> > > Heldentenor Horst Wolf: Werke von Wagner, Puccini, Verdi
Freitag, 9. Juni 2023

Heldentenor Horst Wolf - Werke von Wagner, Puccini, Verdi

Phönix aus der Asche


Label/Verlag: Querstand
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Diese Box 'Die wiederentdeckte Stimme' macht dem Plattensammler Freude und lässt einen abtauchen in Welten, die als verstummt gegolten hatten.

Zahlreiche große Stimmen der vergangenen über einhundert Jahre sind in unterschiedlicher Quantität (und auch Qualität) dokumentiert worden. Auf diese Weise sind viele Namen im Gedächtnis der interessierten Hörerschaft geblieben, die einem breiten Publikum sicherlich eher unbekannt sein dürften. Vom Heldentenor Dr. Horst Wolf (1894-1980) hat aber wohl hauptsächlich das Dessauer Opernpublikum gehört – und seit Wolfs Lebenserinnerungen ‚Die Wolfserzählung‘ im Jahr 2020 als Buch herauskamen, nahmen vielleicht auch überregional Opernfans Notiz von dem einst umjubelten Sänger des Dessauer Theaters. Aufnahmen des vielseitigen Tenors galten gemeinhin als nicht existent, verloren oder zerstört. Einzig ein Rundfunkmitschnitt der Arie des Riccardo aus Giuseppe Verdis ‚Un ballo in maschera‘ aus dem Jahr 1936 konnte 2020 als kleine Sensation im Rahmen der Buchveröffentlichung präsentiert werden.

Die weitaus größere Sensation ist aber die Wiederentdeckung und aufwendige Restaurierung von Privatbändern aus Wolfs Besitz, die einem Hausbrand zum Opfer gefallen waren. Es war letztlich undenkbar, die Bänder mit ihren Wasser-, Brand- und Rußschäden wieder anhörbar zu machen. Und doch ist es gelungen. Im vergangenen Jahr konnte beim Label ‚querstand‘ eine Box mit fünf CDs herausgebracht werden, die die Stimme von Horst Wolf – seinen hier unablässig aufgeführten Doktortitel hatte er als Ingenieur erworben – mit Aufnahmen aus den 1950er-Jahren wieder aufleben lässt. Es sei vorausgeschickt: Schmerzlich vermisst hatte die Opernwelt außerhalb Dessaus diese Aufnahmen bislang vermutlich nicht. Aber sie sind von großem historischem Interesse, zeigen sie doch die mustergültige, hohe musikalische Qualität, die damals in einem sogenannten ‚Provinz-Theater‘ auf die Bühne gebracht wurde. Und für alle Dessauer Opernfreunde jener Tage ist die vorliegende Box ein wertvoller Schatz Zeitgeschichte, der voll mit persönlichen Erinnerungen sein dürfte.

Sorgfalt und Eloquenz

Was bei allen hier vertretenen Ausschnitten auffällt, ist die enorme Sorgfalt und Eloquenz, mit der die Sängerinnen und Sänger inkl. Horst Wolf ihre Partien meistern und erfüllen. Vieles klingt im besten Sinne ‚altmodisch‘ mit einem gehörigen Schuss Opernpathos und für heutige Ohren überdimensionierter Ergriffenheit durch die Vokalsolisten. Die in der mittlerweile rudimentär existierenden Sekundärliteratur gelobte Rom-Erzählung aus dem ‚Tannhäuser‘ ist da fast auf der Kante zur Opernparodie – aber eben auch nur fast. Beeindruckend mit welcher Tonschönheit und zugleich virilen Klanggewalt Horst Wolf seine Heldenpartien auszustatten weiß. Das klingt gesund, technisch sorgenfrei und klug im Umgang mit den Ressourcen. Wolf weiß, wann er wieviel geben kann, um das Ende einer langen Wagner-Oper mit genügend ‚Rücklagen‘ zu erreichen und final noch Effekte setzen zu können. Wie schade, dass in den Ausschnitten aus den ‚Meistersingern‘ vom Oktober 1956 diesbezüglich das Preislied nicht enthalten ist. Auch wenn Horst Wolf bereits 62 Jahre alt ist, gelingt ihm in dieser Aufführung immer noch eine erstaunlich jugendliche Interpretation.

