> > > Karl Weigl: Piano Concerto op.21, Rhapsody: Oliver Triendl, Lina Johnson, Jenaer Philharmonie, Simon Gaudenz
Samstag, 3. Juni 2023

Karl Weigl: Piano Concerto op.21, Rhapsody - Oliver Triendl, Lina Johnson, Jenaer Philharmonie, Simon Gaudenz

Facettenreich


Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Ein weiterer wichtiger, klanglich leider nicht ganz optimaler Beitrag zur Weigl-Diskografie.

Seit mehreren Jahren erkunden verschiedene Schallplattenlabel das musikalische Erbe von Karl Weigl (1881–1949), einem weiteren aus Wien stammenden jüdischen Komponisten, der vor den Nazis in die USA flüchten musste, wo er aber nicht an seine europäischen Erfolge anknüpfen konnte. Neben Kammermusik und acht Sinfonien schrieb er auch diverse Konzertwerke und allerhand Vokalmusik. Die Drei  Gesänge für Frauenstimme und Orchester entstanden 1916 und zeigen die Opulenz des untergehenden ‚langen 19. Jahrhunderts‘ in schöner Weise. Weigl wählt, wie auch anderer jüdische Komponisten der Zeit, Dichtungen von Ricarda Huch und kleidet diese in ein harmonisch und klangfarbig reiches Gewand. Den immensen technischen Anforderungen, die die Kompositionen an die Sängerin stellen, stellt sich Lina Johnson beachtlich, mit reicher Wärme und strahlender Höhe – in der Tiefe klingt sie etwas flach, und vor allem ihre Textverständlichkeit ist ohne Textbeilage nicht immer gewährleistet. Die Jenaer Philharmonie unter Simon Gaudenz steht der Musik verständnisinnig gegenüber und hat an der Ausführung hörbar viel Freude.

Über das umfänglichste Werk der CD, die dreisätzige Rhapsodie für Streichorchester, eine Bearbeitung des Streichsextetts d-Moll von 1981-19, erfährt man im Booklettext wenig – das ist schade, handelt es sich doch um eine vollgültige, tiefgründige Komposition für Streichorchester, die größere Bekanntheit verdient. Leider unterstützt die Aufnahmetechnik nicht immer die volle Klarheit der kompositorischen Texturen, so dass die ganze Wirkung nicht voll offenbar wird. Beeindruckend die einzelnen Satzcharaktere, darunter ein lebhaftes umfängliches Scherzo, das man in der Nachfolge Bruckners und Mahlers verstehen muss und das gleichzeitig wie Abrechnung und Reflexion wirkt.

Heroischer Gestus

1924 hatte Weigl ein Klavierkonzert für die linke Hand und Streicher geschrieben (auf Capriccio erschienen), 1931 folgte (mit den Wiener Philharmonikern unter George Széll, der Europa gleichfalls vor den Nazis verlassen musste) das Klavierkonzert f-Moll op. 21. Der heroische Gestus des Kopfsatzes lässt nichts von den Greueln ahnen, denen sich die jüdische Bevölkerung nicht nur Österreichs schon bald darauf ausgesetzt sehen sollte. Vielmehr denken wir an die großen heroischen Klavierkonzerte seiner Zeitgenossen, etwa Wilhelm Furtwängler oder Paul Kletzki. Weigls Werk entbehrt der Schwere Furtwänglers, lässt sich vielmehr in der Traditionslinie verstehen, die bis zu Schumann zurückgeht. Die Jenaer Philharmonie unter Simon Gaudenz unterstützt Oliver Triendl in der äußerst erfolgreichen Wiederbelebung der vergessenen Partitur, die den knapp fünfzigjährigen Weigl in Höchstform zeigt. Der Reichtum der Partitur ermöglicht es, auch nach vielfach wiederholtem Hören neue Facetten herauszuhören, und wer behaupten sollte, die Partitur sei überladen, sollte vermehrt auf das fast Unhörbare hören, das leider auch in der vorliegenden Aufnahme nicht ganz zu ihrem Recht kommt, bedingt durch die nicht optimale Aufnahmetechnik. Der Wirksamkeit des Werks und dem Bemühen aller Beteiligten macht das aber hörbar keinen Abbruch, und man ist als Hörer dankbar für diese Bemühungen.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Karl Weigl: Piano Concerto op.21, Rhapsody: Oliver Triendl, Lina Johnson, Jenaer Philharmonie, Simon Gaudenz

Label:
Anzahl Medien:
cpo
1
Medium:
EAN:

CD
761203536023


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Weigl, Karl


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cpo

Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
Besonders stolz macht uns dabei, daß cpo - 1986 gegründet - in Rekordzeit in die Spitze vorgestoßen ist. Das Geheimnis dieses Erfolges ist einfach erklärt, wenn auch schwierig umzusetzen: cpo sucht niemals den Kampf mit den Branchenriesen, sondern füllt mit Geschick die Nischen, die von den Großen nicht besetzt werden, weil sie dort keine Geschäfte wittern. Und aus mancher Nische wurde nach einhelliger Ansicht der Fachwelt mittlerweile ein wahres Schmuckkästchen.
Am Anfang einer Repertoire-Entscheidung steht bei uns noch ganz altmodisch das Partituren-lesen, denn nicht alles, was noch unentdeckt ist, muß auch auf die Silberscheibe gebannt werden. Andererseits gibt es - von der Renaissance bis zur Moderne - noch sehr viele wahre musikalische Schätze zu heben, die oft näher liegen, als man meint. Unsere großen Werk-Editionen von Pfitzner, Korngold, Hindemith oder Pettersson sind nicht umsonst gerühmt worden. In diesem Sinne werden wir fortfahren.
Letztendlich ist unser künstlerisches Credo ganz einfach: Wir machen die CDs, die wir schon immer selbst haben wollten. Seien Sie herzlich zu dieser abenteuerlichen Entdeckungsfahrt eingeladen!


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