> > > Berger: Symphony op.71, Konzertstück op.43a: Oliver Triendl, Württembergische Philharmonie Reutlingen, Clemens Schuldt
Sonntag, 4. Juni 2023

Berger: Symphony op.71, Konzertstück op.43a - Oliver Triendl, Württembergische Philharmonie Reutlingen, Clemens Schuldt

Zwischen Schumann, Brahms und Reger


Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Zwei substanzielle Orchesterwerke Wilhelm Bergers hätten mehr Profilierung vertragen.

Wilhelm Berger starb 1911 früh, knapp fünfzigjährig, und ist heute fast nur noch bekannt als ‚Intermezzo‘ zwischen den Meininger Hofkapellmeistern Fritz Steinbach und Max Reger. In Meiningen wurde beklagt, dass Berger neben den beiden deutlich Bekannteren als Dirigent weit weniger Profil entwickelte und das Niveau der Hofkapelle nicht halten konnte. Dass Reger auf einer immensen Menge an Proben bestand, während Berger offenbar humaner mit den Hofkapellisten umging und sich auch besser ins höfische Umfeld integrierte, ohne sich Herzog Georg II. von Sachsen-Meiningen über Gebühr zu profilieren, wird gleichwohl zumeist übergangen.

Dabei hatte Berger auch als Komponist eine durchaus eigene Stimme, die, jener Regers nicht ganz fernstehend, die Interpreten vor beträchtliche Aufgaben stellt. Anders als Max Reger war er, mit mehr als 100 werken mit Opuszahl kaum weniger produktiv als der Jüngere, vor allem in jenen Gattungen aktiv, die in seiner Zeit in Mode waren – Klavier- und Kammermusik, Lieder, doch schuf er auch zwei Sinfonien und eine Klaviersonate. Weder geistliche noch Orgelmusik finden sich substanziell in seine, Schaffen, aber Fugen und Variationswerke für Klavier.

Mit gewohnter Meisterschaft

Das Konzertstück op. 43a für Klavier und Orchester findet sich im IMSLP-Werkverzeichnis nicht, obschon es sein einziges Konzertwerk überhaupt ist. Das gut halbstündige Werk wurde 1888 vollendet und ist in seiner Substanzialität Busonis Konzertstück op. 31a (1890) mindestens vergleichbar. Harmonisch stärker an Schumann denn an Brahms anknüpfend, diesem gleichwohl in der formalen Komplexität kaum nachstehend, lässt besonders der Klavierpart, den sich Berger in die eigenen Finger schrieb, aufhorchen. Dennoch gibt es merkwürdige Passagen, wo man sich fragt, ob das Erklingende tatsächlich so gemeint war. Der Orchesterpart ist zumeist eher konventionell ausgearbeitet, der Schwerpunkt liegt deutlich auf dem anspruchsvollen Klavierpart, den Oliver Triendl mit gewohnter Meisterschaft vor dem Hörer ausbreitet. Um so betrüblicher ist ein kleiner Moment im ersten Drittel, wo es so scheint, als sei der herangezogene Notentext korrupt gewesen. Vor allem aber hätte dem Werk ein beherzterer Zugriff gut getan, sowohl um die Werkstruktur noch klarer herauszuarbeiten als auch um den Notentext profilierter darzubieten. Bei allen Bemühungen bleibt die Württembergische Philharmonie Reutlingen unter Clemens Schuldt eher kompetent-sorgfältig denn ein wirklicher Mit-Gestalter – was auch an der etwas indifferenten Präsentation des Orchesterparts, vor allem der Streicher liegt; manches Orchesterdetail geht fast verloren, so dass man sich über jede aufnahmetechnische glücklich dialogisierende Passage zwischen Pianist und den Holzbläsern freut. An mancher Stelle hat man aber auch das Gefühl, dass die Mitwirkenden froh sind, wenn sie ohne grobe Patzer an ihnen vorübergegangen ist.

Die aufnahmetechnischen Mängel, die überdimensionierte Präsenz der Bläser beeinträchtigen auch und ganz besonders die Wiedergabe von Bergers erster Sinfonie B-Dur op. 71. Viele Details im Orchesterklang gehen verloren, durch zu dichte Mikrofonierung gerät vieles geradezu grobschlächtig – nicht hinreichend für ein überzeugendes Plädoyer für den Orchesterkomponisten Wilhelm Berger, der eigentlich viel zu bieten hat. Im langsamen Satz winken aus der Vergangenheit nicht nur Schumann und Mendelssohn, sondern auch Beethoven, ohne dass nicht auch die eine oder andere Brahms-Allusion aufblitzen würde. Im kontrapunktisch reichen und witzigen Finale wird deutlich, dass technische Akkuratesse erreicht ist, aber noch nicht jener selbstverständliche Überschwang, der eine gute Interpretation im eigentlichen Sinn ausmacht. Auch die Aufnahmetechnik unterstützt die Ausarbeitung der Feinheiten der Partitur nicht.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





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    Berger: Symphony op.71, Konzertstück op.43a: Oliver Triendl, Württembergische Philharmonie Reutlingen, Clemens Schuldt

Label:
Anzahl Medien:
cpo
1
Medium:
EAN:

CD
761203546220


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Berger, Wilhelm


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cpo

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