
Mozart: The Prussian Quartets - Chiaroscuro Quartet
Preußische Quartette
Label/Verlag: BIS Records
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Mozart, sehr feinfühlig auf Darmsaiten eingespielt.
Die drei sogenannten "Preußischen Quartette" von Wolfgang Amadeus Mozart entstanden im Anschluss an dessen Reise über Dresden und Leipzig nach Berlin, die der Komponist am 8. April 1789 gemeinsam mit seinem Freimaurer-Logenbruder Fürst Karl von Lichnowsky angetreten hat. Der preußische König Friedrich Wilhelm II. bestellte diesbezüglich bei Mozart sechs Streichquartette und sechs Klaviersonaten für 100 Friedrich d'or. Ein Angebot, die gutdotierte Hofkomponistenstelle in Berlin zu übernehmen, lehnte Mozart ab. Weil der König selbst Cello spielte, fühlte sich Mozart in dieser Hinsicht bei der Quartettkomposition besonders herausgefordert und bedachte das Instrument mit einer hervorgehobenen Rolle.
Eine neu erschienene, exzellente Aufnahme mit dem Chiaroscuro Quartett - das sind Alina Ibragimova, Pablo Hernán (Violinen), Emilie Hörnlund (Viola) und Claire Thirion - wird allen Belangen dieser Werke besonders gerecht, wenn der Hörer sich auf diese - sagen wir einmal moderne Art zu musizieren - einlässt. Denn hier wird nicht mit dem Holz-Hammer drauflos gebolzt, sondern in feinziselierter Manier (auf Darmsaiten) Werkinterpretation betrieben. Technisch sind die vier Künstler über jeden Zweifel erhaben und widmen sich ganz der Musik, die hier eine nuancierte, besonders dynamisch in zartesten Tönen abgestufte Wiedergabe findet: So ist der Kopfsatz von KV 575, dem Streichquartett in D-Dur für zwei Violinen, Viola und Violoncello ganz besonders gespielt: schon der anfängliche "Flüsterton" (sotto voce) trifft Mozarts Empfehlungen/Empfindungen und Absichten ziemlich authentisch. Das Zusammenspiel der vier Musiker wird hier hoch gehalten, die Intonation ist fast immer sauber und harmonisch wohlgefällig und das schließt ausdrücklich den heiklen Violoncellopart ein. Dafür muss man hart arbeiten, das in solch exemplarischer Güte hinzubekommen. Geheimnisvoll gelingt der Übergang zur Durchführung, der es nicht an Nerv und Gestaltungskraft fehlt. Auch in der Reprise kommt Mozarts gelungenes Ebenmaß der Proportionen gut zur Geltung. So lieblich wie der Einstieg begann, spielt das 2005 gegründete Ensemble auch das "Andante". Alina Ibragimova verzichtet dabei uneigennützig auf großartige Selbstdarstellung und verklebt ihr Solo ab T.19 nicht unnötig mit Vibrato. Das macht den Klang fast brüchig, angreifbar, aber sie nimmt das in Kauf zugunsten eines sehr natürlich-nebulösen, fast unnahbaren Gesamteindrucks ihres Spiels. Das Tänzerische, Humorvolle kehren die vier gebührend im "Menuetto. Allegretto" nach außen und da steckt die freudige Musizierlaune der Künstler an. Hochvirtuos geht es im Finalsatz "Allegretto" zu, der leider nicht ganz perfekt ausgeführt ist, auch weil das Tempo an der natürlichen Obergrenze angesiedelt ist. Aber der lichte Duktus des Rondos wird hier unschlagbar eingefangen. Niemals pressen die Musiker und in 5'48 Minuten ist der Spuk vorbei.
