
Ruth Gipps: Orchestral works Vol. 2 - Juliana Koch, BBC Philharmonic, Rumon Gamba
Verspätete Geburtstagsgabe
Label/Verlag: Chandos
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Das Jahr 2021 sah eine einigermaßen nachhaltige Auseinandersetzung mit Ruth Gipps.
Die Auseinandersetzung des Labels Chandos mit dem Schaffen der englischen Komponistin, Oboistin und Orchesterleiterin Ruth Gipps (1921–1999) geht, coronabedingt etwas verspätet, in die zweite Runde. Die neue CD enthält die dritte Sinfonie op. 57 (1965), das Oboenkonzert d-Moll op. 20 (1941), die Ouvertüre ‚Chanticleer‘ op. 28 (1944, einzig vollendeter Teil einer letztendlich verworfenen Oper) und die Tondichtung ‚Death on the Pale Horse‘ op. 25 (1943). Einige dieser Werke dürfen durchaus als Herzblutwerke bezeichnet werden – vor allem das Oboenkonzert, das sie gleichwohl nicht primär für die eigene Konzerttätigkeit schrieb, und das nach einer Zeichnung William Blakes inspirierte ‚Death on the Pale Horse‘, das trotz des biblischen Bezugs durchaus als Weltkriegskomposition verstanden werden kann (Gipps‘ Ehemann, der Klarinettist Robert Baker, war zum Kriegsdienst eingezogen worden).
Gipps blieb stets der Tonalität eng verbunden und stand allem, was sich hiervon absetzte, äußerst kritisch gegenüber. Man kann das Oboenkonzert aus heutiger Warte als Abgesang auf eine Ästhetik verstehen, die zunehmend aus der Mode kam, so dass Gipps die Wiederbelebung ihrer Musik nicht mehr erlebte. Das Oboenkonzert ist von lyrischen Grundton, von der Harmonik her gelegentlich fast unerwartet gleichgewichtig (auch wenn sich Anklänge an ihren ehemaligen Lehrer Gordon Jacob und ihren Kommilitonen am Royal College of Music Malcolm Arnold entdecken lassen) und deutlich hörbar von der musikalischen Spielfreude der Vorkriegszeit geprägt. Gipps‘ Oboenlehrer war der legendäre Leon Goossens gewesen, und deutlich hört man Goossens‘ Oboenton in der musikalische Konzeption des Werks.
Emotionale Tiefe
Schon in ihrer ersten Sinfonie hatte Gipps das Weltkriegsszenario im Hinterkopf, und die apokalyptischen Reiter des Jüngsten Gerichts zeigen in ‚Death on the Pale Horse‘ die emotionale Tiefe von Gipps‘ Ausdrucksfähigkeit. Gerade hier klingt, trotz der durchaus traditionellen Klangsprache, ein starker eigener Charakterzug durch, und auch hier haben Oboe und Klarinette prominente Rollen im Orchesterklang (während der Kriegszeit war sie Oboistin im City of Birmingham Orchestra – in damaliger Zeit nur durch die Kriegssituation überhaupt möglich). Auch in der Ouvertüre ‚Chanticleer‘ können sich die Orchestersolisten gut in Szene setzen.
Die dritte Sinfonie ist die einzige Komposition auf der CD, die nach dem Krieg entstand. Mittlerweile hatte sie sich stärker dem Dirigieren zugewandt und so auch stärker das Orchesterrepertoire anderer in großer Dichte kennengelernt (Zeitgenossen beschreiben sie als inspirierende und sorgfältig vorbereitete Dirigentin). Auch die dritte Sinfonie (eine anspruchsvolle Komposition von fast 37 Minuten Dauer) ist kein Werk der kompositorischen Experimente. Der Booklettext enthält eine äußerst erhellende Einführung von Gipps‘ Hand, die sich hier auch selbst verortet als eine Komponistin von Musik für ‚Menschen, die Musik machen, weil sie es wollen‘. Die Komposition zeichnet durch ein beträchtliches Arsenal an Schlaginstrumenten aus, doch auch hier wird Orchestersolisten Raum zur dialogischen Entfaltung mit ihren Partnern gegeben.
In seiner nunmehr zweiten CD mit Werken Gipps‘ bestätigen das BBC Philharmonic und Rumon Gamba ihren Ruf als verständige und engagierte Sachwalter von vergessener und doch individueller Musik. Wollen wir hoffen, dass die Reihe nicht nur mit den Sinfonien 1 und 5, sondern auch weiteren Orchesterwerken fortgesetzt wird.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Ruth Gipps: Orchestral works Vol. 2: Juliana Koch, BBC Philharmonic, Rumon Gamba |
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Label: Anzahl Medien: |
Chandos 1 |
Medium:
EAN: |
CD
095115216125 |
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Chandos Chandos Records was founded in 1979 by Brian Couzens and quickly established itself as one of the world's leading classical labels. Prior to forming the label, Brian Couzens, along with his son Ralph, worked for 8 years running a mobile recording unit recording for major labels (including RCA, Polydor, CFP, etc.) with many of the world's leading artists.
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