> > > Becker: Sacred Concertos & Sonatas: Hamburger Ratsmusik, Simone Eckert
Samstag, 3. Juni 2023

Becker: Sacred Concertos & Sonatas - Hamburger Ratsmusik, Simone Eckert

Stimme des Nordens


Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Die Geistlichen Konzerte von Dietrich Becker bringen eine schöne Farbe in die Reihe ähnlicher Kompositionen der Zeit ein. Dazu bieten die unbedingt hochklassigen Sonaten eine noble Einbettung.

Viele kompositorische Stimmen des Barock sind in den vergangenen Jahren wieder verstärkt zu Gehör gekommen – Dietrich Becker, geboren 1623 und gestorben 1679, ist dabei hauptsächlich als eminenter Instrumentalkünstler des Nordens vernehmlich geworden. Becker, wohl gebürtig im Hamburg, absolvierte Stationen als Organist und Instrumentalist in Woldenhorn – heute Ahrensburg – und Celle, war zwischenzeitlich kurz an einem schwedischen Privathof tätig, fand schließlich seinen Weg nach Hamburg, wurde dort Nachfolger von Johann Schop als ‚director musices‘ und vornehmster der acht Ratsmusiker. Als Interimsnachfolger von Christoph Bernhard leitete er zeitweilig die Musik an den Hamburger Hauptkirchen, ähnlich im Fall des Collegium Musicum, das Becker im Interim nach dem Tod Matthias Weckmanns anführte. Schließlich wurde ihm die Position des Kantors am Hamburger Dom übertragen, die er parallel zu seiner Arbeit als Ratsmusiker bis zu seinem Tod bekleidete.

Das Ensemble Hamburger Ratsmusik um die Gambistin Simone Eckert stellt im Programm seiner aktuell beim Label cpo erschienenen Platte neben einige der wirklich erlesenen, so variantenreichen wie leuchtkräftigen Sonaten fünf teils ausgreifend dimensionierte Geistliche Konzerte, die sehr klar machen, dass Dietrich Becker sehr viel mehr war als der apostrophierte Instrumentalmeister: In den Konzerten bewegt er sich auf der Höhe seiner Zeit, deutet, wiewohl der größere Teil der vokalen Partien kompakt und syllabisch gearbeitet ist, mit souveräner Geste Texte in musikalischen Entsprechungen aus. Einige der Werke sind in der berühmten Düben-Sammlung überliefert, andere in der kaum weniger relevanten Bokemeyer-Sammlung. Mit seinem Lebensweg, der Charakteristik seines Schaffens und der Art der Überlieferung ist Becker ein typisches Beispiel für die Einbindung in grenzüberschreitende Netze des Austauschs jener Zeit. Besondere Erwähnung sollen zwei Auftragswerke für das seinerzeit dänische Glückstadt finden – mit den Titeln ‚Selig sind die Toten‘ und ‚Es ist ein großer Gewinn‘ sind es ausgreifende Trauermusiken von bemerkenswerter Reife, die den selbstbewussten Künstler exemplarisch zeigen.

Erfahren und stilsicher

Das Ensemble Hamburger Ratsmusik ist eine erfahrene, stilsichere Formation, die dem Gedanken der innigen kammermusikalischen Verbindung verpflichtet ist: Makellos ist das Zusammenspiel, aktiv gestaltet sind Linien und Gesten. Es wird sprachnah phrasiert, zugleich werden der Sphäre des Syllabischen vor allem in den Sonaten, aber auch in manchem Ritornell entschieden Momente von instrumentaler Eigenidiomatik entgegengesetzt. In der Besetzung mit Christoph Heidemann, Gabriele Steinfeld und Micaela Storch-Sieben (Violinen), Hermann Hickethier und Barbara Messner (Gamben), Ulrich Wedemeier (Theorbe und Barockgitarre) sowie Anke Dennert (Orgel und Cembalo) ist es sicher die Leiterin und Gambistin Simone Eckert selbst, die gerade in manchem der Sonatensätze eine hervorgehobene Präsenz verzeichnet und diese Position mit noblem Ton und beinahe beiläufig sich manifestierender Kunstfertigkeit ausfüllt. Auch die Violinen überzeugen mit exzellenten Beiträgen.

