> > > Kalevi Aho: Violin Concerto, Cello Concerto: Kymi Sinfonietta, Olari Elts
Sonntag, 4. Juni 2023

Kalevi Aho: Violin Concerto, Cello Concerto - Kymi Sinfonietta, Olari Elts

Musikalisch packend, klanglich hochdifferenziert


Label/Verlag: BIS Records
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Das jeweils zweite Konzert für Violine und Violoncello aus der Feder des finnischen Tondichters Kalevi Aho – optimal präsentiert von engagierten Interpreten.

Insofern man den Rang eines Komponisten an den Namen der Interpreten, die sich für sein Werk engagieren, festmachen kann, darf der Finne Kalevi Aho zu den größten lebenden Tondichtern überhaupt gezählt werden. Insbesondere die Instrumentalkonzerte Ahos – für praktisch jedes Instrument existiert ein Konzert, für einige auch schon ein zweites – wurden und werden von der internationalen Elite gespielt, darunter die Flötistin Sharon Bezaly, der Klarinettist Martin Fröst und der Oboist Piet Van Bockstal. Ganz so etabliert sind die beiden Interpreten, die sich hier des (jeweils zweiten) Violin- und Violoncellokonzertes annehmen, noch nicht – doch auch die Violinistin Elina Vähälä und der Cellist Jonathan Roozeman besitzen einen klangvollen Namen.

Regelrecht unbekannt – zumindest für den mitteleuropäischen Hörer – dürfte hingegen das Orchester sein, das auf dieser CD zu hören ist: Die Kymi Sinfonietta wurde erst im Jahr 1999 gegründet und hat eine Stärke von 33 Musikern. Der Name 'Sinfonietta' deutet schon auf eine eher überschaubare Besetzung hin, dieser Tatsache trägt auch Aho Rechnung: Das zweite Cellokonzert wurde ausdrücklich für ein Ensemble dieser Stärke komponiert. Die Genese des zweiten Violinkonzertes ist komplizierter, ein erster Auftraggeber trat zurück, das 2010 begonnene Werk stellte Aho schließlich auf Vähläs Anregung im Jahr 2015 fertig. Dirigent der Kymi Sinfonietta in beiden Werken ist Olari Elts.

Bezüge zur musikalischen Tradition, auf die Aho selten komplett verzichtet, sind in beiden Stücken vorhanden: Deutlicher im Violinkonzert, das mit der bekannten Satzfolge schnell – langsam – schnell – erkennbar an die dreisätzige Norm anknüpft, weniger klar im Cellokonzert, dessen fünf Abschnitte ineinander übergehen. Querverweise zur vom finnischen Tondichter intensiv gepflegten Gattung der Symphonie sind hier loser geknüpft als in vielen anderen seiner Solokonzerte; das Orchester hat zwar gewichtigen Anteil am Gesamtgeschehen, aber der Solopart ist doch größtenteils dominant, von 'symphonischen Konzerten' kann man hier also kaum sprechen.

Hohe Klangqualität

Vom Gesamteindruck her ist das Violinkonzert dramatischer, packender und auch kurzweiliger als das Cellokonzert – vom ersten Satz an überzeugt Vähälä mit einem virtuosen Zugriff auf das Werk, das mit seinen gehäuften Doppelgriffen und einer hohen rhythmischen Komplexität der Solistin alles abverlangt. Weniger rasant, dafür von hochdifferenzierter klanglicher Faktur ist das 'Adagio', dessen Piano- und Pianissimo-Wirkungen von der Solistin wie vom Orchester bestens ausgekostet werden. Daran hat auch die hohe Klangqualität einen Anteil. Vähälä und die Kymi Sinfonietta ergänzen sich wunderbar, niemals deckt das von Elts behutsam geleitete Orchester die Solistin zu. Daran hat natürlich auch Ahos virtuose Instrumentation einen Anteil. Wieder rasant geht es dann im Finalsatz zu, der mit seinen fulminanten Steigerungen das Konzert zu einem höchst gelungenen Abschluss bringt.

Weniger rasant, insgesamt nachdenklicher, verhaltener und auch lyrischer ist das 2013 entstandene Cellokonzert konzipiert. Virtuosität spielt natürlich eine Rolle, vor allem in den schnellen Abschnitten zwei und vier, aber als klassisches 'show piece' – also als Vorzeigestück für solistisches Können – steht es hinter dem Violinkonzert zurück. Roozeman wird dem Werk in jeder Hinsicht gerecht, meistert die haarsträubend schwierigen Passagen virtuos, kann aber doch nicht verhindern, dass hier und da der Eindruck gewisser Längen entsteht, die es im Violinkonzert nicht gibt. Vor allem die 'Berceuse' zu Beginn hinterlässt den Eindruck, als wolle die Musik nicht recht in Fahrt kommen, unterläuft möglicherweise auch mit voller Absicht die Erwartung eines Hörers an den Beginn eines Solokonzertes. Was funktioniert, ist das geschickte Zusammenspiel von Cello und Orchester und die Entwicklung der Musik aus (zu Beginn) scheinbar langen, statischen Klangflächen heraus – ein kompositorische Spezialität Ahos, die er beherrscht wie nur wenige seiner Zeitgenossen.

Erstklassige Solisten

Auch wenn das Cellokonzert also insgesamt etwas blasser als das Violinkonzert wirkt, überzeugen beide Werke doch vor allem aufgrund der erstklassigen Solisten und einer raffinierte Dramaturgie, die geschickt mit allen möglichen Versatzstücken aus der Tradition agiert, dabei aber – und das ist das Entscheidende – niemals 'montiert' im Sinne einer postmodernen Beliebigkeit wirkt. Ahos Werke, so unterschiedlich sie auch angelegt sind, tragen doch den unverkennbar individuellen Tonfall ihres Schöpfers in sich. Dabei vereinen sie höchstes handwerklich-kompositorisches Niveau mit einem hochdifferenzierten Klangbild bei einer erstaunlich ökonomischen Verwendung von Ressourcen – was Aho mit einem Kammerorchester gelingt, vermag manch anderer nicht mit einem doppelt so großen Apparat. Insofern darf man das von manchen Rezensenten gerne gepflegte Klischee 'ein Konzert genügt' hier eher umdrehen: Bei Kalevi Aho wäre es höchst begrüßenswert, wenn er noch ein drittes Violin- und Cellokonzert folgen ließe.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Kalevi Aho: Violin Concerto, Cello Concerto: Kymi Sinfonietta, Olari Elts

Label:
Anzahl Medien:
BIS Records
1
Medium:
EAN:

CD
7318599924663


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Aho, Kalevi


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BIS Records

Most record labels begin with a need to fill a niche. When Robert von Bahr founded BIS in 1973, he seems to have found any number of musical niches to fill. The first year's releases included music from the renaissance, Telemann on period instruments, Birgit Nilsson singing Sibelius and works by 29 living composers - Ligeti and Britten as well as Rautavaara and Sallinen - next to Purcell, Mussorgsky and Richard Strauss. A musical chameleon was born, a label that meant different things to different - and usually passionate - devotees.


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