Auf den fünf CDs gibt es neben dem erwähnten Stolzing auch fast 80 Minuten aus einem ‚Tannhäuser‘ von 1954 zu hören, aus dem selben Jahr auch einen halben ersten Aufzug aus der ‚Walküre‘ mit einer jubilierenden und wunderbar textdeutlichen Emmy Prell als Sieglinde, ebenfalls Wolfs ‚Tannhäuser‘-Elisabeth, die Senta im Duett aus dem ‚Fliegenden Holländer‘, die Elsa in den wenigen ‚Lohengrin‘-Minuten und die ‚Aida‘ im Ausschnitt aus dem dritten Akt von Verdis gleichnamiger Oper. Dies ist weiterhin ein spannender Aspekt der Veröffentlichung: das Nachvollziehen eines vielseitigen Ensembles, das neben den großen Wagner-Werken auch Puccini, Verdi oder d’Alberts ‚Tiefland‘ bestreitet.

Die großen Szenen aus ‚Tiefland‘ sind aus einer Vorstellung vom Juni 1956 vertreten und zeigen Horst Wolf in erstaunlicher Form. Die Marta ist Vilma Fichtmüller, die ebenso als Isolde in Ausschnitten vom Mai 1955 und als Kundry im ‚Parsifal‘ zu hören ist. Ein bekannter Name springt dem Opernliebhaber ins Auge: Peter Roth-Ehrang. Der junge, viel zu jung verstorbene Bass ist als Hunding und Hagen in der ‚Götterdämmerung‘ mit von der Partie.

Beeindruckend ist die Selbstsicherheit und Furchtlosigkeit, mit der Horst Wolf zwischen so unterschiedlichen Anforderungen wie Tristan oder Siegfried und dann wieder Cavaradossi oder Radamès hin- und herspringt. Bei Puccini und Verdi hört man freilich keine mühevoll erzeugte Italianità, sondern eine gesunde Stimme, die mit ihren Möglichkeiten eine Figur entstehen lässt. Dass selbstverständlich alle hier erklingenden Werke in deutscher Sprache gesungen werden, tut das Übrige.

Diese Box ‚Die wiederentdeckte Stimme‘ macht dem Plattensammler Freude und lässt einen abtauchen in Welten, die als verstummt gegolten hatten. Was für ein Abenteuer.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Heldentenor Horst Wolf: Werke von Wagner, Puccini, Verdi

Label:
Anzahl Medien:
Querstand
5
Medium:
EAN:

CD
4025796022070


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Albert, Eugen d´
Puccini, Giacomo
Verdi, Giuseppe
Wagner, Richard


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Querstand

Mit viel Liebe zum Detail bringt das querstand-Label dem interessierten Hörer die Vielfalt und Schönheit der klassischen Musik auf wenig ausgetretenen Pfaden näher. Das Label hat sich seit 1994 durch die Produktion hochwertiger klassischer CDs einen ausgezeichneten Ruf erworben. Über 500 Produktionen werden weltweit vertrieben, wobei ein Augenmerk auf Orgelmusik liegt. Die Gesamteinspielung der Orgelwerke von Johann Ludwig Krebs (bisher 11 CDs) und des Kantaten- und Orchesterwerkes des berühmten Bachschülers bilden ein Glanzlicht des Labels, dem mit der Serie ?Die Orgeln von Gottfried Silbermann? (8 CDs) ein weiteres zur Seite gestellt wurde (Jahrespreis der deutschen Schallplattenkritik 2003). Auch im kammermusikalischen und sinfonischen Bereich wurden zahlreiche CDs veröffentlicht, etwa mit dem Gewandhausorchester Leipzig. Mit der Aufnahme des Passionsoratoriums ?Der Tod Jesu? von Carl Heinrich Graun mit dem MDR Rundfunkchor und dem MDR Sinfonieorchester unter Howard Arman gewann das Label 2005 einen ECHO Klassik-Award. Im Jahre 2013 erhielt die 9-CD-Box mit allen Sinfonien Anton Bruckners, eingespielt von Herbert Blomstedt mit dem Gewandhausorchester Leipzig, den ICMA (International Classical Music Award). Mit Verlagssitz im Thüringischen Altenburg kann querstand von der einzigartigen Vielfalt der mitteldeutschen Musiklandschaft profitieren, die sich auch im Verlagsprogramm niederschlägt. Neben den vielseitigen Einflüssen der fantastischen Orgellandschaft der Region, ist es auch die Nähe zur Musikstadt Leipzig mit ihrer wunderbaren Tradition und facettenreichen Szene, auf die das Label besonderes Augenmerk richtet.


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