
Smith: The Seasons - Festivalchor Musica Franconia, La Banda, Wolfang Riedelbauch
Ein Franke in London
Label/Verlag: Christophorus
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Wiederauflage eines wichtigen Oratorienwerks jenseits von Händel.
Obschon er an dem Erfolg von Georg Friedrich Händels Musikunternehmungen in London nicht unentscheidenden Anteil hatte (er wurde in späten Jahren sein Sekretär und dirigierte ab 1753 alle Händel-Oratorienaufführungen anstelle des erblindeten Älteren), ist der aus Mittelfranken stammende John Christopher Smith (1712–1795) besonders als Komponist heute nahezu vollständig vergessen. Dabei hatte er erste Opernerfolge im Alter von zwanzig Jahren, und nicht nur als Instrumental- und Opernkomponist hat er sich profiliert, sondern auch in Händels ureigenstem Terrain.
Das Oratorium ‚The Seasons‘ entstand 1740 auf eine Dichtung des Schotten James Thomson, der besonderen Nachruhm als Dichter des ‚Rule, Britannia‘ erntete. Auch Thomsons ‚Hymn on the Seasons‘ ist uns wohlbekannt, in einer doppelten Nachdichtung Gottfried van Swietens, die bekanntlich ein gewisser Joseph Haydn in Musik setzte.
Smiths Komposition ist nicht minder inspiriert, und es ist interessant zu beobachten, welch gänzlich anderes ästhetisches Konzept Smith im Vergleich zu Händel verfolgt. Dem Zeitgeschmack gemäß, ist der religiöse Aspekt von beachtlicher Bedeutung – und wo Haydn sich ausführlich den einzelnen Jahreszeiten widmet, legt Smith in der zweiten Hälfte seines Werks den Fokus auf die Wechselhaftigkeit des Jahres und der Schöpferallmacht des ‚großen Hirten‘.
Großer Farbenreichtum
Die Einspielung entstand live 2012 in der Nürnberger Sebalduskirche und war bereits 2014 erstmals auf den Markt gebracht worden. Der Festivalchor der Musica Franconia steht von allen Mitwirkenden der Musik und ihrem Idiom am fernsten, ist offenkundig stärker in der Musik des 19. Jahrhunderts zu Hause. Dahingegen breitet das Ensemble La Banda voller Wonne die Naturerscheinungen (Vogelrufen, Gewitterstürmen, Jagdklänge) vor dem Hörer aus und erkundet die reiche Partitur in großem Farbenreichtum.
Die vier Solisten Emma Kirkby, Hans Jörg Mammel, Tim Mead und Markus Simon sind sukzessive für die einzelnen Jahreszeiten zuständig und übernehmen in der zweiten Hälfte weitere Perspektiven. Mammel und Simon können mit den beiden Briten stilistisch nicht ganz mithalten. Dies ist aber ein nur geringer Wermutstropfen, da Wolfgang Riedelbauch das gemeinsame Kunstwollen in schöner Weise zusammenbringt.
Leider entspricht die Bookletgestaltung nicht ganz der Bedeutung der auch aufnahmetechnisch guten Produktion – das Libretto wird nur auf Englisch geboten (und es wäre spannend gewesen zu erfahren, wie Smith mit der originalen Dichtung umgegangen ist – offensichtlich ganz anders als Haydn), und der Begleittext hätte ruhig länger sein können. Dennoch: eine wichtige Veröffentlichung, die die britische und die fränkische Musikgeschichte des 18. Jahrhunderts um eine interessante Facette bereichert.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Smith: The Seasons: Festivalchor Musica Franconia, La Banda, Wolfang Riedelbauch |
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Label: Anzahl Medien: |
Christophorus 2 |
Medium:
EAN: |
CD
4010072022523 |
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Smith, John Christopher |
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