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Sonntag, 4. Juni 2023

Josef Haydn: Sonatas for piano - Christian Zacharias, Klavier

Gibt es ein 'fast zu schön'?


Label/Verlag: MDG
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Christian Zacharias spielt vier mittlere Haydn-Sonaten.

Der inzwischen 72-jährige Zacharias repräsentiert den Typus eines Pianisten, der in verschiedenerlei Hinsicht einen direkten Vermittlungsbezug zu seinem Publikum sucht, diesen aber auch in gewisser Weise einfordert. Es geht ihm um eine aktive Kommunikation mit seiner Hörerschaft – in erster Linie freilich durch sein durchweg klangschönes und intelligentes Klavierspiel, vornehmlich der Komponisten Scarlatti, Haydn, Mozart, Schubert und Schumann. In zweiter Linie ist Zacharias in den vergangenen Jahren immer wieder auch kompetent als Fernseh-, Rundfunk- und Konzertmoderator in Erscheinung getreten, um dem Publikum seine Sichtweisen auf die Musik, die er spielt, näher zu bringen. Zacharias setzt sich gerne in die Rolle eines Vermittlers, dem man aufmerksam zuhört, da er einiges über Komponisten und Werke zu sagen hat. Dieser Hang zur bisweilen experimentellen Veranschaulichung dokumentiert sich beispielsweise in Zacharias’ Darbietungen von Mozarts „Alla turca“-Marsch in Begleitung von Schlaginstrumenten, dem Erklingen einer Spieluhr in der Kadenz des Krönungskonzerts oder aber der mehrmaligen CD-Aufnahme ein und derselben Scarlatti-Sonate, um die Wandlungsfähigkeit von Interpretationen über einen längeren Zeitraum zu demonstrieren. In seiner jüngsten Einspielung von vier Klaviersonaten Haydns aus der Esterházy-Zeit (H16 Nr. 21, 39, 44, 46; entstanden zwischen 1766 und 1773), lässt sich diese exponierte Vermittlungsabsicht ebenfalls heraushören. Aufs Ganze gesehenen spielt Zacharias jeden einzelnen der Sätze wunderbar transparent, durchdacht und eindringlich – stets wird eine überzeugende Interpretationsidee geboten, die auf Haydns kompositorische Wandlungsfähigkeit und den Innovationsreichtum (s)eines Formschemas abhebt.

Die Auswahl der Sonaten ist geschickt getroffen, spiegeln sie doch einerseits genau jene charakterliche Mannigfaltigkeit der Haydnschen Arbeit am Werk wider, andererseits zeigen sie offen Zarachias’ abwechslungs- und intentionsreiche Zugänge zu den Kompositionen auf. Es gibt im Grunde nichts, was man an dieser 2022 beim MDG-Label erschienenen CD kritisch anmerken könnte, dafür scheint die Erfahrung von Zacharias im Umgang mit den Werken Haydns zu groß und kompetent. Vielleicht hätte man sich im Kopfsatz der zweisätzigen g-Moll-Sonate ein etwas stärker melancholisch-dunkles Grundtimbre gewünscht, wie es beispielsweise Sviatoslav Richter für das Stück finden konnte. Aber das ist eine ,beckmesserische‘ Kritik in Bezug auf eine an sich rundum eindrückliche Art, Haydns mittlere Sonaten auf dem Klavier zu interpretieren. Und vielleicht bleibt am Ende doch ein wenig der (paradoxe) Gesamteindruck des manchmal allzu Schönen und Gelungenen zurück, das in wenigen Aufnahmemomenten die Grenze zum fast schon Manieristischen tangiert. Gelegentlich drängt sich nämlich beim Hören und mit vergleichendem Blick auf ebenso verdienstvolle Darbietungen eines Brendel, Buchbinder oder Brautigam der Eindruck auf, dass man Haydn bisweilen auch bewusst nüchterner, unscheinbarer, weniger emotionalisiert spielen könnte, um gerade dessen humoristische Werkaspekte stärker zu profilieren. Aber nein, wir bleiben bei der Wertung einer nahezu perfekten Einspielung durch Zacharias, um nicht ungerecht zu werden – und dies mit der aufrichtigen Hoffnung verbunden, dass dieser große Pianist auch zukünftig für entsprechend wohlklingenden Nachschub in Sachen Haydn sorgen möge.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Josef Haydn: Sonatas for piano: Christian Zacharias, Klavier

Label:
Anzahl Medien:
MDG
1
Medium:
EAN:

