, Blu-ray). Von Beginn an erhielten die Aufnahmen herausragende Rezensionen und höchste Auszeichnungen (u. a. mehrere Jahrespreise der deutschen Schallplattenkritik, Cannes Classical Award, Echo, Diapason d'or, Grammy-Nominierung und viele mehr; stöbern Sie ein wenig in den Kritiken auf den Produktseiten), aber was noch wichtiger ist, sie erfreuen sich größter Beliebtheit beim Publikum. Dabei ist noch kein Ende abzusehen: Die Zahl der TACET-Fans wächst immer weiter. Woher kommt dieser langandauernde große Erfolg?

Vielleicht liegt es daran: TACET arbeitet konsequent an der Synthese von zwei Ebenen, die häufig als sehr unterschiedlich oder sogar gegensätzlich angesehen werden: dem musikalischen Gehalt und der aufnahmetechnischen Qualität.

Als Begriff, der sowohl die musikalischen als auch die aufnahmetechnischen Vorzüge der TACET-Aufnahmen umfasst, bietet sich das Wort "Klang" an. Klang entsteht in einem Instrument, der Musiker bringt ihn daraus hervor, doch ob gewollt oder nicht - die nachfolgenden Apparaturen und Personen beeinflussen den Klang auch. Wenn alle Beteiligten, Musiker, Instrumente, Raum, Aufnahmegeräte und "Tonbearbeiter" gut zusammenpassen bzw. zusammenarbeiten, wächst in der Mitte zwischen ihnen wie von selbst etwas Neues empor, das dem Wesen einer Kompositon sehr nahe kommt. Davon handelt unser Slogan "Der TACET-Klang - sinnlich und subtil".

"This is one of the best sounding records you'll ever hear" schrieb das US-Magazin "Fanfare" über die TACET-LP L207 "oreloB". György Ligeti äußerte über die Kunst der Fuge "... doch wenn ich nur ein Werk auf die "einsame Insel" mitnehmen darf, so wähle ich Koroliovs Bach, denn diese Platte würde ich, einsam verhungernd und verdurstend, doch bis zum letzten Atemzug immer wieder hören.". "Entscheidend aber ist die Gemeinsamkeit des Geistes. Die Auryn-Leute beseelt die gleiche Kunstgesinnung..." (Rheinische Post). Stöbern Sie ein wenig in den Kritiken auf den Produktseiten oder noch besser hören Sie sich TACET-Aufnahmen an und überprüfen, was die Kritiker schreiben.

Bei uns darf Musik all das anrühren und ausdrücken, was das Leben ausmacht. Sie erlaubt dem Hörer Gefühle zu empfinden, ohne sentimental zu werden. Sie kann witzig sein und zum Lachen bringen. Sie kann auf ehrliche Weise "romantisch" sein, ohne den Hörer in einen Kaufhausmief von Wohlfühlklängen zu versenken. Sie darf in unendlichen Variationen geistreich sein. Sie darf zum Denken und zum Erkennen anregen, ohne musikalische Vorbildung zu erfordern. Sie darf effektvoll sein und um die Ohren fliegen, wenn es dem Wesen der Werke entspricht. Sie kann Revolutionen im Kopf auslösen, ohne ein einziges Wort. Sie kann widersprechen und korrigieren. Musik kann Verzweiflung wecken, aber auch trösten. Und und und. Die vollständige Liste wäre endlos.

Der TACET-Inhaber und -Gründer Andreas Spreer erhielt u. a. die Ehrenurkunde des Preises der deutschen Schallplattenkritik.


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