Vokal wird das Geschehen von Hanna Zumsande und Lisa Florentine Schmalz (Sopran), Mirko Ludwig und Knut Schoch (Tenor) sowie Klaus Mertens (Bass) getragen – einer interessanten Mischung aus jungen und seit Jahrzehnten etablierten Stimmen also. Das Tableau gerät ausgewogen, ist luzide gezeichnet und präsentiert die charakteristischen Registereigenheiten gelungen. Klaus Mertens ist, im achten Lebensjahrzehnt stehend, mit seinem Beitrag besonders bemerkenswert – dank eines schönen, unangefochtenen Stimmstroms und einer natürlichen Autorität in der Diktion, wie sie nur wenige Vokalisten haben. Der Tenor Mirko Ludwig hat im Konzert ‚Schaff‘ in mir, Gott, ein reines Herz‘ ein auch in der technischen Anforderung anspruchsvolles Prachtsolo, das seine feine, leichte, in der Höhe kaum begrenzte Stimme günstig in Szene setzt. Die beiden Soprane präsentieren sich im finalen ‚Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt‘ in delikatem, gleichwohl dankbarem Material klangschön und terzenselig.

In den Geistlichen Konzerten ist ein entspanntes, ebenso sprach- wie textsensibles Fließen garantiert; die Sonaten warten in dieser Hinsicht mit entschiedeneren Gestalten auf. Dynamisch ist das Tableau ebenfalls mild durchsonnt, das Feine, Subtile betonend, dabei auch rhythmisch präzise und beherzte Akzente nicht scheuend. Der bronzene, versöhnliche Klang der Gamben bestimmt die Ebene der Intonation günstig. Technisch ist der Klang in einem plastischen Bild voller Wärme realisiert, eingebettet in einen schönen Raumanteil, der das Ensemble mit einer edlen Corona überwölbt.

Ein feines Programm mit bemerkenswerten Novitäten von Dietrich Becker: Die Geistlichen Konzerte bringen eine schöne Farbe in die Reihe ähnlicher Kompositionen der Zeit ein. Dazu bieten die unbedingt hochklassigen Sonaten eine noble Einbettung.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





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    Becker: Sacred Concertos & Sonatas: Hamburger Ratsmusik, Simone Eckert

Label:
Anzahl Medien:
cpo
1
Medium:
EAN:

CD
761203546428


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cpo

Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
Besonders stolz macht uns dabei, daß cpo - 1986 gegründet - in Rekordzeit in die Spitze vorgestoßen ist. Das Geheimnis dieses Erfolges ist einfach erklärt, wenn auch schwierig umzusetzen: cpo sucht niemals den Kampf mit den Branchenriesen, sondern füllt mit Geschick die Nischen, die von den Großen nicht besetzt werden, weil sie dort keine Geschäfte wittern. Und aus mancher Nische wurde nach einhelliger Ansicht der Fachwelt mittlerweile ein wahres Schmuckkästchen.
Am Anfang einer Repertoire-Entscheidung steht bei uns noch ganz altmodisch das Partituren-lesen, denn nicht alles, was noch unentdeckt ist, muß auch auf die Silberscheibe gebannt werden. Andererseits gibt es - von der Renaissance bis zur Moderne - noch sehr viele wahre musikalische Schätze zu heben, die oft näher liegen, als man meint. Unsere großen Werk-Editionen von Pfitzner, Korngold, Hindemith oder Pettersson sind nicht umsonst gerühmt worden. In diesem Sinne werden wir fortfahren.
Letztendlich ist unser künstlerisches Credo ganz einfach: Wir machen die CDs, die wir schon immer selbst haben wollten. Seien Sie herzlich zu dieser abenteuerlichen Entdeckungsfahrt eingeladen!


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