
Whispers of Tradition - Max Volbers, Blockflöte
Blockflötenvielfalt
Label/Verlag: Genuin
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Diese Platte ist mehr als eine simple Talentprobe: Max Volbers und sein Ensemble überzeugen mit einem eigenwilligen, am Ende stimmigen Programm.
Den Deutschen Musikwettbewerb mit der Blockflöte als Preisträger zu verlassen, dazu gehört angesichts der riesigen instrumentalen Konkurrenz schon einiges: Max Volbers, in Salzburg Schüler unter anderem von Dorothee Oberlinger, ist es 2021 gelungen; jetzt liegt die fällige Porträtplatte bei Genuin vor, die programmatisch erstaunlich reich an Varianten ist und den Mut des auch inhaltlich ambitionierten Gestalters erkennen lässt.
Natürlich ist Konzertantes aus dem Barock zu hören – doch auch das nicht ganz im Rahmen des Erwartbaren: Das Entrée bildet ein dreisätziges Bach-Pasticcio, gewonnen aus verschiedenen Konzerten für andere Soloinstrumente, dennoch stimmig zueinander in Beziehung gesetzt. Am Schluss der Programmfolge steht nicht einer der Klassiker für Flautino aus der Feder von Antonio Vivaldi, sondern ein eigenes Arrangement, das Max Volbers in kreativer Ausdeutung und Aneignung von RV 312 gewonnen hat, das Vivaldi selbst ursprünglich für diese hohe Flöte konzipiert, dann aber für Violine fertiggestellt hatte. Volbers geht bewusst andere Wege als der französische Flötist Jean Cassignol in seiner Version und findet zu einer eigenen Rekonstruktion, die bloße Oktavierungen vermeidet und für sich in Anspruch nimmt, Vivaldis ursprünglichen Ansatz fortzuspinnen und seinem Instrument tatsächlich und ohne satztechnische Notlösungen ästhetisch ‚einzuverleiben‘.
Dazu kommen weitere Ebenen: Mit Claudio Monteverdi wird beispielhaft das Prinzip der – ungemein blockflötenaffinen – Diminution fruchtbar gemacht, mit Sätzen von Giovanni Pierluigi da Palestrina oder Johann Hermann Schein wird das motettische Prinzip in die wunderbar harmonische Sphäre des Flötenconsorts, klanglich genährt von der Tenor- bis zur Kontrabassflöte, überführt. Henry Purcell dient als Paradebeispiel für allergrößte Freiheit über einem ostinaten Bass, Charles Dieupart bietet in graziler Suitenlebendigkeit mannigfaltige Entfaltungsmöglichkeiten. Und es ist ein Stück der Gegenwart, vom jungen, 1995 geborenen Thanos Sakellaridis, eingelagert – als Kontrast zur Sphäre der alten Musik und als Beleg dafür, dass die Blockflöte sich auch vor der Sphäre des rauen Klangs oder der artikulatorischen Anforderung nicht zu fürchten braucht oder diesem ästhetischen Format gegenüber etwa unterlegen wäre. Gespielt wird das Stück von Max Volbers und Elisabeth Wirth auf zweien der eigenwilligen Flöten des Instrumentenbauers Herbert Paetzold, in Kontrabass- und Subkontrabasslage.
Solist und Ensemble: Hörbar inspiriert
Überhaupt ist es die besetzungsmäßige Vielfalt, die die Präsentation sehr gelingen lässt: Das Ensemble ist solistisch mit Streichern, Laute, verschiedenen Tasteninstrumenten und einer breiten Palette von Blockflöten besetzt, die von Volbers selbst und weiteren Kolleginnen und Kollegen gespielt werden. Das Ensemble agiert lebendig und spritzig, knackig im klanglichen Zugriff in der Welt der Konzerte, voller Delikatesse bei Dieupart. Die variablen Besetzungen fügen sich zu einem erstaunlich stimmigen, im Ansatz dynamisch wirkenden Bild von kammermusikalischem Geist. Das fünfstimmige Consort ist wirklich harmonisch gefügt – das intonatorische Wagnis, das einer solchen Anordnung innewohnt, wird reich belohnt; die Formation entfaltet in dem intrikaten Material dazu eine erstaunlich konsistente affektive Wirkung.
