
Schostakowitsch: Jazz & Variety - Singapore Symphony Orchestra, Andrew Litton
Tanzende sowjetische Fußballer und Landarbeiter
Label/Verlag: BIS Records
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Das Singapore Symphony Orchestra hat die berühmten Jazz-Suiten von Schostakowitsch eingespielt, kombiniert mit zwei Balletten, die das heldenhafte Leben der Menschen in der Sowjetunion zelebrieren.
Die Jazz-Suiten von Dimitri Schostakowitsch haben sich inzwischen als eine Art Dauerbrenner etablieren können, ganz besonders der Walzer, der in Stanley Kubricks Thriller „Eyes Wide Shut“ im Soundtrack verwendet wird und mittlerweile sogar Einzug in die Konzerte von André Rieu gefunden hat, sonst sicher nicht der erste Name, der einem einfällt im Zusammenhang mit Schostakowitsch.
Nachdem in den 1990ern das Concertgebouw Orchester unter Riccardo Chailly mit der Jazz Suite Nr. 1 und 2, kombiniert mit dem unwiderstehlichen „Tahiti Trot“ („Tea for Two“) und dem 1. Klavierkonzert ein Bestseller-Album vorgelegt hatte, sind viele andere gefolgt. Nun hat Andrew Litton mit dem Singapore Symphony Orchestra ein „Jazz & Variety“-Album präsentiert.
Dabei sind die beiden Jazz-Suiten ergänzt mit Ausschnitten aus den Balletten „Das goldene Zeitalter“ über eine sowjetische Fußballmannschaft im (bösen kapitalistischen) Ausland und „Der klare Strom“ über den Alltag in einer Kolchose, wo die heroischen Leistungen der sowjetischen Landarbeiter zelebriert werden. Zum Abschluss gibt’s dann, natürlich, der „Tahiti Trot“.
Litton und die Musiker aus Singapur finden schnell den Swing, den diese Musik braucht. Sie liefern eine schmissige Wiedergabe, der für mein Empfinden manchmal ein bisschen zu „sauber“ klingt. Bedenkt man, dass damals – also in den 1930er Jahren – ideologisch über die Bedeutung von Jazz heftig gestritten wurde und zeitgleich die Weintraubs Syncopators aus Berlin quer durch die UdSSR reisten mit ihren schrägen synkopierten Jazzklängen („Mein Gorilla hat ne Villa im Zoo“), dann wäre es angebracht gewesen, auch bei Schostakowitsch mit etwas mehr Biss und Ironie zu arbeiten. Und diese Musik als Provokation auf ihre subversiven Möglichkeiten abzuklopfen. In gewisser Weise schafft das Chailly besser als Litton. Wobei Chailly auch noch die besseren Aufnahmetechniker von Decca hatte.
Das satirische Element zum Klingen zu bringen wäre auch bei den beiden Balletten sehr passend gewesen, die hier als Beispiele des „Sozialen Realismus“ kaum Brechungen erkennen lassen. Was ihnen viel von ihrer Wirkung nimmt und sie als Zeitdokumente auszeichnet.
Souverän
Trotzdem: Wer eine neue Aufnahme dieser Musik sucht, wird hier vom souverän spielenden Singapore Symphony Orchestra vorzüglich bedient. Das Booklet bietet einen informativen Text von Andrew Huth, die Verpackung mit „It Girls“ der 30er ist ansprechend, obwohl kaum repräsentativ fürs Frauenbild in Russland in den Jahren, um die es geht. Wie Kolchose-Mitarbeiterinnen sehen diese Ladies mit Bubikopf jedenfalls nicht aus. Und warum nur Frauen gezeigt werden, darüber könnte man sich auch wundern. (Wo sind die Fußballspieler aus den Balletten?)
Alle, die bereits eine andere Aufnahme der Jazz-Suiten besitzen (die zweite wird hier korrekterweise als „Suite für Varieté-Orchester“ gelistet), brauchen diese Neueinspielung eher nicht. Gute Laune verbreitet sie trotzdem.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Schostakowitsch: Jazz & Variety: Singapore Symphony Orchestra, Andrew Litton |
|||
Label: Anzahl Medien: |
BIS Records 1 |
Medium:
EAN: |
CD SACD
7318599924724 |
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Schostakowitsch, Dimitri |
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BIS Records Most record labels begin with a need to fill a niche. When Robert von Bahr founded BIS in 1973, he seems to have found any number of musical niches to fill. The first year's releases included music from the renaissance, Telemann on period instruments, Birgit Nilsson singing Sibelius and works by 29 living composers - Ligeti and Britten as well as Rautavaara and Sallinen - next to Purcell, Mussorgsky and Richard Strauss. A musical chameleon was born, a label that meant different things to different - and usually passionate - devotees. Mehr Info... |
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