> > > Dein ist mein ganzes Herz: Nylund, Beczala, Schade, Wiener Symphoniker, Manfred Honeck
Sonntag, 26. März 2023

Dein ist mein ganzes Herz - Nylund, Beczala, Schade, Wiener Symphoniker, Manfred Honeck

Ein gut gemeintes Präsent


Label/Verlag: Profil - Edition Günter Hänssler
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Die Wiener Symphoniker gratulieren Franz Lehár mit viel Erwartbarem zum 150. Geburtstag.

Im April 2020 wäre Franz Lehár 150 Jahre alt geworden. Zum Geburtstag konnte kaum irgendwo musikalisch gratuliert werden, weil die Pandemie zu diversen Lockdowns und gerade auch in der Kulturbranche quasi zum Stillstand geführt hatte. Die Wiener Symphoniker mit ihrer großen Lehár-Tradition ließen sich das Zelebrieren aber nicht nehmen und nutzten ein digitales Format, wie es auch andernorts in den vergangenen zwei Jahren boomte: Sie zeichneten das Festkonzert im Theater an der Wien mit Manfred Honeck am Pult und einem hochkarätigen Vokaltrio auf – ohne Publikum. Unter dem mehr als abgegriffenen Titel 'Dein ist mein ganzes Herz' und dem noch verdächtigeren Untertitel 'The most beautiful melodies by Franz Lehár' ist der süffige Geburtstagsgruß beim Label Profil/Edition Günter Hänssler auf einer CD nebst einer DVD-Dokumentation – Titel: 'The Man of Smiles' – erschienen.

Die DVD-Produktion von Thomas Macho mit einem intim inszenierten und filmisch aufgearbeiteten Lehár-Interview über seine Karriere und sein Leben ist recht unterhaltsam. Zwischeneinblendungen des aufgezeichneten Konzerts markieren sinnfällige Punkte der Gesprächs- und Konzertdramaturgie. Wolfgang Hübsch spielt den ältlichen Lehár und Aglaia Szyszkowitz die jüdische Journalistin Elsa Herz. Das Gespräch lässt die großen Erfolge Revue passieren und beharrt immer wieder auf der fragwürdigen Position Lehárs im Dritten Reich. Zu wirklichen Antworten kommt es nicht, auch weil sich Lehár eben diesen mit den bekannten Rechtfertigungen und schließlich einem emotionalen Einbruch entzieht. Um mehr über Lehár zu erfahren, empfehlen sich nachdrücklich die ausführlichen, lesenswerten Biografien und Abhandlungen zum Komponisten von Stefan Frey, der auch an der hier verwendeten Dialogfassung mitgearbeitet hat.

Populärer Lehár

Der Audiomitschnitt des Studio-Konzerts vom Juni 2020 bietet viel Erwartbares und ewig Populäres. Aus dem 'Land des Lächelns' singt Piotr Beczała natürlich 'Dein ist mein ganzes Herz' und 'Immer nur lächeln'. Für 'Wer hat die Liebe uns ins Herz gesenkt' steht ihm Camilla Nylund zur Seite. In Sachen 'Lustige Witwe' gibt es 'Lippen schweigen', das 'Vilja-Lied' und Danilos 'Da geh ich zu Maxim' und am Ende des Konzerts folgen 'Freunde, das Leben ist lebenswert' und 'Meine Lippen, sie küssen so heiß' aus 'Giuditta'. Das alles ist nachvollziehbar gewählt, aber auch ungemein berechenbar und ein wenig enttäuschend. Aber von 'The most beautiful melodies' sollte man sich auch nicht zu viel Ambition erwarten. Immerhin dürfen auch ein Dauerbrenner aus 'Friederike' und das 'Wolgalied' erklingen, der 'Gold und Silber-Walzer' und Angèles Auftritt aus dem 'Graf von Luxemburg'.

Einzig die Tondichtung für Tenor und Orchester 'Fieber' fällt aus dem konventionellen Rahmen und macht die Hörer endlich auch mit dem unbekannten Lehár vertraut. Diese 13-minütige Szene wird von Michael Schade mit viel Charakter und textlicher Prägnanz gestaltet. Der einstmals lyrische Schmelz seines Tenors ist zwar nicht mehr der frischeste, aber Schade wirfst sich mit wunderbarer Artikulation und immensem Ausdruck ins Zeug. Der jugendliche Zarewitsch ist kurz darauf bei aller Gestaltungskraft seine Sache nicht mehr.

Camilla Nylund lässt trotz ihres edlen Timbres viele Wünsche offen, singt ihre Operetten-Arien im großen Opernton, wie es auch für die späten Lehár-Operetten bei aller nachgesagten Opernnähe nicht adäquat ist. Von den doppelbödigen Figuren einer Hanna Glawari, einer Friederike oder Angèle Didier ist nichts zu spüren. Aber die Melodien sind – in üppigen Klang eingehüllt – da, beim Vilja-Lied sogar mit einem effektvollen Piano auf dem letzten Ton. Piotr Beczała hat an Stimmfrische und Charme mehr zu bieten, kommt aber stilistisch auch an seine Grenzen. Die großen Tauber-Lieder gelingen ihm noch am besten, als Danilo klingt er verloren und leider sehr fehl am Platz.

Die Wiener Symphoniker und Manfred Honeck sind eine verlässliche Größe, die rauschhaften Klangzauber produzieren und überraschend selten in die Kitsch-Ecke greifen. Der ‚Gold und Silber-Walzer‘ darf zwar schmachten, aber die flotten Tempi entgehen immer haarscharf der puren Sentimentalität. Gleiches gilt für so manche instrumentale Zwischenpassage, wie im Vilja-Lied oder im Wolgalied, wo Honeck in geschmackvoller Abstimmung von Tempo, Dynamik und Agogik das drohende Klischee beherzt umschifft.