Max Volbers schließlich, als Kern von Ensemble und Programm, erweist sich als Blockflötist von Format, der technisch kein Limit kennt: Allein schon artikulatorisch bietet er ein Fest für Freunde all dessen, was auf der Blockflöte möglich ist. Er glänzt in Monteverdis Rasanz ebenso wie in den Konzerten, führt dazu das Consort ruhig und souverän an. Er wirft sich in die Untiefen der Gegenwartskomposition, brilliert in der variativen Kunst Purcells oder der französischen Suite – kurz, er verfügt über ein beträchtliches instrumentenspezifisches und zugleich interpretatorisch weit über diese Sphäre im engeren Sinne hinausweisendes musikalisches Vermögen, das ihn zurecht schon in jungen Jahren auf (Preis-)Höhen geführt hat.
Realisiert ist die Produktion in einem klaren, direkten, aber nicht skelettierenden Klangbild, das in guter Tiefenstruktur und Balance befindlich ist. Max Volbers selbst informiert im zweisprachigen Booklet gründlich über Musik und Motivation; eine Übersicht über die erklingenden Instrumente ist erfreulicherweise enthalten.
Diese Platte ist mehr als eine simple Talentprobe: Max Volbers und sein Ensemble überzeugen mit einem eigenwilligen, am Ende stimmigen Programm.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Whispers of Tradition: Max Volbers, Blockflöte |
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Label: Anzahl Medien: |
Genuin 1 |
Medium:
EAN: |
CD
4260036258042 |
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Bach, Johann Sebastian |
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Genuin Im Jahr 2002 standen die jungen Tonmeister von GENUIN vor einer wichtigen Entscheidung: Sollte man sich weiterhin lediglich auf das Aufnehmen und Produzieren konzentrieren, oder auf die zahlreichen Nachfragen und positiven Rückmeldungen von Musikern und Fachzeitschriften eingehen und ein eigenes Label ins Leben rufen? In einer Zeit, in der praktisch alle großen Klassik-Label ihre Produktion eingestellt oder zumindest stark gedrosselt hatten, fiel die Entscheidung nicht leicht aber sie fiel einstimmig aus: zugunsten einer offiziellen Vertriebsplattform für die GENUIN-Aufnahmen. Und der Erfolg hat nicht lange auf sich warten lassen. Das Label GENUIN hat sich in seinem zwölfjährigen Bestehen zu einem Geheimtipp unter Musikern und Musikliebhabern entwickelt. Schon vor dem Leipzig-Debüt im Oktober 2004, einem Antrittskonzert im Robert-Schumann-Haus mit Paul Badura-Skoda, wurden die CDs in den deutschlandweiten Vertrieb gebracht und von Fachpresse und Musikerwelt hochgelobt. Inzwischen werden GENUIN-CDs in den meisten Ländern Europas sowie in Japan, Süd-Korea, Hongkong und den USA vertrieben. Das Erfolgsrezept von GENUIN: Die gesamte Produktion, also die Beratung der Künstler bei Aufnahmeraum und Repertoire, die Vorbereitung und Durchführung der Aufnahme selbst, der Schnitt mit allen notwendigen Korrekturen, generelle Entscheidungen beim Cover- und Bookletentwurf bis hin zur fertigen Veröffentlichung liegen in der Hand der Tonmeister. Nur so haben die Musiker den größtmöglichen Entfaltungsspielraum bei der Einspielung und Gestaltung ihrer CDs. Und gleichzeitig kann bis zuletzt eine gleichbleibend hohe Qualität garantiert werden. GENUIN bietet auch abseits ausgetretener Pfade etablierten Künstlern genauso wie der Nachwuchsgeneration die Möglichkeit, Musik nach eigenen Vorstellungen zu verwirklichen. Das macht sich positiv bemerkbar für die Hörer der mittlerweile mehr als 300 GENUIN-CDs mit Interpreten wie Paul Badura-Skoda, Nicolas Altstaedt oder der Dresdner Philharmonie. Mehr Info... |
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