> > > Ruth Gipps: Orchestral works Vol. 2: Juliana Koch, BBC Philharmonic, Rumon Gamba
Freitag, 31. März 2023

Ruth Gipps: Orchestral works Vol. 2 - Juliana Koch, BBC Philharmonic, Rumon Gamba

Verspätete Geburtstagsgabe


Label/Verlag: Chandos
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Das Jahr 2021 sah eine einigermaßen nachhaltige Auseinandersetzung mit Ruth Gipps.

Die Auseinandersetzung des Labels Chandos mit dem Schaffen der englischen Komponistin, Oboistin und Orchesterleiterin Ruth Gipps (1921–1999) geht, coronabedingt etwas verspätet, in die zweite Runde. Die neue CD enthält die dritte Sinfonie op. 57 (1965), das Oboenkonzert d-Moll op. 20 (1941), die Ouvertüre ‚Chanticleer‘ op. 28 (1944, einzig vollendeter Teil einer letztendlich verworfenen Oper) und die Tondichtung ‚Death on the Pale Horse‘ op. 25 (1943). Einige dieser Werke dürfen durchaus als Herzblutwerke bezeichnet werden ­– vor allem das Oboenkonzert, das sie gleichwohl nicht primär für die eigene Konzerttätigkeit schrieb, und das nach einer Zeichnung William Blakes inspirierte ‚Death on the Pale Horse‘, das trotz des biblischen Bezugs durchaus als Weltkriegskomposition verstanden werden kann (Gipps‘ Ehemann, der Klarinettist Robert Baker, war zum Kriegsdienst eingezogen worden).

Gipps blieb stets der Tonalität eng verbunden und stand allem, was sich hiervon absetzte, äußerst kritisch gegenüber. Man kann das Oboenkonzert aus heutiger Warte als Abgesang auf eine Ästhetik verstehen, die zunehmend aus der Mode kam, so dass Gipps die Wiederbelebung ihrer Musik nicht mehr erlebte. Das Oboenkonzert ist von lyrischen Grundton, von der Harmonik her gelegentlich fast unerwartet gleichgewichtig (auch wenn sich Anklänge an ihren ehemaligen Lehrer Gordon Jacob und ihren Kommilitonen am Royal College of Music Malcolm Arnold entdecken lassen) und deutlich hörbar von der musikalischen Spielfreude der Vorkriegszeit geprägt. Gipps‘ Oboenlehrer war der legendäre Leon Goossens gewesen, und deutlich hört man Goossens‘ Oboenton in der musikalische Konzeption des Werks.

Emotionale Tiefe

Schon in ihrer ersten Sinfonie hatte Gipps das Weltkriegsszenario im Hinterkopf, und die apokalyptischen Reiter des Jüngsten Gerichts zeigen in ‚Death on the Pale Horse‘ die emotionale Tiefe von Gipps‘ Ausdrucksfähigkeit. Gerade hier klingt, trotz der durchaus traditionellen  Klangsprache, ein starker eigener Charakterzug durch, und auch hier haben Oboe und Klarinette prominente Rollen im Orchesterklang (während der Kriegszeit war sie Oboistin im City of Birmingham Orchestra – in damaliger Zeit nur durch die Kriegssituation überhaupt möglich). Auch in der Ouvertüre ‚Chanticleer‘ können sich die Orchestersolisten gut in Szene setzen.

Die dritte Sinfonie ist die einzige Komposition auf der CD, die nach dem Krieg entstand. Mittlerweile hatte sie sich stärker dem Dirigieren zugewandt und so auch stärker das Orchesterrepertoire anderer in großer Dichte kennengelernt (Zeitgenossen beschreiben sie als inspirierende und sorgfältig vorbereitete Dirigentin). Auch die dritte Sinfonie (eine anspruchsvolle Komposition von fast 37 Minuten Dauer) ist kein Werk der kompositorischen Experimente. Der Booklettext enthält eine äußerst erhellende Einführung von Gipps‘ Hand, die sich hier auch selbst verortet als eine Komponistin von Musik für ‚Menschen, die Musik machen, weil sie es wollen‘. Die Komposition zeichnet durch ein beträchtliches Arsenal an Schlaginstrumenten aus, doch auch hier wird Orchestersolisten Raum zur dialogischen Entfaltung mit ihren Partnern gegeben.

In seiner nunmehr zweiten CD mit Werken Gipps‘ bestätigen das BBC Philharmonic und Rumon Gamba ihren Ruf als verständige und engagierte Sachwalter von vergessener und doch individueller Musik. Wollen wir hoffen, dass die Reihe nicht nur mit den Sinfonien 1 und 5, sondern auch weiteren Orchesterwerken fortgesetzt wird.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Ruth Gipps: Orchestral works Vol. 2: Juliana Koch, BBC Philharmonic, Rumon Gamba

Label:
Anzahl Medien:
Chandos
1
Medium:
EAN:

CD
095115216125


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Chandos

Chandos Records was founded in 1979 by Brian Couzens and quickly established itself as one of the world's leading classical labels. Prior to forming the label, Brian Couzens, along with his son Ralph, worked for 8 years running a mobile recording unit recording for major labels (including RCA, Polydor, CFP, etc.) with many of the world's leading artists.
The company has championed rare and neglected repertoire, filling in many gaps in the record catalogues. Initially focussing on British composers (Alwyn, Bax, Bliss, Dyso, Moeran, Rubbra, Walton etc), it subsequently embraced a much wider field. Chandos' diverse catalogue contains over 2000 titles, from early music to contemporary, with composers from around the world. The company's aim is to present an exciting and varied selection of superbly recorded music to as many people as possible.
The following artists are strongly associated with, or exclusive to, the label: Richard Hickox, Matthias Bamert, I Fagiolini, Neeme Järvi, Louis Lortie, Jean-Efflam Bavouzet, Rumon Gamba, James Ehnes, Sir Charles Mackerras, David Parry, Valeri Polyansky, The Purcell Quartet, Gennady Rozhdestvensky, Howard Shelley, Simon Standage, Yan Pascal Tortelier, Vernon Handley, the BBC Philharmonic, BBC National Orchestra of Wales, the City of London Sinfonia and Collegium Muscium 90.
Chandos is universally acclaimed for the excellence of its sound quality and has always been at the forefront of technical innovation. In 1978, Chandos was one of the first to record in 16bit/44.1kHz PCM digital, as well as being one of the first to edit a digital recording completely in the digital domain (Holst: the Planet ? SNO/Gibson). In 1983, Chandos was one of the first to produce and release Compact Discs into the marketplace ? a revolution in the recorded music industry.
Today, Chandos has kept up with technology by recording mostly in 24bit/96kHz PCM but now also in DSD for producing ?surround sound? SACDs. Chandos releases at least five new recordings a month, together with imaginative re-issues of back-catlogue material.
The company has received countless awards, including several Gramophone Awards, notably the 2001 ?Record of the Year? for Richard Hickox?s recording of the original version of Vaughan Williams? A London Symphony; ?Best Choral Recording of 2003? for its recording of an undiscovered mass by Hummel and the ?Best Orchestral Recording? of 2004 for its set of Bax Symphonies. Other highlights include the American Grammy for Britten?s opera Peter Grimes, and most recently (2008), two further Grammy Awards, one for Hansel and Gretel and the other for Grechaninov?s Passion Week. Jean-Efflam Bavouzet?s debut on Chandos was also awarded Record of the Year by Monde de la Musique this year.
Chandos remains an independent, family run company which produces and markets its recordings from its office in Colchester, England, and is distributed worldwide.


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