Am Ende bleibt somit ein höfliches Danke für den aufwendigen Geburtstagsgruß und sobald die Gäste gegangen sind, stellt man das gut gemeinte Präsent durchaus wertschätzend in den Schrank – aber eher weit nach hinten.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!

Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel

Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.



Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



Cover vergrößern

    Dein ist mein ganzes Herz: Nylund, Beczala, Schade, Wiener Symphoniker, Manfred Honeck

Label:
Anzahl Medien:
Profil - Edition Günter Hänssler
1
Medium:
EAN:

CD
881488220049


Cover vergössern

Lehár, Franz


Cover vergössern

Profil - Edition Günter Hänssler

Profil - The fine art of classical music
EDITION GÜNTER HÄNSSLER - EIN LABEL MIT "PROFIL"
Bei der Gründung seiner "EDITION GÜNTER HÄNSSLER" und dem neuen Label "PROFIL" betrat Produzent Günter Hänssler, der ehemalige Chef des erfolgreichen Labels Hänssler Classics, mit einer ganz klaren Philosophie und Zielsetzung den Klassik-Markt:
"Nur ein Label mit einem klaren PROFIL, mit einem eindeutigen Wiedererkennungseffekt hat heute noch eine Chance auf dem heiß umkämpften CD-Markt - um die Liebhaber klassischer Musik heute mit einem Produkt zu überzeugen braucht man Originalität, Innovation und optimierte Vertriebswege."
Der Name PROFIL ist Programm. Günter Hänssler denkt in Serien. Nur groß angelegte Projekte haben heute noch eine Chance, sich nachhaltig auf dem Markt wiederzufinden. So entstanden international hoch gepriesene und mehrfach mit internationalen Preisen ausgezeichnete Editionen wie die EDITION STAATSKAPELLE DRESDEN oder die GÜNTER WAND EDITION.
Die Repertoire-Politik ist charakteristisch. Eine Auswahl erster internationaler Künstler finden sich im Programm von PROFIL ebenso wieder wie erfolgreiche Newcomer der Klassikszene, darunter das mehrfach preisgekrönte Klenke-Quartett, das in der Interpretation von Kammermusik in den letzten Jahren neue Maßstäbe setzen konnte.
Ergänzt wird das Repertoire durch ausgewählte, digital aufwendig restaurierte historische Aufnahmen, Interpretationen von legendärem Ruf in neuer, bisher nicht gekannter digitaler Klangqualität. Auf diese Weise schlägt PROFIL die Brücke von der Vergangenheit in die Gegenwart und versteht sich so auch als Bewahrer musikalischer Traditionen.
PROFIL: Ein Programm - eine Verpflichtung aus Tradition!


Mehr Info...


Cover vergössern
Jetzt kaufen bei...


Weitere Besprechungen zum Label/Verlag Profil - Edition Günter Hänssler:

blättern

Alle Kritiken von Profil - Edition Günter Hänssler...

Weitere CD-Besprechungen von Benjamin Künzel:

  • Zur Kritik... Pralles Gipfeltreffen: Jonas Kaufmann, Ludovic Tézier und Antonio Pappano veranstalten mit 'Insieme' ein pralles, saftiges Opern-Gipfeltreffen. Weiter...
    (Benjamin Künzel, )
  • Zur Kritik... Auftakt zu einer Trilogie: 'Christus das Kind' ist eine interessante Ausgrabung, die das Umfeld frühromantischer Oratorienliteratur verdeutlicht bzw. erst ins Blickfeld rückt. Ein 'Aha!'-Effekt stellt sich aber nicht ein. Weiter...
    (Benjamin Künzel, )
  • Zur Kritik... Von spröder Schönheit: Unerhörte Ausgrabungen, konsequente Programmzusammenstellung und die spröde Schönheit der Darbietung machen das Album 'Trennung' zu einem faszinierenden Beitrag auf dem aktuellen Plattenmarkt. Weiter...
    (Benjamin Künzel, )
blättern

Alle Kritiken von Benjamin Künzel...

Weitere Kritiken interessanter Labels:

  • Zur Kritik... Pranken und Poesie: Garrick Ohlsson präsentiert einen bedenklichen Brahms. Weiter...
    (Dr. Kai Marius Schabram, )
  • Zur Kritik... Gibt es ein 'fast zu schön'?: Christian Zacharias spielt vier mittlere Haydn-Sonaten. Weiter...
    (Dr. Kai Marius Schabram, )
  • Zur Kritik... Geistvoll: Karel Valter und Hadrien Jourdan breiten gehaltvolle Sonaten des großen Carl Philipp Emanuel Bach mit dem notwendigen Gewicht aus, verbunden mit gestalterischer Raffinesse und Klangeleganz. Weiter...
    (Dr. Matthias Lange, )
blättern

Alle CD-Kritiken...

Magazine zum Downloaden

NOTE 1 - Mitteilungen (3/2023) herunterladen (5000 KByte)

Anzeige

Empfehlungen der Redaktion

Die Empfehlungen der klassik.com Redaktion...

Diese Einspielungen sollten in keiner Plattensammlung fehlen

weiter...


Portrait

Der Pianist Herbert Schuch im Gespräch mit klassik.com.

"Bei der großen Musik ist es eine Frage auf Leben und Tod."
Der Pianist Herbert Schuch im Gespräch mit klassik.com.

weiter...
Alle Interviews...


Sponsored Links

Hinweis:

Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers, nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Die Bewertung der klassik.com-Autoren:

Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich