
Werke von Ludwig van Beethoven - Ensemble 1800 Berlin
Vollwertig in Kammermusik verwandelt
Label/Verlag: MDG
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Beethovens Sinfonien in den Fassungen von Johann Nepomuk Hummel sind eine Entdeckung wert.
In Zeiten, als Musik noch nicht bequem jederzeit auf Schallplatte, später per Download oder Streaming in den heimischen vier Wänden ‚abgerufen‘ werden konnte, stand bekanntlich das häusliche Musizieren um so höher im Kurs. Vor allem Orchester- und Kammermusik wurde zu diesem Zwecke ‚heruntergerechnet‘, um 1800 nicht selten für Flöte und Klaviertrio, später gerne auch für Klavier vierhändig. Schon zu Beethovens Lebzeiten wurden seine Werke vielfältig bearbeitet (das Booklet weist darauf hin, dass jede seiner Sinfonien in einer geschätzten Anzahl von 50000 gedruckten Arrangements in Europa im Umlauf war).
Johann Nepomuk Hummel gehörte zu jenen, die Beethovens Musik besonders fleißig ‚diente‘. Seine Bearbeitungen der Sinfonien 2 und 5 erschienen 1826 und 1827 in einer Verlagskooperation, und bezeichnenderweise wurde Hummels Name in den Erstausgaben größer gedruckt als Beethovens. Ironie des Schicksals, dass heute Hummels Stern heute allzu stark verblasst ist. Ganz der Hummel-Fassung gemäß bietet das ensemble1900berlin die ‚Reduktion‘ entsprechend dem Hummel-Notentext, der in Phrasierung und Artikulation teilweise beträchtlich von Beethovens Orchesterpartituren abweicht. Das sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, wenn man denn eine historische Bearbeitung einspielt, und dass dies bis heute einer Erwähnung wert ist, zeigt, wie wenig vollumfänglich ‚historisch informiert‘ wir bis heute unterwegs sind.
Eigenständige Manifestationen
Hummel schafft aus Beethovens allbekannten Werken neue Werkgestaltungen, die fraglos der Kammermusik angehören und in dieser neuen Gattung die Gattung des Quartetts für Flöte und Klaviertrio um attraktive Facetten bereichert. Die Kammermusik der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war von den Besetzungskonstellationen ungemein reich, und die starke Normierung der folgenden Jahrzehnte war ebenso fatal wie die ‚Kanonisierung‘ der Komponisten durch Konzertveranstalter, Hochschulen und Tonträgerfirmen. Hummels Fassungen der beiden Sinfonien sind durchaus als eigenständige Manifestationen von Beethovens Originalwerken zu sehen, weit mehr als das, was in der Musikwissenschaft gerne als Arrangement oder Adaption bezeichnet wird. Die Bearbeiterentscheidung ist nicht selten ein durchaus kreativer Prozess, und wenn ein Komponist eigene Werke bearbeitet, wird auch schnell von regelrechten ‚Fassungen‘ gesprochen, wodurch das Spektrum der graduellen Bezüge zwischen Original und ‚Neufassung‘ nur unzureichend erhellt wird (jede neue Kadenz zu einem Konzertwerk ist gewissermaßen ja eine ‚Neu-Aneignung‘ durch ausübende Musiker, ohne die das Originalwerk ebenso wenig erklingen würde wie jedwede ‚Bearbeitung‘).
Die Besetzung zahlreicher Farben der Orchesterbesetzung durch nur vier Instrumente erfordert ein Um-Hören und Umdenken, um auch diesen Versionen hinreichend gerecht zu werden. Sie eröffnen neue Perspektiven, neue Klang-Balancen, ein im besten Sinne Nach-Schaffen der bekannten Musik – und bieten damit eine Balance zwischen Wiedergabe und Neuschöpfung, die erst in der Zeit des ‚musealen Musizierens‘, in der der Notentext als unantastbar gilt, das Verständnis für die Umstände der Zeit hingegen kaum mehr hinreichend bewusst ist (ja, auch das bedeutet ‚historisch informiert‘).
