
Lortzing: Zum Groß-Admiral - Münchner Rundfunkorchester, Ulf Schirmer
Die Tücken der Spieloper
Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Aller Einsatz von Ulf Schirmer kann Lortzings später Spieloper nicht ganz jenes essenzielle Feuer wiedergeben, die sie verdient.
Längst sind die Zeiten vorbei, dass die Spielopern Albert Lortzings und seiner Zeitgenossen hinreichend im kollektiven Gedächtnis der Musikliebhaber präsent wären. Dabei handelt es sich musikalisch zumeist um handwerklich sorgfältig, häufig auch inspiriert ausgearbeitete Werke, die ganz typisch für ihre Zeit waren und einen wichtigen Gegenpol zu dem anderen Opernrepertoire bildeten. ‚Zum Groß-Admiral‘ (1847), nur einen Monat nach Friedrich von Flotows ‚Martha‘ uraufgeführt, gehört eher zu den Spätwerken Lortzings, der im Januar 1851 im Alter von noch nicht 50 Jahren starb.
‚Zum Groß-Admiral‘, betitelt nach dem Wirtshaus, in dem sich im zweiten Akt die amourösen Entwicklungen auf zwei bis drei Ebenen zuspitzen, erlebte nur wenig Aufführungen, in München war das Werk vor der hier dokumentierten Wiederaufführungen im Prinzregententheater 2019 nur 1879 im Gärtnerplatztheater zu hören. Hier wir dort überzeugt(e) sorgfältige Einstudierung, und dass das Werk keinen großen Erfolg in der Vergangenheit hatte, ist nicht zuletzt sicher auch auf die eher leichtgewichtige Handlung zurückzuführen, die allerdings (mit Lortzings eigenem Libretto) auf Alexandre Dumas‘ ‚La Jeunesse de Henri V‘ zurückgeht.
Charme und Esprit
Ulf Schirmer, stets ein lebensvoller Anwalt vergessenen Repertoires, erfüllt die Musik mit Verve, Charme und Esprit, er arbeitet die feine Orchestrierung ebenso wie die zugespitzte musikalische Dramaturgie in vorteilhafter Weise heraus. Bestimmte harmonische und strukturelle Eigenheiten (etwa in den Chorsätzen) helfen, das Werk eindeutig als Lortzing-Werk dieser späten Phase zu identifizieren (‚Die Opernprobe‘). Der Chor des Bayerischen Rundfunks hat nichts von seiner Identifikation mit der Musik Lortzings in den vergangenen Jahrzehnten (vor allem den 1970er- und 1980er-Jahren) verloren, und auch am Münchner Rundfunkorchester scheinen die Zeitläufte nahezu spurlos vorübergegangen zu sein.
Gleiches lässt sich nicht von den Vokalsolisten sagen, denen jene Selbstverständlichkeit, mit der die Musik in der Vor-Regietheater-Zeit vorgetragen wurde, nicht mehr in der Ausbildung vermittelt wurde. Der Bariton Jonathan Michie gibt den Graf Richard von Rochester allzu pathetisch, ohne jene elegante Leichtigkeit, die die Rolle erfordert; seine Stärken erweisen sich vor allem im Ensemble, im Miteinander mit anderen (bedenklich besonders auch seine Aussprache besonders in den Dialogen). Julia Sophie Wagner erfüllt den Pagen Eduard vor allem mit vokaler Reife – eine Hosenrolle, gerade eine jugendliche Hosenrolle hören wir hier leider nicht. So gerät das Miteinander mit Lavinia Dames‘ Betty (Rochesters Nichte) eher wie ein Veteranentreffen denn wie ein quecksilbriges Aufeinandertreffen zweier ganz junger Menschen.
Und auch Prinz Heinrich und seine Gattin Catharina sind von der interpretatorischen Qualität merkwürdig disparat besetzt: Bernhard Berchtold ist für den Heinrich bedenklich wenig nachdrücklich (seine Stimme hat leider an lyrischer Überzeugung und vokaler Stetigkeit verloren, ist besonders in der Höhe unsicher geworden), während sich Anett Fritsch voller Energie und Empathie und vokal bestens disponiert in ihre Rolle wirft. Da kann auch der pralle Martin Blasius in der Partie des Wirtes Copp Movbrai die solistischen Leistungen insgesamt nur wenig stärker ins Plus führen. Wie schwierig Lortzing (und deutsche Spieloper überhaupt) heute zu besetzen, einmal mehr bewahrheitet es sich hier. Das Verdienst, die Oper ausgegraben zu haben, soll das aber nicht grundsätzlich schmälern.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Lortzing: Zum Groß-Admiral: Münchner Rundfunkorchester, Ulf Schirmer |
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Label: Anzahl Medien: |
cpo 2 |
Medium:
EAN: |
CD
761203513321 |
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Lortzing, Albert |
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cpo Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
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