> > > Liszt: Etudes D'exécution transcendante: Manuel Cini, Klavier
Samstag, 30. September 2023

Liszt: Etudes D'exécution transcendante - Manuel Cini, Klavier

Transzendentales Spiel


Label/Verlag: Odradek
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Manuel Cini meistert Liszts große Etüden (mit kleinen Abstrichen).

Als Claudio Arrau einmal Anfang der 1960er Jahre darauf hingewiesen wurde, dass es da einen russischen Pianisten gäbe (gemeint war Sviatoslav Richter), der auf eine bisher noch nicht gehörte Weise Prokofiev spielen würde, bemerkte dieser mit verschmitztem Unterton: „Haben Sie schon mal gehört, dass man Prokofiev schlecht interpretiert hat?“

Ein wenig trifft diese rhetorische Frage auch auf Liszt und seine Transzendentalen Etüden zu, ohne dabei die Leistung des jungen italienischen Pianisten Manuel Cini schmälern zu wollen. Dieser hat im letzten Jahr (2022) sämtliche der zwölf großen Konzertetüden für das Label Odradek eingespielt. Vorab sei festgehalten, dass Cinis spieltechnische wie inhaltliche Gestaltung der Werke in der Gesamtbewertung imponiert. Freilich gelingen ihm nicht alle Etüden gleich souverän – interpretatorische Höhepunkte der Einspielung bilden die Etüden Nr. 5 („Feux follets“), Nr. 8 („Wilde Jagd“) und Nr. 12 („Chasse neige“).

Fraglos fordern die Werke – allein schon qua Titel – größte virtuose Ansprüche, denen Cini mehr als gewachsen ist. Aber Liszts Transzendentale Etüden verlangen dem Interpreten noch weitaus mehr ab: Es geht um nichts geringeres als die Darstellung überzeugender dramaturgischer Bögen und die formstrategische Lösung so manchen kniffligen Gestaltungsproblems. Wer nur technisches Rüstzeug mitbringt, wird bei den Stücken interpretatorisch verlieren – nicht umsonst bilden die Etüden hart erkämpfte Früchte überaus langwieriger kompositorischer Bemühungen. Über mehrere Jahre (1826–1851) arbeitete Liszt an den Werken, bis sie schließlich in der letztgültigen dritten Fassung vorlagen.

Aber zurück zu Cinis Beitrag: Mitunter spielt sich der Pianist in einen derartigen Rausch, dass er die ein oder andere Phrase oder vermeintliche Nebenstimme zu wenig würdigt. Dies passiert gerade in den aufbrausenden Passagen der an sich weniger auf virtuosen Effekt zielenden Stücke (z. B. Nr. 3 & 9), wo dann der Etüdencharakter allzu stark profiliert und das lyrisch-intime Moment, von denen es zahlreiche gibt, übertüncht wird. Hier bietet es sich an, wiederum auf Arrau und seine (bis heute nicht überbotene) Einspielung der Etüden aus dem Jahr 1977 zu verweisen, der den Stücken entsprechende Charaktere wundervoll abzugewinnen vermag.

Das alles sind aber eher kleinere Schwächen im Verhältnis zu einer insgesamt starken Performance des jungen Cini, der hoffentlich zukünftig noch weitere Liszt-Einspielungen vorlegen wird. Last but not least, was die Klangqualität der Aufnahme betrifft: Vielleicht hätte eine insgesamt räumlichere und tiefere Atmosphäre der Darbietung gutgetan, denn manches wirkt auf der CD leider klanglich doch etwas stumpf.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Liszt: Etudes D'exécution transcendante: Manuel Cini, Klavier

Label:
Anzahl Medien:
Odradek
1
Medium:
EAN:

CD
855317003806


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Liszt, Franz


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Odradek

Odradek Records ist keine beliebige neue Plattenfirma. Es ist der erste Schritt eines größeren Projekts, welches es sich zur Aufgabe gemacht hat, klassische Musik neu zu produzieren und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Wir sind der Meinung, daß die derzeitige Struktur der Musikwelt das wahre Wesen der Musik verkennt und ihr nicht die gebührende Bedeutung beimisst. Die Welt der klassischen Musik dreht sich im Wesentlichen um wenige, berühmte Namen, einige große Konzerthäuser und ein Repertoire, welchem - eingeschränkt durch die Fesseln der Popularität - wenig Spielraum gelassen wird. Nachwuchskünstler werden zumeist im musikfeindlichen Labyrinth der Wettbewerbe gefunden, wobei der große Erfolg dort nicht selten enger mit Extravaganz und Theatralik als mit der Genauigkeit und Feinheit der Interpretation verknüpft ist. Solch ein System, welches den Gesetzen der freien Marktwirtschaft ausgesetzt ist, zwingt die große Mehrheit der Künstler immense Summen für eine CD Aufnahme aufzubringen, deren Gewinn größtenteils wieder an die Plattenfirma zurückfließt. Dadurch bleibt vielen guten Musikern die Möglichkeit einer professionellen Aufnahme verwehrt. Solch ein System hat sich nicht nur schon weit von der Kunst entfernt, es ist ein System, das in sich selbst in einer großen Krise steckt.

Idealerweise sollte Musik, genau wie andere Primärgüter, nicht vom Markt abhängig sein. Uns ist klar, dass dies streng genommen eine utopische Vision ist. Aber gerade dieses Streben nach dem Unerreichbaren ist ein grundlegender Antrieb für die Dynamik unseres Projekts.

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Zu guter Letzt noch ein Wort zu unserem Namen, den wir einer Kurzgeschichte von Kafka entliehen haben. Ebenso wie der Familienvater in Kafkas Geschichte, sind auch wir besorgt. Besorgt, dass Musik immer mehr ein ?Odradek? wird; ein undefinierbares und unverständliches Wesen, dessen Stimme künstlich klingt ? wie die Stimme eines Menschen ?ohne Lungen?; ein Wesen ohne Form, das auf beängstigende Weise all das kopiert was jemals lebendig war und von jenen, die über die notwendigen Instrumente der Macht und Kontrolle verfügen, in jede Form gepresst werden kann. Wir hoffen, dass das käfigähnliche Geländer, das den Mann in Kafkas Bildern umgibt, sich in ein Instrument verwandelt ? wir möchten unser Gefängnis in Freiheit verwandeln.

Wir möchten dazu beitragen, dass Musik wieder ausschließlich als Kunstwerk wahrgenommen und die ursprüngliche Funktion musikalischer Interpretation wiederhergestellt wird ? die einzige, die eine mögliche Zukunft eröffnet: ein Feld der Forschung.

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