CD SACD
760623225760


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Haydn, Joseph


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MDG

Die klangrealistische Tonaufnahme

»Den beim Sprechen oder Musizieren entstehenden Schall festzuhalten, um ihn zu konservieren und beliebig reproduzieren zu können, ist eine Idee, die seit langem die Menschen beschäftigte. Waren zunächst eher magische Aspekte im Spiel, die die Phantasie beflügelten wie etwa bei Giovanni deila Porta, der 1598 den Schall in Bleiröhren auffangen wollte, so führte mit fortschreitender Entwicklung naturwissenschaftlichen Denkens ein verhältnismäßig gerader Weg zur Lösung...« (Riemann Musiklexikon)

Seit Beginn der elektrischen Schallaufzeichnung ist der Tonmeister als »Klangregisseur« bei der Aufnahme natürlich dem Komponisten und dem Interpreten, aber auch dem Hörer verpflichtet. Die Mittel zur Tonaufzeichnung sind hinlänglich bekannt. Die Kriterien für ihren Einsatz bestimmt das Ohr. Deshalb für den Hörer hier eine Beschreibung unserer Hörvorstellung.

Lifehaftigkeit

In der Gewißheit, daß der Konzertsaal im Wohnzimmer (leider) nicht realisierbar ist, konzentriert sich unser Bemühen darauf, die Illusion einer Wirklichkeit zu vermitteln. Die Musik soll im Hörraum so wiedererstehen, daß spontan der Eindruck der Unmittelbarkeit entsteht, das lebendige Klanggeschehen mit der ganzen Atmosphäre der »Lifehaftigkeit« erlebt wird. Da wir praktisch ausschließlich menschliche Stimmen und »klassische« Instrumente - auch sie haben ihren Ursprung im Nachahmen der Stimme - aufnehmen, konzentriert sich unsere Klangvorstellung auf natürliche Klangbalance und tonale Ausgeglichenheit im Ganzen, und instrumentenhafte Klangtreue im Einzelnen. Darüber hinaus natürliche, ungebremste Dynamik und genaueste Auflösung auch der feinsten Spannungsbögen. Weitestgehend bestimmend für die Illusion der Lifehaftigkeit ist auch die Ortbarkeit der Klangquellen im Raum: freistehend, dreidimensional, realistisch.

Musik entsteht im Raum

Um diesen »Klangrealismus« einzufangen, ist bei den Aufnahmen von MDG eine natürliche Akustik unbedingte Voraussetzung. Mehr noch, für jede Produktion wird speziell in Hinblick auf die Besetzung und den Kompositionsstil der passende Aufnahmeraum ausgesucht. Anschließend wird »vor Ort« die optimale Plazierung der Musiker und Instrumente im Raum erarbeitet. Dieser ideale »Spielplatz« ermöglicht nun nicht nur die akustisch beste Aufnahme, sondern inspiriert durch seine Rückwirkung die Musiker zu einer lebendigen, anregenden Musizierlust und spannender Interpretation. Können Sie sich die Antwort des Musikers vorstellen auf die Frage, ob er lieber in einem trockenen Studio oder in einem Konzertsaal spielt?

Die Aufnahme

Ist der ideale Raum vorhanden, entscheidet sich der gute Ton an den Mikrofonen - verschiedene Typen mit speziellen klanglichen Eigenheiten stehen zur Auswahl und wollen mit dem Klang der Instrumente im Raum in Harmonie gebracht werden. Ebenso wichtig für eine natürliche Abbildung ist die Anordnung der Mikrofone, damit etwa die richtigen Nuancen in der solistischen Darstellung oder die Kompensation von Verdeckungseffekten realisierbar werden. Das puristische Ideal »nur zwei Mikrofone« kann selten den komplexen Anforderungen einer Aufnahme mit mehreren Instrumenten gerecht werden. Aber egal wie viele Mikrofone verwendet werden: Stellt sich ein natürlicher Klangeindruck ein, ist die Frage nach dem Zustandekommen des »Lifehaftigen« zweitrangig. Entscheidend ist, es klingt so, als wären nur zwei Mikrofone im Spiel.

Ohne irgendwelche »Verschlimmbesserer« wie Filter, Limiter, Equalizer, künstlichen Hall etc. zu benutzen, sammeln wir die Mikro-Wellen übertragerlos in einem puristischen Mischpult und geben das mit elektrostatischem Kopfhörer kontrollierte Stereosignal linear und unbegrenzt an den AD-Wandler und zum digitalen Speicher weiter. Dadurch bleiben auch die feinsten Einschwingvorgänge erhalten. Auf der digitalen Ebene wird dann ohne klangmanipulierende Eingriffe mit dem eigenen Editor in unserem Hause das Band zur Herstellung der Compact Disc für den Hörer erstellt, für Ihr hoffentlich großes Hörvergnügen.


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