Das ensemble1800berlin geht ein hohes Wagnis ein, und siegt auf voller Linie. Wir hören Beethoven als Zeitgenossen Schuberts, Marschners und anderer, wir hören Instrumente und Spieltechniken der Zeit, aber nicht museal rückwärtsgewandt, sondern als frisch und liebevoll dem Hier und Jetzt zugewandt. Die 2+2+2-SACD-Aufnahmetechnik unterstützt diese Perspektive auf das Vorteilhafteste.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Werke von Ludwig van Beethoven: Ensemble 1800 Berlin |
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Label: Anzahl Medien: |
MDG 1 |
Medium:
EAN: |
CD SACD
760623227665 |
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Beethoven, Ludwig van |
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MDG Die klangrealistische Tonaufnahme »Den beim Sprechen oder Musizieren entstehenden Schall festzuhalten, um ihn zu konservieren und beliebig reproduzieren zu können, ist eine Idee, die seit langem die Menschen beschäftigte. Waren zunächst eher magische Aspekte im Spiel, die die Phantasie beflügelten wie etwa bei Giovanni deila Porta, der 1598 den Schall in Bleiröhren auffangen wollte, so führte mit fortschreitender Entwicklung naturwissenschaftlichen Denkens ein verhältnismäßig gerader Weg zur Lösung...« (Riemann Musiklexikon)Seit Beginn der elektrischen Schallaufzeichnung ist der Tonmeister als »Klangregisseur« bei der Aufnahme natürlich dem Komponisten und dem Interpreten, aber auch dem Hörer verpflichtet. Die Mittel zur Tonaufzeichnung sind hinlänglich bekannt. Die Kriterien für ihren Einsatz bestimmt das Ohr. Deshalb für den Hörer hier eine Beschreibung unserer Hörvorstellung. Lifehaftigkeit In der Gewißheit, daß der Konzertsaal im Wohnzimmer (leider) nicht realisierbar ist, konzentriert sich unser Bemühen darauf, die Illusion einer Wirklichkeit zu vermitteln. Die Musik soll im Hörraum so wiedererstehen, daß spontan der Eindruck der Unmittelbarkeit entsteht, das lebendige Klanggeschehen mit der ganzen Atmosphäre der »Lifehaftigkeit« erlebt wird. Da wir praktisch ausschließlich menschliche Stimmen und »klassische« Instrumente - auch sie haben ihren Ursprung im Nachahmen der Stimme - aufnehmen, konzentriert sich unsere Klangvorstellung auf natürliche Klangbalance und tonale Ausgeglichenheit im Ganzen, und instrumentenhafte Klangtreue im Einzelnen. Darüber hinaus natürliche, ungebremste Dynamik und genaueste Auflösung auch der feinsten Spannungsbögen. Weitestgehend bestimmend für die Illusion der Lifehaftigkeit ist auch die Ortbarkeit der Klangquellen im Raum: freistehend, dreidimensional, realistisch.Musik entsteht im Raum Um diesen »Klangrealismus« einzufangen, ist bei den Aufnahmen von MDG eine natürliche Akustik unbedingte Voraussetzung. Mehr noch, für jede Produktion wird speziell in Hinblick auf die Besetzung und den Kompositionsstil der passende Aufnahmeraum ausgesucht. Anschließend wird »vor Ort« die optimale Plazierung der Musiker und Instrumente im Raum erarbeitet. Dieser ideale »Spielplatz« ermöglicht nun nicht nur die akustisch beste Aufnahme, sondern inspiriert durch seine Rückwirkung die Musiker zu einer lebendigen, anregenden Musizierlust und spannender Interpretation. Können Sie sich die Antwort des Musikers vorstellen auf die Frage, ob er lieber in einem trockenen Studio oder in einem Konzertsaal spielt?Die Aufnahme Ist der ideale Raum vorhanden, entscheidet sich der gute Ton an den Mikrofonen - verschiedene Typen mit speziellen klanglichen Eigenheiten stehen zur Auswahl und wollen mit dem Klang der Instrumente im Raum in Harmonie gebracht werden. Ebenso wichtig für eine natürliche Abbildung ist die Anordnung der Mikrofone, damit etwa die richtigen Nuancen in der solistischen Darstellung oder die Kompensation von Verdeckungseffekten realisierbar werden. Das puristische Ideal »nur zwei Mikrofone« kann selten den komplexen Anforderungen einer Aufnahme mit mehreren Instrumenten gerecht werden. Aber egal wie viele Mikrofone verwendet werden: Stellt sich ein natürlicher Klangeindruck ein, ist die Frage nach dem Zustandekommen des »Lifehaftigen« zweitrangig. Entscheidend ist, es klingt so, als wären nur zwei Mikrofone im Spiel.Ohne irgendwelche »Verschlimmbesserer« wie Filter, Limiter, Equalizer, künstlichen Hall etc. zu benutzen, sammeln wir die Mikro-Wellen übertragerlos in einem puristischen Mischpult und geben das mit elektrostatischem Kopfhörer kontrollierte Stereosignal linear und unbegrenzt an den AD-Wandler und zum digitalen Speicher weiter. Dadurch bleiben auch die feinsten Einschwingvorgänge erhalten. Auf der digitalen Ebene wird dann ohne klangmanipulierende Eingriffe mit dem eigenen Editor in unserem Hause das Band zur Herstellung der Compact Disc für den Hörer erstellt, für Ihr hoffentlich großes Hörvergnügen. Mehr Info... |
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