Das zweite Quartett in B-Dur KV 589 ist ganz anders in seinem Charakter und seiner Wirkung: Auch hier ein Allegro als Kopfsatz, aber nun ein swingender Dreiviertel. Auch hier nimmt das Cello eine solistische Schlüsselstellung ein, die der Tonmeister aber etwas zu stiefmütterlich abgebildet hat, sprich, das Cello hätte durchaus etwas brillanter, vor allem klarer eingestellt werden dürfen. Es bleibt hier zu bescheiden. Herb und nachdenklich wird es, wenn die Durchführung nach f-Moll moduliert. Dass hier - wie bei allen Sätzen der Aufnahme - die Wiederholung des zweiten Teils gespielt wird, ist sehr zu loben. Das führt zu der ursprünglich von Mozart vorgesehenen Proportion. Auch im "Larghetto" schleichen sich wieder leichte Balancedefizite ein: Bratsche und Violine II sind im Verhältnis zum Cello, das die Melodie vorträgt, wohl zu dominant. Die erste Violine kann da mehr brillieren. Überhaupt wird hier alles sehr Legato gehalten. Kurze Noten, auch die mit den Keilen, werden niemals wirklich kurz (staccato) genommen.
Auf höchstem Niveau
Allgemein kann konstatiert werden: Dieses Spiel ist nicht so konzertant wie in Vergleichsaufnahmen, sondern eher zurückhaltend-introvertiert. Der Rhythmus zu Anfang des "Menuetto" ist leider etwas verschluckt. Das harmonisch wirklich spannende Trio entschädigt aber und auch das Finale im 6/8-Takt wird vom Chiaroscuro-Quartet spritzig und mit voller Verve angestrichen, so dass es Lust weckt, ein Live-Konzert der vier zu erleben. Wer diesen Satz aufmerksam studiert, weiß, wo Beethoven seine Ideen sammelte. Das Spiel der vier ist Kammermusik auf höchstem Niveau.
Dieser Eindruck bleibt konstant auch beim 23., dem letzten Mozartschen Streichquartett, erhalten, jenem bezaubernden Werk in F-Dur KV 590 am Schluss der neuen BIS-Produktion. Wieder blüht das Cello Claire Thirions sternengleich auf. Die Mittelstimmen füllen ordentlich den Satz, so dass Primaria Alina Ibragimova geigerisch unangefochten obenauf dazu schwelgen kann. Zugleich hat der Satz eine Bachsche Strenge, die ihn so klassisch (3 Sätze des Quartetts verwenden die Sonatenhauptsatzform!) erscheinen lässt. Hier im Werk ist viel miteinander verknüpft: Melancholie Wiens, schlankes italienisches Flair, Salzburger Charme und noch vieles mehr. All diese Aspekte werden hier angeschlagen, verarbeitet und sind merklich von den Interpreten reflektiert worden. Schummerig ist die Sichtweise des Chiaroscuro Quartett auf das "C-Dur Andante", denn auch das Forte wird hier nicht wirklich kraftvoll ausgespielt. Mozart wird hier zurückhaltend gedacht. Mehr Biss hat durchaus das "Menuett.Allgretto" und erst recht das zeitlich mit fast 11' Dauer ausgedehnte furiose finale "Allegro", bei der sich Violine I und Bratsche zunächst ein Duell leisten. Die erbarmungslose Strenge mit der hier geglänzt wird, auch, wie hier die virtuosen Passagen gemeistert werden ohne Ruckler, ist genial.
Insgesamt eine sehr schöne Mozart-Platte!
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Mozart: The Prussian Quartets: Chiaroscuro Quartet |
|||
Label: Anzahl Medien: |
BIS Records 1 |
Medium:
EAN: |
CD SACD
7318599925585 |
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Mozart, Wolfgang Amadeus |
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BIS Records Most record labels begin with a need to fill a niche. When Robert von Bahr founded BIS in 1973, he seems to have found any number of musical niches to fill. The first year's releases included music from the renaissance, Telemann on period instruments, Birgit Nilsson singing Sibelius and works by 29 living composers - Ligeti and Britten as well as Rautavaara and Sallinen - next to Purcell, Mussorgsky and Richard Strauss. A musical chameleon was born, a label that meant different things to different - and usually passionate - devotees. Mehr Info... |
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