> > > Die Kunst des Sterbens - Ars moriendi: Ensemble il capriccio, Franz Vitzthum
Freitag, 31. März 2023

Die Kunst des Sterbens - Ars moriendi - Ensemble il capriccio, Franz Vitzthum

Ars moriendi


Label/Verlag: Genuin
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Ein feines Album – niemand sollte sich von Titel und eher düsterer Aufmachung schrecken lassen. Franz Vitzthum ist in lyrischer Hochform zu erleben.

Die aktuell bei Genuin erschienene Platte ‚Die Kunst des Sterbens – Ars moriendi‘, die das Ensemble il capriccio gemeinsam mit dem Countertenor Franz Vitzthum herausgebracht hat, knüpft an die barocke Welt ganz unmittelbar an, der der Tod so viel näher, ja vertrauter war als unserer Gegenwart – wenngleich auch dem barocken Menschen Trauer und Klage um liebe Verstorbene selbstverständlich waren. Exemplarisch macht Bernhard Schrammek das im Einführungstext an wenigen Lebenstatsachen Johann Sebastian Bachs deutlich, dessen Musik das Album maßgeblich prägt: Bach verlor im Lauf seines Lebens neben den Eltern auch sämtliche Geschwister und elf seiner Kinder.

Bach war wohl gerade wegen dieses Erfahrungshintergrunds herausragend in der künstlerischen Sublimation und Aneignung dieser Gedanken- und Gefühlswelt: Das im Programm üppig vertretene Rätselwerk der ‚Kunst der Fuge‘ bietet reichen dahingehenden Reflektionsraum, ebenso wie die Welt der schlicht gefassten oder kunstvoll bearbeiteten Choräle – diese Ebenen machen den Kern der Platte aus. Der Rahmen verweist auf zwei weitere, für das Thema kaum weniger typische Stränge musikalischer Überlieferung: Mit Johann Christoph Bachs ‚Es ist nun aus mit meinem Leben‘ wird an die Welt der älteren Bach-Dynastie angeknüpft, deren kompositorisches Werk gerade an eindringlichen Klagegesängen so überreich ist. Und am Schluss erklingt mit der Arie ‚Vergnügte Ruh, beliebte Seelenlust‘ aus der gleichnamigen Kantate BWV 170 ein Satz, der stellvertretend für Bachs facettenreiches Kantatenwerk steht, das in vielen Konstellationen Sterben, Tod und Glauben an die Auferstehung gewidmet ist. Die Arie ist ein exzellentes Beispiel für diesen auch affektiv gänzlich anderen Blick auf den Tod – voller Freude und Zuversicht, ja gelöster Heilsgewissheit.

Große Lyrik

Der Countertenor Franz Vitzthum singt Arien und Choräle mit magisch schöner Stimme, ausgeglichen in den Registern, mit plastisch klar geformtem Ton. Vor allem sind es herausragende lyrische Qualitäten, die sich im Grunde ideal verströmen, etwa im Choral ‚Erbarm dich mein, o Herre Gott‘ BWV 721; auch die ‚Fuga a tre Sogetti‘ aus der ‚Kunst der Fuge‘ kennt eine elegant eingeflochtene Chorallinie von traumhafter Schönheit. Das ariose Finale schließlich ist voller mild bewegter Anmut.

Das Ensemble il capriccio um den Geiger Friedemann Wezel expliziert die Kontrapunkte luzide, lebendig und mit dezidierter Musikalität – die Streicher denken beim Spielen, grübeln aber nicht. Sie kosten die strukturellen Qualitäten der Musik ebenso aus wie sie der spezifischen Sonorität ihres Zusammenspiels Raum geben. In begleitender Haltung ist das Spiel geschmackvoll, ein wahrhaft edles Klanggewand webend, wozu die von Evelyn Laib gespielte, an Farben und Substanz angenehm reiche Truhenorgel von Benjamin Buob maßgeblich beiträgt.

Das Programm wird angemessen lebendig gestaltet, choraliter verströmt sich selige Ruhe. Vokal wird ganz und gar der Lyrik verpflichtet phrasiert, die Deutung der Kontrapunkte liebt selbsterklärend die Strukturen und ist in dieser Hinsicht sensibel für die Komplexität des Satzes. Das Klangbild greift das Moment des Intimen, Gesammelten von Musik und Besetzung sehr gelungen auf, gestaltet in dieser technischen Anverwandlung ästhetischer Absichten interpretatorisch mit.

Ars moriendi: Ein feines Album – niemand sollte sich von Titel und eher düsterer Aufmachung schrecken lassen. Franz Vitzthum ist in lyrischer Hochform zu erleben.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Die Kunst des Sterbens - Ars moriendi: Ensemble il capriccio, Franz Vitzthum

Label:
Anzahl Medien:
Genuin
1
Medium:
EAN:

CD
4260036258004


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Bach, Johann Christoph Friedrich
Bach, Johann Sebastian


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Genuin

Im Jahr 2002 standen die jungen Tonmeister von GENUIN vor einer wichtigen Entscheidung: Sollte man sich weiterhin lediglich auf das Aufnehmen und Produzieren konzentrieren, oder auf die zahlreichen Nachfragen und positiven Rückmeldungen von Musikern und Fachzeitschriften eingehen und ein eigenes Label ins Leben rufen? In einer Zeit, in der praktisch alle großen Klassik-Label ihre Produktion eingestellt oder zumindest stark gedrosselt hatten, fiel die Entscheidung nicht leicht – aber sie fiel einstimmig aus: zugunsten einer offiziellen Vertriebsplattform für die GENUIN-Aufnahmen. Und der Erfolg hat nicht lange auf sich warten lassen.

Das Label GENUIN hat sich in seinem zwölfjährigen Bestehen zu einem Geheimtipp unter Musikern und Musikliebhabern entwickelt. Schon vor dem Leipzig-Debüt im Oktober 2004, einem Antrittskonzert im Robert-Schumann-Haus mit Paul Badura-Skoda, wurden die CDs in den deutschlandweiten Vertrieb gebracht und von Fachpresse und Musikerwelt hochgelobt. Inzwischen werden GENUIN-CDs in den meisten Ländern Europas sowie in Japan, Süd-Korea, Hongkong und den USA vertrieben.

Das Erfolgsrezept von GENUIN: Die gesamte Produktion, also die Beratung der Künstler bei Aufnahmeraum und Repertoire, die Vorbereitung und Durchführung der Aufnahme selbst, der Schnitt mit allen notwendigen Korrekturen, generelle Entscheidungen beim Cover- und Bookletentwurf bis hin zur fertigen Veröffentlichung liegen in der Hand der Tonmeister. Nur so haben die Musiker den größtmöglichen Entfaltungsspielraum bei der Einspielung und Gestaltung ihrer CDs. Und gleichzeitig kann bis zuletzt eine gleichbleibend hohe Qualität garantiert werden.

GENUIN bietet auch abseits ausgetretener Pfade etablierten Künstlern genauso wie der Nachwuchsgeneration die Möglichkeit, Musik nach eigenen Vorstellungen zu verwirklichen. Das macht sich positiv bemerkbar für die Hörer der mittlerweile mehr als 300 GENUIN-CDs mit Interpreten wie Paul Badura-Skoda, Nicolas Altstaedt oder der Dresdner Philharmonie.


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