> > > Heinz Rögner: MDR-Sinfonieorchester, MDR-Kammerphilharmonie, Heinz Rögner
Dienstag, 28. März 2023

Heinz Rögner - MDR-Sinfonieorchester, MDR-Kammerphilharmonie, Heinz Rögner

Hommage für einen Leipziger


Label/Verlag: Genuin
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Live-Mitschnitte des altersweisen Dirigenten Heinz Rögner.

Heinz Rögner (1929–2001) gehörte zu den ganz wichtigen Dirigenten der DDR. In Leipzig geboren, studierte er von 1947 bis 1951 in seiner Heimatstadt und war ab 1951 Solorepetitor und 2. Kapellmeister am Deutschen Nationaltheater Weimar. Ab 1954 war er selbst an der Leipziger Musikhochschule als Dozent tätig und wurde 1958 Chefdirigent des Großen Rundfunkorchesters Leipzig: 1962 wechselte er als Generalmusikdirektor an die Berliner Staatsoper und war von 1973 für zwanzig Jahre Chefdirigent des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin. Auf Tonträger ist Rögner vor allem mit Werken von Wagner, Schubert, Reger, Strauss, Pfitzner, Tschaikowskij und vor allem Bruckner vertreten; merkwürdigerweise sind Vorzeigekomponisten der DDR wie auch randständiges Repertoire der Jahre 1958 bis 1993 kaum veröffentlicht.

In der neuen 4-CD-Box erleben wir Rögner in Leipziger Rundfunkmitschnitten aus dem Gewandhaus von 1994 bis 2001. Auf zwei CDs dirigiert er die MDR-Kammerphilharmonie – sein umfirmiertes altes Orchester, das er vierzig Jahre zuvor geleitet hatte und das später in das MDR-Sinfonieorchester aufging, und eben das MDR-Sinfonieorchester selbst, dem er nie als Chefdirigent vorgestanden, das er aber häufig als Gast dirigiert hatte. Die Konzertmitschnitte mit der MDR-Kammerphilharmonie von 1999 zeigen Rögner als Meister der Naturschilderung, in Mendelssohn Bartholdys Ouvertüre ‚Meeresstille und glückliche Fahrt‘ und Beethovens ‚Pastorale‘. Vorbildliche Transparenz, große Wärme und ein entspannter Tonfall prägen die sorgfältig erarbeiteten Wiedergaben. Die MDR-Kammerphilharmonie besitzt nicht ganz die spieltechnische Brillanz des MDR-Sinfonieorchesters, doch weiß Rögner den Orchesterklang mit viel humanistischer Wärme und klarem Bezug zum architektonischen Großbogen gestalterisch zu verdichten; gerade der Schlusssatz der ‚Pastorale‘ scheint in hellem Licht den Lebensabend mild zu vergolden. Von 1997 bzw. 2001 stammen Mitschnitte mit der MDR-Kammerphilharmonie von Gershwins ‚An American in Paris‘ und Ravels ‚Le Tombeau de Couperin‘. Während Rögner bei Gershwin teilweise durchaus unkonventionelle Tempi wählt, die aber im Zusammenspiel von großer Überzeugung sind (wobei die spieltechnischen Grenzen des Orchesters allerdings deutlich hörbar sind), gönnt er dem Ravel-Werk jene Entspanntheit, die auch die Werke von Beethoven und Mendelssohn Bartholdy auszeichnet, mit einem geistvollen spritzigen Finale; hier ist die Phrasierung entspannt, der Orchesterklang differenziert, wenn auch auch hier die Streicher nicht ganz die Qualität eines A-Orchesters aufbieten können.

Mit dem MDR-Sinfonieorchester hören wir in Konzerten  von 1994 bis 1998 Schuberts Unvollendete und das Streichquartett ‚Der Tod und das Mädchen‘ in Gustav Mahlers Orchestrierung, Regers Mozart-Variationen und Bruckners Sechste Sinfonie. Nur die Bruckner-Sinfonie kennen wir auch aus einer Studioproduktion Rögners aus Berlin 1986, sonst enthält die Box ausschließlich Ergänzungen seiner Diskografie. Man darf fragen, warum der der ungleich dichter und spieltechnisch souveränere Studioproduktion nicht auf Augenhöhe gegenüber treten könnende Livemitschnitt veröffentlicht wurde – außer um die bekannte Tatsache zu bestätigen, dass Rögner ein sensibler, klarsichtiger und engagierter Bruckner-Interpret war

