> > > Werke von J.S.Bach: Gaechinger Cantorey, Hans-Christoph Rademann
Montag, 2. Oktober 2023

Werke von J.S.Bach - Gaechinger Cantorey, Hans-Christoph Rademann

Prachtwerke


Label/Verlag: Carus
Detailinformationen zum besprochenen Titel


In der Summe eine ungemein gediegen gesungene und gespielte Platte mit Bach-Kantaten – edel im Klang, differenziert im Zugriff, mit üppigen lyrischen Stärken agiert Hans-Christoph Rademann mit seiner Gaechinger Cantorey ohne Zweifel.

Auf der neuesten bei Carus erschienenen Produktion der von Hans-Christoph Rademann geleiteten Gaechinger Cantorey sind mit BWV 21 'Ich hatte viel Bekümmernis' und BWV 147 'Herz und Mund und Tat und Leben' zwei der bekanntesten Kantaten Johann Sebastian Bachs zu hören: Ausgreifende Werke in zweiteiliger Anlage, die auf Weimarer Vorlagen basieren und Teil der Präsentation Bachs in den ersten Wochen seines Thomaskantorats im Sommer 1723 waren. Was für ein Entree könnte man sagen, BWV 21 am 13. Juni 1723 als Auftakt in St. Nikolai, BWV 147 dann am 2. Juli 1723 in beiden Hauptkirchen. Zu beobachten sind meisterliche Umarbeitungen in beiden Werken – was auf die künstlerische Anverwandlung als ästhetisches und wertschätzendes Grundprinzip verweist, das Bach bis in seine letzten Lebensjahre hinein hochhalten sollte. Beide Kantaten enthalten etliche ariose Schmuckstücke von außergewöhnlicher Strahlkraft, zum Beispiel das fabelhafte Duett von Sopran und Bass 'Komm, mein Jesu, und erquicke' in BWV 21. Die beiden Choräle 'Wohl mir, dass ich Jesum habe' und 'Jesus bleibet meine Freude' aber, die beiden Teilen von BWV 147 würdigen Abschluss geben, sind als unschlagbare Evergreens in die Musikgeschichte eingegangen. Und es sind Bachs kolorierende Triolen, die jeder vor Ohren hat, nicht der ursprüngliche Choral: Begleitung und Einbettung als eigentliches ästhetisches Ereignis.

Edel

Hans-Christoph Rademann versammelt im Chor der Gaechinger Cantorey 16 Choristen, formt einen jungen, beweglichen und behänden Klang, fern aller aufgesetzten Künstlichkeit oder pastosen Tradition. Aktive Diktion verbindet sich mit unangestrengter Virtuosität: Eine exquisite kammerchorische Arbeit mit nachwachsenden Kräften ist von jeher eines der Markenzeichen von Rademanns künstlerischer Ambition. Auch das kammermusikalisch dimensionierte Orchester agiert durchsichtig und doch klangfreudig. In erweiterter Besetzung – mit Trompeten oder Posaunen – stellt sich die erwartbare Erweiterung der Farbpalette verlässlich ein. Die Streicher agieren in konzentrierten Registern, allfällige obligate Soli überzeugen. Das typisch Bachsche Instrumentalidiom wird artikulatorisch sinnfällig ausgedeutet, vorbildlich atmend und lebendig phrasiert zum Beispiel in den beiden angesprochenen Chorälen, die, wie viele andere Sätze, auch dadurch grauer Routine entgehen. Der Basso continuo ist zwar klanglich präsent, wirkt aber etwas zu weich in der artikulatorischen Zeichnung.

Das Quartett der Vokalsolisten bilden Núria Rial (Sopran), Wiebke Lehmkuhl (Alt), Benedikt Kristjánsson (Tenor) und Matthias Winckhler (Bass). Rials schlanker Sopran zeugt von Klasse und linearem Format; die Diktion ist gelungen, wenngleich nicht von überragender Prägnanz. Wiebke Lehmkuhl verfügt über einen 'echten' Alt, dunkel timbriert, mit ausgeglichenen, fein verblendeten Registern und einem kontrollierten Vibrato. Kristjánsson ist eine der mittlerweile deutlich etablierten jungen Stimmen unter den Bach-Tenören, technisch stabil und beweglich, mit vorbildlich plastischer Diktion, affektiv wohl von Zeit zu Zeit etwas gehalten und zu wenig unmittelbar. Matthias Winckhler verfügt über eine komplette, auffallend eloquente Bassstimme voller Wärme und Ausstrahlung, mit natürlicher Autorität. Kaum überraschend, dass er Núria Rial ein perfekter Duettpartner ist.

Ausgewogen

In Sachen Tempi ist das Tableau eher entspannt, nimmt Rademann aber auch immer wieder angemessen Fahrt auf, zum Beispiel in virtuosen Chören. Aber auch die Choräle werden alles andere als stillstehend musiziert. Aufgenommen wurde die Produktion im Forum am Schlosspark Ludwigsburg – ein gelungenes Gesamtbild bietend, ausgewogen in Struktur und Balance, mit einer Fülle an blitzenden Details. In der Summe eine ungemein gediegen gesungene und gespielte Platte mit Bach-Kantaten. Es mag Interpretationen geben, die mit mehr Explosivität noch mehr Temperament entfalten – edel im Klang, differenziert im Zugriff, mit üppigen lyrischen Stärken agiert Hans-Christoph Rademann mit seiner Gaechinger Cantorey aber ganz ohne Zweifel.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





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    Werke von J.S.Bach: Gaechinger Cantorey, Hans-Christoph Rademann

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Anzahl Medien:
Carus
1
Medium:
EAN:

CD
4009350835221


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Bach, Johann Sebastian


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Carus

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