
Pisendel: Concerti Grossi, Sonatas & Sinfonias - Concerto Köln, Mayumi Hirasaki
Pisendel-Akzent
Label/Verlag: Berlin Classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Ein feines Pisendel-Porträt von Concerto Köln und der Geigerin Mayumi Hirasaki, voller konzertanter Vielfalt, ja Buntheit.
Johann Georg Pisendel (1687-1755) ist ein vertrauter Name, dem aber oft nur im Kontext anderer Zeitgenossen Raum in Programmen geboten wird, der zugleich mit Blick auf das Instrumentalkonzert italienischer Ausprägung eher als ‚Überbringer der Botschaft‘ in den mitteldeutschen Raum hinein, denn als wesentliche kreative Größe anerkannt ist. Dabei hat er viel zu bieten, wie die aktuelle Platte von Concerto Köln und Mayumi Hirasaki bei Berlin Classics zeigt. Pisendel, ein Franke, der über Stationen in Ansbach und Leipzig 1711 als stellvertretender Konzertmeister an den Dresdner Hof kam, avancierte dort rasch zu einer musikalisch prägenden Größe – und das in einer Phase, in der dort mit Heinichen, Zelenka oder Hasse weitere prominente Komponisten von erstaunlicher Qualität und sehr verschiedener personalstilistischer Ausprägung aktiv waren.
Pisendel brachte als Schüler Torellis, als fähiger, ja auffallend begabter Violinist die Welt des instrumentalen Konzerts italienischer Prägung in diesen Dresdner Kosmos ein – neben Torelli wie so viele andere auch beeinflusst durch Vivaldi, dessen Originalität und Klasse zu Beginn des 18. Jahrhunderts nicht in Frage standen.
Concerto Köln und seine langjährige Konzertmeisterin Mayumi Hirasaki fügen aus dieser klingenden Welt ein schönes Programm, das deutlich trägt und in sich stimmig komponiert ist: Es erklingen drei sehr verschieden besetzte, dimensionierte und stilistisch konturierte Konzerte, zwei ebenfalls variant gestaltete Sonaten, dazu eine dreisätzige Sinfonia, am Beginn eine Fanfare für zwei Hörner und Pauken, dazu im Zentrum des Programms eine kompositorische Merkwürdigkeit mit dem Titel ‚Imitation des Caractères de la Danse‘ – in gerade viereinhalb Minuten Dauer so etwas wie eine Miniatur-Suite. Nichts davon ist ‚Ware von der Stange‘, viele stilistische Feinheiten sind zu explizieren – und Pisendel als inspirierter Tonsetzer ist zu feiern.
Musik und Deutung: Inspiriert
Das tut Concerto Köln als spielfreudiges, waches, klanglich fein austariertes Ensemble: Mit Lust und vollem Engagement werfen sich die Akteure für Pisendels feine Werke in die Bresche. Satzcharaktere werden genüsslich ausgeformt, süffige Linien erkundet, auch Momente perkussiver Bissigkeit nicht gemieden. Das Ensemble macht mit entschlossener Geste die erstaunliche Vielschichtigkeit im Komponieren Pisendels erfahrbar, ohne bei diesem Bildungsparcours in eine dozierende Haltung zu verfallen.
Mayumi Hirasaki spielt eine – im ansonsten überzeugenden Booklet nicht näher vorgestellte – Violine des venezianischen Geigenbauers Domenico Montagnana und kultiviert auf dem Instrument einen geschmeidigen, gelegentlich schmalen, doch auch zu wunderbarer Blüte fähigen Ton. Sie fühlt sich in die variabel gehaltenen Partien hörbar ein und präsentiert – das Solo stand auch bei Pisendel im Zentrum des hörenden Interesses – beinahe beiläufig ihre sattelfeste Technik, wirksam bis hin zur scharfen Attacke etwa im beschließenden Allegro assai des B-Dur-Konzerts.
Gemeinsam mit Concerto Köln durchmisst die Violinistin ein reich differenziertes dynamisches Tableau, auch die Tempi folgen keiner starren Schematik. Artikulatorisch wird ein Füllhorn an Varianten ausgeschüttet – von beherzt gesetzter klanglicher Härte bis zum sensiblen, innigen Aussingen schöner Kantilenen: Man lässt nichts unversucht, das Bild entsprechend dem abwechslungsreichen Satz Pisendels zu gestalten. Dabei gerät die Intonation – solistisch wie im Orchester – makellos, ist auch in forscher Attacke oder technischer Avance nie gefährdet. Das Klangbild der Produktion ist sehr aufgeräumt und strukturklar, in feiner Balance befindlich: Der Kammermusiksaal des Deutschlandfunks ist einfach ein hervorragend geeigneter Aufnahmeort für Musik, die nach einem differenzierten Abbild verlangt.
Ein feines Pisendel-Porträt von Concerto Köln und der Geigerin Mayumi Hirasaki, voller konzertanter Vielfalt, ja Buntheit. Es deutet Pisendel in dieser Vielfalt zumindest an, vertraut dabei zugleich komplett auf dessen kompositorische Qualitäten. Ein schöner Akzent.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Pisendel: Concerti Grossi, Sonatas & Sinfonias: Concerto Köln, Mayumi Hirasaki |
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Label: Anzahl Medien: |
Berlin Classics 1 |
Medium:
EAN: |
CD
885470028088 |
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Pisendel, Johann Georg |
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Berlin Classics Berlin Classics (BC) ist das Klassik-Label der Edel Germany GmbH. Es ist das Forum für zahlreiche bedeutende historische Aufnahmen, wichtige Beiträge der musikalischen Zentren Leipzig, Dresden und Berlin sowie maßgebliche Neuproduktionen mit etablierten und aufstrebenden jungen Klassik-Künstlern. Dazu zählen etablierte Stars, wie z.B. die Klarinettistin Sharon Kam, die Pianisten Ragna Schirmer, Sebastian Knauer, Matthias Kirschnereit, Anna Gourari und Lars Vogt, die Sopranistin Christiane Karg oder auch die Ensembles Concerto Köln, Pera Ensemble, sowie der Dresdner Kreuzchor und das Vocal Concert Dresden. Mehrfach wurden Produktionen mit einem Echo-Preis ausgezeichnet. Im Katalog von Berlin Classics befinden sich Aufnahmen mit Kurt Masur, Herbert Blomstedt, Kurt Sanderling, Franz Konwitschny, Hermann Abendroth, Günther Ramin, Peter Schreier, Ludwig Güttler, Dietrich Fischer-Dieskau, die Staatskapellen Dresden und Berlin, das Gewandhausorchester Leipzig, die Dresdner Philharmonie, die Rundfunkchöre Leipzig und Berlin, der Dresdner Kreuzchor und der Thomanerchor Leipzig. Sukzesssive wird dieses historische Repertoire für den interessierten Hörer auf CD wieder zugänglich gemacht, wobei die künstlerisch hochrangigen Analogaufnamen mit größter Sorgfalt unter Anwendung der Sonic Solutions NoNoise-Technik bearbeitet werden, um sie an digitalen Klangstandard anzugleichen. Mehr Info... |
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