
Telemann: Kantaten - Gutenberg Soloists, Neumeyer Consort, Felix Koch
Fortgesetzt gelungen
Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Zu verzeichnen ist der erfreuliche Fortgang eines feinen Projekts: Mit Telemanns Kantaten sind Felix Koch und seine Ensembles auf einem interpretatorisch überzeugenden wie mit Blick auf das Repertoire lohnenden Weg.
Schon den Auftakt der erstmaligen Gesamteinspielung eines ganzen Jahrgangs von Kantaten Georg Philipp Telemanns, des sogenannten Französischen Jahrgangs von 1714/15, mit den jungen Ensembles der Gutenberg Soloists und des Neumeyer Consorts hatte Felix Koch mit sicherer Hand zu einem bemerkenswerten Erfolg geführt – auf künstlerischer Ebene wohlgemerkt, und damit weit über die ohnedies löblichen diskografischen und – in Zusammenarbeit mit dem australischen Musikverlag Canberra Baroque – editorischen Verdienste hinaus. Jetzt liegt der zweite Teil der Reihe vor, wiederum zwei Platten mit randvollem Programm von neun Kantaten. Auf der ersten Platte sind zwei Kantaten der Fastenzeit mit dreien für die Ostertage verknüpft, auf der zweiten sind diejenigen für den 22. bis 24. Sonntag nach Trinitatis zu hören.
Der Kantatenjahrgang insgesamt ist an der Nahtstelle von Telemanns Eisenacher und Frankfurter Zeit entstanden und zeigt den gut 30jährigen Komponisten mit der mitteldeutschen Kantatentradition ebenso vertraut wie mit dem spezifischen Einfluss der französischen Ästhetik. Dazu kam die formal prägende und geistlich gewiss inspirierende Zusammenarbeit Telemanns mit dem innovativen Theologen und Textdichter Erdmann Neumeister, mit dem der Komponist seit seiner Zeit im schlesischen Sorau vertraut war und der auch dem Zeitgenossen und Kantatenkomponisten Johann Sebastian Bach manch hochklassiges Textbuch verschaffte.
Telemanns Kantaten des Französischen Jahrgangs im Rahmen des von Felix Koch mit vielen Partnern und Institutionen betriebenen Projekts kennenlernen zu können, ist schon jetzt als ein bleibendes Verdienst der Reihe zu beschreiben. Und auch mit Blick auf die Musik selbst bleibt Lohnendes: Zwar mag manche Geste – zum Beispiel in dezidiert schlicht gehaltenen Chören oder Chorälen – dem an den Kantaten Bachs geschulten Ohr etwas lapidar erscheinen. Doch gibt es auch scharf akzentuierte, dramatisch gezeichnete Gegenbeispiele. Überdies ergibt sich im Zusammenwirken mit den charaktervoll ausformulierten Arien ein typisches Telemann-Gepräge, das kennenzulernen deutlich lohnt.
Frische Kräfte
Chorisch wird das Geschehen von den Gutenberg Soloists als zwölfköpfigem Kammerchor getragen. Selbstverständlicher Teil der Register sind die vier Vokalsolisten. Das Ergebnis ist ein schlanker, beweglicher, luzider ‚Telemann-Klang‘, versehen mit einer natürlichen, ebenfalls leichten Diktion. Das Ensemble ist in der Lage, sich zu kompakterer kammerchorischer Geste zu versammeln; besonders die zweite Platte bietet in dieser Hinsicht reichlich attraktives ‚Chor-Futter‘. Die Choräle gelingen in fabelhaft schlichter Sammlung – ganz dem kompositorischen Weg Telemanns entsprechend, der hier auf nicht zu avancierte Grundgesten setzt und auf allzu harsche harmonische Wendungen verzichtet.
Zwei verschiedene Quartette von Soli prägen das Bild, jeweils aus zwei erfahrenen und zwei Nachwuchsstimmen gebildet. Den ersten Vierer bilden Sabine Goetz (Sopran), Lieselotte Fink (Alt), Fabian Kelly (Tenor) und Hans Christoph Begemann (Bass), den zweiten Julie Grutzka (Sopran), Luca Segger (Altus), Hans Jörg Mammel (Tenor) und Gotthold Schwarz (Bass) – Jugendlichkeit also neben arrivierter Klasse. Auffällig ist das bereits erreichte Niveau der Jüngeren, die das Geschehen mit erstaunlicher Souveränität mitbestimmen. Natürlich sind Hans Christoph Begemann mit dramatisch-expressiver Fähigkeit, Hans Jörg Mammel mit schlanker Eloquenz oder Gotthold Schwarz mit sprachmächtiger Sonorität auffallende Größen. Doch bestechen der schlanke, höhensichere Tenor von Fabien Kelly ebenso wie der Altus Luca Segger mit seiner androgynen Eleganz. Das sängerische Vermögen der Soli deckt die fahleren Farben der Passionskantaten ebenso ab wie es gesteigerte Festivität und die anvertraute Virtuosität ermöglicht.
Das Neumeyer Consort agiert in ebenfalls schlanker, kammermusikalischer Besetzung. Streicherregister von schimmernder Schönheit und feiner Konzentration grundieren einen entspannten Ensembleklang. Im weiteren Verlauf des Programms erweitert sich diese Basisbesetzung – zu vermehrter Farbigkeit und punktueller Prachtentfaltung.
Tempi und dynamische Proportionen sind variabel gestaltet, doch klaren Zuschnitts. Intoniert wird in den sehr verschiedenen vokalen und instrumentalen Konstellationen gleichermaßen frei wie stabil. Und Erdmann Neumeisters Texte haben nicht nur den in dieser Hinsicht inventionsreichen Telemann geleitet, sie inspirieren hörbar auch die vokale wie instrumentale Ebene dieser Interpretationen. Das Klangbild ist klar und aufgeräumt, sehr gut in Struktur und Balance; es vermittelt – mitinterpretierend gewissermaßen – einen trefflichen Eindruck dieser durchaus reichen Musik.
Zu verzeichnen ist der erfreuliche Fortgang dieses feinen Projekts: Mit Telemanns Kantaten sind Felix Koch und seine Ensembles auf einem interpretatorisch überzeugenden wie mit Blick auf das Repertoire lohnenden Weg. Telemann als Schöpfer geistlicher Musik stärker zu profilieren ist nach wie vor geboten: Hier wird ein vernehmlicher Beitrag dazu geleistet, mit beachtlichen systematischen Qualitäten. Man darf gespannt auf die nächsten Folgen sein, die sicher wie bisher eine Fülle wunderbarer Preziosen ausbreiten werden.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Telemann: Kantaten: Gutenberg Soloists, Neumeyer Consort, Felix Koch |
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Label: Anzahl Medien: |
cpo 2 |
Medium:
EAN: |
CD
761203543724 |
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Telemann, Georg Philipp |
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cpo Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
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