Unaufgeregt und tiefgründig

Auch Regers berühmtes Variationenwerk nimmt Rögner durchweg eher gelassen, die wichtige Teilung von sordinierten und unsordinierten Streichern ist kaum zu hören. Doch werden wir mehr als entschädigt durch den luftigen Atem, der die Interpretation durchweht. Dass die Zeit zum differenzierten Einstudieren gleichwohl nicht ganz gereicht zu haben scheint, können wir den vielen Unebenheiten in der Balance innerhalb des Orchesters in der Schlussfuge hören, nicht zuletzt der zu lauten Wiederkehr des Mozart-Themas, das gerade hier zu verschleppen Regers Intentionen diametral zuwider läuft. Da erfreut die Schubert-CD umso mehr. Rögner hat sich immer wieder auch mit unbekannterem Schubert befasst – er gehörte zu den wenigen Dirigenten, die die ‚Siebte Sinfonie E-Dur‘ eingespielt hat – in der Aufführungsfassung Felix von Weingartners. Hier also die Unvollendete in einer unaufgeregten, dennoch tiefgründigen Interpretation, und vor allem die Mahler-Fassung des Streichquartetts ‚Der Tod und das Mädchen‘ – mit dem MDR-Sinfonieorchester sicher der Höhepunkt der Edition. So muss Mahlers Streichorchesterfassung des Werks klingen – überrumpelnd, klanglich kraftvoll, jeder Äußerlichkeit entsagend und ohne unnötige emotionale Drücker, mit natürlich fließenden Tempi, im Finale furios sich steigernd, gerade dadurch auf den Punkt. Und Schubert durch Mahlers Brille nähert sich hier fast dem Klang Mendelssohn Bartholdys, mithin einer anderen Leipziger Legende.

Die opulent ausgestattete Edition enthält einen leider nicht ganz umfassenden zentralen Bookletbeitrag (man hätte mehr über Rögners Repertoire erfahren) und eine ganze Reihe von Würdigungen des Dirigenten, aus Interpreten- und Familienkreisen, die den Künstler und Menschen in schöner Weise lebendig werden lassen.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Heinz Rögner: MDR-Sinfonieorchester, MDR-Kammerphilharmonie, Heinz Rögner

Label:
Anzahl Medien:
Genuin
4
Medium:
EAN:

CD
4260036257427


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Beethoven, Ludwig van
Bruckner, Anton
Gershwin, George
Mahler, Gustav
Mendelssohn Bartholdy, Felix
Ravel, Maurice
Reger, Max
Schubert, Franz


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Genuin

Im Jahr 2002 standen die jungen Tonmeister von GENUIN vor einer wichtigen Entscheidung: Sollte man sich weiterhin lediglich auf das Aufnehmen und Produzieren konzentrieren, oder auf die zahlreichen Nachfragen und positiven Rückmeldungen von Musikern und Fachzeitschriften eingehen und ein eigenes Label ins Leben rufen? In einer Zeit, in der praktisch alle großen Klassik-Label ihre Produktion eingestellt oder zumindest stark gedrosselt hatten, fiel die Entscheidung nicht leicht – aber sie fiel einstimmig aus: zugunsten einer offiziellen Vertriebsplattform für die GENUIN-Aufnahmen. Und der Erfolg hat nicht lange auf sich warten lassen.

Das Label GENUIN hat sich in seinem zwölfjährigen Bestehen zu einem Geheimtipp unter Musikern und Musikliebhabern entwickelt. Schon vor dem Leipzig-Debüt im Oktober 2004, einem Antrittskonzert im Robert-Schumann-Haus mit Paul Badura-Skoda, wurden die CDs in den deutschlandweiten Vertrieb gebracht und von Fachpresse und Musikerwelt hochgelobt. Inzwischen werden GENUIN-CDs in den meisten Ländern Europas sowie in Japan, Süd-Korea, Hongkong und den USA vertrieben.

Das Erfolgsrezept von GENUIN: Die gesamte Produktion, also die Beratung der Künstler bei Aufnahmeraum und Repertoire, die Vorbereitung und Durchführung der Aufnahme selbst, der Schnitt mit allen notwendigen Korrekturen, generelle Entscheidungen beim Cover- und Bookletentwurf bis hin zur fertigen Veröffentlichung liegen in der Hand der Tonmeister. Nur so haben die Musiker den größtmöglichen Entfaltungsspielraum bei der Einspielung und Gestaltung ihrer CDs. Und gleichzeitig kann bis zuletzt eine gleichbleibend hohe Qualität garantiert werden.

GENUIN bietet auch abseits ausgetretener Pfade etablierten Künstlern genauso wie der Nachwuchsgeneration die Möglichkeit, Musik nach eigenen Vorstellungen zu verwirklichen. Das macht sich positiv bemerkbar für die Hörer der mittlerweile mehr als 300 GENUIN-CDs mit Interpreten wie Paul Badura-Skoda, Nicolas Altstaedt oder der Dresdner Philharmonie.


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