
Bruckner Spectrum - Zurich Chamber Singers, Christian Erny
Schwergewicht Bruckner
Label/Verlag: Berlin Classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Das hier vorgestellte 'Bruckner Spectrum' der Zurich Chamber Singers bietet ein stimmiges Programm: Palestrina ist von unbestritten überzeitlicher Klasse, vor allem aber ist es eine Bruckner-Platte.
Anton Bruckners fabelhafte lateinische Motetten zu programmieren, verhilft jedem potenten Chor verlässlich zu einigem Effekt: Die Musik ist archaisch, wuchtig und streng auf der einen, vielfarbig in der modal inspirierten Harmonik und dynamisch alles fordernd auf der anderen Seite. In der Summe bietet sie reichlich attraktives Stimmfutter, wie auch die aktuell bei Berlin Classics unter dem Titel ‚Bruckner Spectrum‘ erschienene Platte der Zurich Chamber Singers unterstreicht.
Der frühe Bruckner-Biograf Max Auer hat Bruckner als ‚Palestrina der Moderne‘ bezeichnet – auch wenn, wie bei aller bewundernden Kenntnis der Vorbilder aus der Renaissance zu konstatieren ist, Bruckner in seiner chorischen Eigenständigkeit gerade kein dem Cäcilianismus nahestehender Komponist war. Vielleicht ist es aber auch das Moment des Entrückten, Überzeitlichen, das das aktuelle Programm inspiriert hat und das beiden Komponisten durchaus gemein ist: Motetten von Bruckner werden mit solchen von Palestrina konfrontiert. Ein zeitgenössischer Reflex darf nicht fehlen – in Gestalt dreier ‚Bruckner-Brücken‘ von Burkhard Kinzler (geb. 1963), die Verbindungen zwischen den Zeiten, zwischen einzelnen der Motetten Bruckners schaffen, zum Beispiel hervorgehend aus dem orgelumtosten ‚Tota pulchra es‘ und hinführend zum gleichfalls von der Orgel bestimmten, dazu von drei Posaunen gefärbten ‚Ecce sacerdos‘.
Diese ästhetische Zwischenposition der ‚Brücken‘ wird nicht verlassen, der Schritt zu echter Eigenständigkeit kaum je gegangen, so dass die drei Stücke, so scheint es, weniger tatsächlich einlösen als sie schuldig bleiben. Immerhin scheint Kinzlers Musik die Choristen anzuregen, entfalten sie doch auch hier ihr Potenzial. Erstaunlich ist an den beiden anderen Sphären zweierlei: Das klar stärkste Gewicht entfaltet Anton Bruckner mit seinen Sätzen. Und trotz aller – Auer hin oder her – konzeptionell apostrophierten Verbindung ist dessen Musik weit weniger in einem tatsächlichen Kontext mit der Welt perfekten kontrapunktischen Satzes bei Palestrina verknüpft. Andere Ensembles, das nur als ergänzender Seitenblick, haben in jüngerer Zeit entweder rein auf Bruckner gesetzt wie der Lettische Radiochor mit Sigvards Klava oder noch schlüssigere programmatische Kontexte für Bruckners Motetten etabliert – mustergültig und mit kammerchorischem Aplomb das Ensemble Tenebrae mit den gehaltvollen geistlichen Werken von Johannes Brahms, ästhetisch ins 18. Jahrhundert orientiert der exquisite MDR-Chor in großer Besetzung mit vergleichbaren Arbeiten von Michael Haydn.
Jugendliche Frische
Dennoch: Die aktuelle Platte der von Christian Erny geleiteten Zurich Chamber Singers kann etwas Besonderes für die vorgestellte Interpretation beanspruchen, nämlich in der chorästhetischen Verbindung von Palestrina und Bruckner einen besonderen Akzent zu haben. Der Chorklang der 24 Stimmen ist schlank, konzentriert, ohne jeden Anflug von Pastosität oder rein äußerliche Dramatik. Diese jugendliche Frische – zum Beispiel in Gestalt von weich klingenden, vermischungsfähigen Tenören oder behutsam zeichnenden, nicht eckig deklamierenden Bässen – erhält sich erfreulicherweise auch in Momenten größerer dynamischer Entfaltung. Die Register sind insgesamt, bis in leuchtende Höhen hinein, von jugendlichem Charme, noch ohne kristalline Härten, auch in klarer Randlage des Diskants. Erny lässt in fließenden Tempi singen, staut nichts, bauscht nichts auf – auch in dieser Hinsicht nah am Palestrina-Ideal, wenngleich dynamisch bei Bruckner das komplette ‚Besteck‘ gefordert ist und auch nachgewiesen wird. Intoniert wird – auch in der etwas avancierteren Tonsprache bei Kinzler mit Glissandi und dichter Akkordik – sattelfest, stabil und dabei ungezwungen. Die nicht näher vorgestellte Orgel dient als präsente Grundierung, dabei nicht ganz dem weicher zeichnenden, für die Musik Bruckners ungemein zutreffenden Ideal zum Beispiel der Tenebrae-Einspielung auf der großen Harrison & Harrison-Orgel der Londoner Temple Church nahekommend.
Das hier vorgestellte Bruckner Spectrum bietet durchaus ein stimmiges Programm: Palestrina ist von unbestritten überzeitlicher Klasse; ob Kinzlers Bruckner-Brücken wirklich tragen, ist am Ende individuell hörend zu entscheiden. Positiv: Die löbliche zeitgenössische Befragung historischer Phänomene ist auch im Bruckner-Kontext angebracht und nicht ohne Beispiel, wie die jeder Sinfonie im Orgel-Gewand bei der aktuell von Hansjörg Albrecht bei Oehms Classics vorangebrachten speziellen Gesamteinspielung der Sinfonien präsentierten ‚Bruckner-Fenster‘ verschiedener kompositorischer Hände der Gegenwart unterstreichen. Aber vor allem ist es eine Bruckner-Platte. Angesichts der Qualitäten der Werke wie der Frische des Chors ist das aber überhaupt keine schlechte Nachricht.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Bruckner Spectrum: Zurich Chamber Singers, Christian Erny |
|||
Label: Anzahl Medien: |
Berlin Classics 1 |
Medium:
EAN: |
CD
885470028064 |
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Bruckner, Anton |
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