
Musik aus Schloss Wolfenbüttel VI - Weser-Renaissance Bremene, Manfred Cordes
Köstliche Perlen
Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Die Reihe mit Musik aus Schloss Wolfenbüttel von Manfred Cordes und Weser-Renaissance Bremen bringt immer wieder kostbare Platten hervor – hier ein wunderbares Kombinationsprogramm mit Musik von Praetorius und Schütz.
Eine programmatische Kopplung von Michael Praetorius und Heinrich Schütz, wie sie Manfred Cordes im lesenswerten Booklet-Essay der aktuell bei cpo erschienenen Produktion seines Ensembles Weser-Renaissance Bremen im Rahmen der Reihe mit Musik aus Schloss Wolfenbüttel beschreibt, ist erstaunlich plausibel. Nicht nur, dass es sich um zwei unbestritten eminente, zugleich ungemein produktive Größen des deutschen Barock handelt. Auch die Beziehungen des Wolfenbüttelers Praetorius wie des Dresdners Schütz zum jeweils anderen Hof waren erstaunlich eng: Praetorius fungierte in den Jahren 1614 bis 1621 für Dresden als ‚Capellmeister von Haus aus‘, eine Rolle, die Schütz Jahrzehnte später, nämlich von 1655 bis 1666, für den Hof in Wolfenbüttel ausfüllte. Was hieß das nun? Beide brachten ihre Expertise in einer für den anderen Hof schwierigen Phase der Hofmusik und Kapelle ein, berieten, organisierten aus dem Hintergrund, nutzten ihre Netzwerke – waren insgesamt kundige und vor allem renommierte Ratgeber, die ihr künstlerisches und persönliches Gewicht für das musikalische Leben am anderen Ort in die Waagschale warfen.
Beide Komponisten waren in ihrem Werk deutlich von den Entwicklungen in Italien inspiriert, Schütz aus der Intensität eigener Erfahrung und Anschauung, Praetorius durch vermittelte Aneignung kaum weniger gründlich. Die textlichen Schnittstellen, die Manfred Cordes für das Programm fruchtbar gemacht hat – er musiziert mit seinem Ensemble jeweils in direkter Gegenüberstellung ein Werkpaar auf denselben Text –, suchte und fand der versierte Repertoirekenner in beinahe zeitgleich veröffentlichten Sammlungen: Im Zentrum stehen Praetorius‘ ‚Polyhymnia Caduceatrix & Panegyrica‘ von 1619 sowie Schütz‘ im selben Jahr erschienene ‚Psalmen Davids‘. Dazu kommen mit je einem Satz aus den ‚Musae Sionae‘ von 1605 und der ‚Geistlichen Chormusik‘ von 1648 die zeitlichen Randwerke. Im Zentrum stehen zwei ausgreifende und selten gesungene Kompositionen, die Praetorius und Schütz – gemeinsam mit weiteren Größen der Zeit wie Melchior Franck, Johann Hermann Schein oder Christoph Demantius – zum Sammelwerk des sächsischen Hofbeamten Burckhard Großmann anlässlich dessen ‚wunderlicher Errettung‘ im Jahr 1616 auf den Text des Psalms 116 beitrugen.
Sämtlich ist das hochwertige Satzkunst, die zwei der begabtesten deutschen Komponisten mindestens jener Zeit absolut günstig präsentiert. Beide sind exzellente ‚Redner in Tönen‘ – wer aufmerksam zuhört, wird allein in dieser Hinsicht überreich belohnt.
Großartiges Ensemble
Natürlich ist das zuallererst ein Verdienst der wunderbaren Vokalisten. Hier sind es die Sopranistinnen Jessica Jans, Magdalena Podkoscielna und Erika Tandiono, dazu die Altisten David Erler und Stefan Kunath, die Tenöre Mirko Ludwig und Hans Jörg Mammel sowie die Bässe Sebastian Myrus und Dominik Wörner. Sie erweisen sich als hochflexible Gruppe, die traumwandlerisch sicher auf dem heiklen Feld zwischen Ensemble und solistischer Geste agiert. Dazu sind sämtliche Akteure sprachmächtig und plastisch in der Diktion – so dass die Kompositionen der beiden Barock-Meister im Grundzugriff rundum zutreffend gesungen werden. Der artikulatorische Zugang ist bei dieser textgezeugten Musik ideal gelungen und gerät für die gesamte Dauer des Programms nicht aus dem Blick. Intoniert wird wunderbar frei und gelöst – vokal wie instrumental.
Das Instrumentalensemble ist mit Violinen, einem kompletten Gamben-Consort, Zinken, Posaunen, Chitarrone und Orgel variabel besetzt. Intime Farben stehen im Vordergrund, gelegentlich verdichtet zu nobler Größe. Die gesammelte Gamben-Kompetenz verleiht einigen Praetorius-Sätzen eine feine Extra-Qualität in überlegender Klangkultur. Manfred Cordes bringt die Musik in Bewegung, stellt dabei die sinntragende Entfaltung der Texte in den Vordergrund. Klanglich vollzieht sich das Geschehen in gebändigter, wohlorganisierter Größe, mit üppigem Abbild der Strukturen und angemessener Präsenz aller klingenden Ebenen.
Die Reihe mit Musik aus Schloss Wolfenbüttel von Manfred Cordes und Weser-Renaissance Bremen bringt immer wieder kostbare Platten hervor – hier ein wunderbares Kombinationsprogramm mit Musik von Praetorius und Schütz.
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Musik aus Schloss Wolfenbüttel VI: Weser-Renaissance Bremene, Manfred Cordes |
|||
Label: Anzahl Medien: |
cpo 1 |
Medium:
EAN: |
CD
761203550326 |
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Praetorius, Michael |
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cpo Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
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