
Petersen: Symphony No.3 op.30 - Radioorchester Frankfurt, Constantin Trinks
Problematische Biografik
Label/Verlag: Profil - Edition Günter Hänssler
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Lebensumstände und Geschwister konnte sich Wilhelm Petersen nicht aussuchen.
Der 1890 infolge einer biografischen Besonderheit seiner Eltern in Athen geborene und 1957 in Darmstadt verstorbene Wilhelm Petersen ist kein Musiker, der sich trotz reichen Schaffens großer Bekanntheit erfreut. Dieses Schicksal teilt er mit zahllosen Komponisten seiner Generation, die sich nicht den Tendenzen der Avantgarde anschlossen, sondern weiterhin konsequent tonale Musik nicht zuletzt mit Blick auf ein interessiertes Publikum schufen. Gäbe es nicht Adorno und Konsorten, die tonale Musik im 20. Jahrhundert schlichtweg für überholt und irrelevant erklärten, könnte sich die Musik des Sohnes eines evangelischen Pfarrers durchaus einiger Beliebtheit erfreuen. Petersen führt die Traditionslinien Bruckners, Humperdincks, Richard Wetz' oder anderer fort, vergleichbar etwa Walter Braunfels, Eduard Erdmann, Felix Woyrsch, Paul Graener, Johanna Senfter oder Paul Kletzki.
Ursprünglich, so soll Petersen geäußert haben, habe er nur Sinfonien schreiben wollen. Sein Erstling in c-Moll op. 3 war denn auch 1921 ein beachtlicher Erfolg auf dem Tonkünstlerfest des Allgemeinen Deutschen Musik-Vereins in Nürnberg. Diesem großen Erfolg folgten vier weitere Sinfonien, von denen eine erst posthum erklang. Doch auch sonst profilierte sich Petersen als Komponist, Lehrtätigkeit an der Akademie für Tonkunst in Darmstadt und ab 1935 der Musikhochschule Mannheim sicherten seine wirtschaftliche Existenz. Nach dem Krieg konnte Petersen nicht an seine frühere Biografik anschließen und geriet schon bald in Vergessenheit; ab 1950 komponierte er nicht mehr.
Während seine älteren Brüder Waldemar und Hans Petersen dem Nationalsozialismus nahestanden, lehnte Wilhelm Petersen (wenn auch Mitglied der Reichsmusikkammer und dadurch als Komponist und Dozent an seiner Tätigkeit kaum gehindert) das NS-Regime ab. Schon 1937 wurden Aufführungen seiner Großen Messe op. 27, die seit ihrer Uraufführung 1930 unter Karl Böhm recht erfolgreich gewesen war, verboten.
Tadellose Formgestaltung
Ohne diesen historischen Hintergrund und mit anderer geografischer Verortung könnte sich Petersens Schaffen durchaus größerer Beliebtheit erfreuen. Seine Klangsprache mag man in der 'zweiten Reihe' der Sinfoniker des 20. Jahrhunderts verorten, doch tut das der Musik, die harmonisch durchaus interessant und in der Formgestaltung tadellos ist, im Grunde unrecht. Verglichen mit den Sinfonien Wilhelm Furtwänglers, ist Petersens Dimensionierung kaum knapper - die dreisätzige Dritte Sinfonie cis-Moll op. 30 (1934) dauert eine gute Stunde. Doch kommt, dank vorzüglicher Materialverarbeitung und gutem Formgefühl, nicht das Gefühl von Langatmigkeit auf - möglicherweise auch dank der Wiedergabe durch das Radio-Symphonie-Orchester Frankfurt unter Constantin Trinks, die mit Verve, Freude an der Erkundung der Petersen'schen Klangfarben und gutem Gefühl für Form und Balance das vergessene Werk lebendig werden lassen. Da ist vieles nicht einfach heroisch oder poetisch - wie bei vielen Zeitgenossen eröffnet Petersens Musik ein reiches Spektrum an Facetten und Stimmungen, die liebevoll nicht nur ausmusiziert werden, sondern auch im großen Ganzen den ihr zustehenden Platz erhalten. Der Rezensent zumindest wäre interessiert daran, mehr Musik von Wilhelm Petersen kennenzulernen - seine Messe, Kammermusik, vielleicht sogar seine Oper 'Der Goldne Topf' nach E.T.A. Hoffmann, die aber wie so viel während der Nazizeit entstandene Musik in Deutschland bisher (noch?) von Interpreten und Forschung ignoriert wird.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!
Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel
Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.
Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
![]() Cover vergrößern |
Petersen: Symphony No.3 op.30: Radioorchester Frankfurt, Constantin Trinks |
|||
Label: Anzahl Medien: |
Profil - Edition Günter Hänssler 1 |
Medium:
EAN: |
CD
881488220698 |
![]() Cover vergössern |
Profil - Edition Günter Hänssler Profil - The fine art of classical music
Mehr Info... |
![]() Cover vergössern |
Jetzt kaufen bei... |
Weitere Besprechungen zum Label/Verlag Profil - Edition Günter Hänssler:
-
Zeitlose Klavierkunst : Wilhelm Backhaus spielt Beethoven und Brahms in Aufnahmen von 1927–1939, Weiter...
(Dr. Kai Marius Schabram, )
-
Der junge Friedrich Gulda – remastered: Sternstunden eines zeitlosen Klavierspiels. Weiter...
(Dr. Kai Marius Schabram, )
-
Thielemann dirigiert Wagner-Highlights: In der Edition Günter Hänssler ist ein Konzertmitschnitt von den Salzburger Osterfestspielen von 2021 auf CD erschienen, mit dem ersten Aufzug der 'Walküre' und einem Best-of aus 'Götterdämmerung'. Weiter...
(Dr. Kevin Clarke, )
Weitere CD-Besprechungen von Dr. Jürgen Schaarwächter:
-
Nicht verwandt und nicht verschwägert: Klaviermusik vom Mozart-Freund. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Im Studio und live: Otto Klemperer und die Wiener Symphoniker – Versuch einer Dokumentation. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Bescheiden in der Ambition: Alec Rowley ist ein gewichtiger englischer Komponist der zweiten Reihe. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
Weitere Kritiken interessanter Labels:
-
Russische Cello-Raritäten: Marina Tarasova stellt hier zwei bemerkenswerte russische Cellosonaten des 20. Jahrhunderts vor. Weiter...
(Dr. Jan Kampmeier, )
-
Nicht verwandt und nicht verschwägert: Klaviermusik vom Mozart-Freund. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Federleicht wie Träume: Aufbruch in die Klangwelten Salvatore Sciarrinos. Weiter...
(Michael Pitz-Grewenig, )
Portrait

"Auf der Klarinette den Sänger spielen, das ist einfach cool!"
Der Klarinettist Nicolai Pfeffer im Gespräch mit klassik.com.
Sponsored Links
- Opernreisen und Musikreisen bei klassikreisen.de
- Konzertpublikum
- Musikunterricht
- klassik.com Radio
- Urlaub im Schwarzwald
- Neue Musikzeitung
- StageKit - Websites für Musiker, Veranstalter und Konzertagenturen
Hinweis:
Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers,
nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Die Bewertung der klassik.com-Autoren:
Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich