
Paul Lincke: Das ist die Berliner Luft - Brandenburgisches Staatsorchester Frankfurt, Ernst Theis
Mehr als Berliner Luft
Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Der erste Teil mit Ouvertüren von Paul Lincke ist rundum ein Vergnügen.
Wer kennt sie nicht, die „Berliner Luft“. Sie fehlt in keinem Programm, das sich um die Hauptstadt dreht, jeder, jede kann sie mitsingen und selbst die Berliner Philharmoniker spielen sie traditionell in ihrem sommerlichen Waldbühnenkonzert. Dass die berühmte Marschmelodie aber ursprünglich aus einer Posse mit diesem Titel stammt, wissen vermutlich nur wenige. Komponiert wurde sie 1904 von Paul Lincke und zu hören ist das Orchestervorspiel, in dem erstmals das Thema auftaucht, als Eröffnungsnummer auf einer neuen Einspielung mit einer Auswahl seiner „Ouvertüren“.
Lincke, geboren 1866, gilt als Gründer der typischen Berliner Operette. Erste Sporen verdiente er sich als Fagottist mit Dirigierverpflichtung in verschiedenen Etablissements, parallel dazu entstanden Couplets und Einakter. Der Durchbruch gelang ihm 1897 mit der Ausstattungsrevue „Venus auf Erden“, inhaltlich eine Antwort auf Offenbachs „Orpheus in der Unterwelt“. Nach einem Intermezzo als Kapellmeister im Pariser Varieté Follies Bergère begann Linckes große Zeit Anfang 1900. Bis in die 20er Jahre hinein entstanden Bühnenwerke, Salonstücke und viele populäre Schlager. Danach verblasste sein Ruhm, doch während des Nationalsozialismus erlebte der Komponist eine Renaissance, wie Stefan Frey in seinem mit etlichen biographischen Details aufwartenden Einführungstext im Booklet schildert. Obwohl kaisertreu durch und durch – äußerlich erkennbar an seinem „Kaiser-Wilhelm-Bart“, den er bis ins Alter trug – ließ sich Lincke vor den Karren des Regimes spannen und als musikalisches Aushängeschild benutzen. Davon zeugen Lieder wie „Unsere braunen Jungs“ und „Unsere braunen Mädels“ aus den Jahren 1933 bzw. 1935.
Solche Titel befinden sich nicht auf der Anthologie, sie konzentriert sich auf Orchestermusik aus Linckes produktivster Phase, wie die Ouvertüren zu „Lysistrata“ (daraus stammt das berühmte, hier nicht eingespielte „Glühwürmchen-Idyll“) und „Grigri“ (eine in Afrika angesiedelte aberwitzige Liebeskomödie), das quirlige Salonstück „Siamesische Wachparade“ aus „Nakiris Hochzeit“ und die Walzerfolge „Verschmähte Liebe“, um die sich manche Anekdoten des notorischen Frauenhelden, der Lincke auch war, rankten. Alle diese Stücke sind überreich an melodischer Eingebung, effektvoll instrumentiert und rhythmisch mitreißend, häufig im Marschtempo, dem Markenzeichen des Komponisten. Ihre Qualitäten sind beim Dirigenten Ernst Theis und den Brandenburgischen Staatsorchester Frankfurt in besten Händen. Wie frisch poliert und je nach Charakter feinnervig, elegant oder schmissig, klingt die Musik in ihrer Wiedergabe. Die Ouvertüre zu „Frau Luna“, Linckes wohl berühmteste Operette, in die er in einer erweiterten Fassung die „Berliner Luft“ einfügte, ist übrigens nicht auf dieser CD dabei. Die gibt es im bereits angekündigten zweiten Teil.
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Paul Lincke: Das ist die Berliner Luft: Brandenburgisches Staatsorchester Frankfurt, Ernst Theis |
|||
Label: Anzahl Medien: |
cpo 1 |
Medium:
EAN: |
CD
761203542826 |
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Lincke, Paul |
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cpo Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
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